Grüne mit hehren Zielen
Hanspeter Staffler: „Um Werte und Ideen irgendwann umsetzen zu können, braucht es eine Regierungsbeteiligung.“
Mals/Vinschgau - Seit wenigen Tagen steht es fest: Hanspeter Staffler stellt sich bei den Landtagswahlen im Herbst erneut auf der Liste der Grünen den Wählerinnen und Wählern. Im Interview mit dem der Vinschger spricht er über bisher Erreichtes, über spezielle Vinschger Anliegen, über die Ziele der Grünen, die Herausforderungen der Zukunft und die Notwendigkeit eines Wandels der Machtstrukturen im Land.
der Vinschger: Herr Hanspeter Staffler, Sie wurden 2018 mit 3.377 Vorzugsstimmen auf der Liste der Grünen in den Landtag gewählt. Bei den Wahlen am 22. Oktober 2023 treten Sie erneut an. Sehen Sie sich selbst als Kandidat aus dem Vinschgau bzw. werden Sie als solcher wahrgenommen?
Hanspeter Staffler: Meine kulturellen und politischen Wurzeln sind im Vinschgau verankert, meine Liebe zu Land und Leuten hängt mit dem Vinschgau zusammen, dieses Tal hat mich geprägt. Als Umweltpolitiker und als Politiker, welcher sich für Bildung, soziale Gerechtigkeit und Gesundheit stark macht, agiere ich stets auf Landesebene. Sozusagen bin ich ein Kandidat mit Vinschger Wurzeln, der Umwelt- und Gesellschaftsthemen im gesamten Land vertritt.
Das Image, wonach die Grünen immer nur alles kritisieren und grundsätzliche Nein-Sager seien, hält sich zum Teil bis heute. Ist da etwas Wahres dran?
Das sogenannte Nein-Sager-Image wurde uns von den Wirtschaftslobbys der SVP zugeschrieben: Wir sagten Nein zu Umweltverschmutzung, wir sagten Nein zu Treibhausgasen und wir sagten Nein zu ungezügeltem Wirtschaftswachstum. Aber wir haben immer auch JA gesagt, JA zu erneuerbaren Energien, JA zur Ökolandwirtschaft, JA zum Naturschutz, JA zum sanften Tourismus und JA zum gemeinwohlorientierten Wirtschaften.
Was haben Sie während der noch laufenden Amtsperiode als Mandatar im Landtag konkret für den Vinschgau bewegt oder erreicht?
Zu Beginn der Legislatur war mein Hauptthema der schitechnische Zusammenschluss Langtaufers-Kaunertal, wogegen ich mich vehement ausgesprochen hatte. Mit mehreren Anfragen und Anträgen hatte ich dieses Thema im Landtag zur Behandlung gebracht. Bisher mit Erfolg. Das Thema der chemisch-synthetischen Pestizide ist stets auf der Agenda, meine Beschlussanträge und Gesetzesentwürfe wurden von der SVP-Lega-Mehrheit zwar abgelehnt, aber das Thema hat es immer wieder in den Landtag geschafft. Bezüglich Vinschger Zug intervenierte ich oft bei der Landesregierung, schlug Verbesserungen des Schienenersatzverkehrs Meran-Töll vor und übte Druck wegen der Wiederaufnahme der Arbeiten in den Bahntunnels aus. Zu Beginn dieses Jahres ist mir in Sachen Schnellbusverbindung Landeck-Mals der Geduldsfaden gerissen und ich brachte das Thema in den Landtag. Die Kollegen Sepp Noggler und Daniel Alfreider reagierten sehr pikiert auf meinen Vorschlag und ließen ihn von der SVP-Lega-Mehrheit ablehnen. Zwei Monate später wurde dann die Schnellbusverbindung mit Pauken und Trompeten angekündigt. Erfolgreich war auch meine letztjährige Intervention zu der völlig missglückten Ausgleichsmaßnahme im Rambach bei Glurns. Die Wildbachverbauung ist daraufhin eingesprungen und renaturiert in diesen Tagen mit viel Sachkenntnis das Bachbett. Schaut sehr gut aus!
Politisch gesehen ist der Vinschgau ein kleiner Bezirk mit entsprechend wenig Stimmenpotential. Wie bewerten Sie die derzeitige Vertretung des Vinschgaus auf der Ebene der Landespolitik?
Die derzeitige Vertretung entspricht recht gut der Vinschger Bevölkerung, die zum einen bäuerlich und zum anderen sehr umweltbewusst geprägt ist. Noch besser ausgewogen wäre die Vertretung, wenn es eine Vinschger Frau in den Landtag schaffen würde.
Was hat die Landesregierung seit 2018 im Vinschgau falsch gemacht und was richtig?
Richtig waren die Ablehnung des Zusammenschlusses Langtaufers-Kaunertal, die Einführung der Schnellbusverbindung Mals-Landeck oder die Ausweisung des Biotops „Spinai“ auf der Malser Haide. Sehr kritisch finde ich das Tourismuskonzept rund um die Stilfserjoch-Straße, was enorm viel Verkehr erzeugen wird, die Absichten, im Nationalpark neue Seilbahnen zu errichten oder den Versuch der Landesregierung, den „Malser Weg“ abzuwürgen.
Klassische grüne Themen wie etwa Umwelt, Ökologie oder Klimaschutz sind mittlerweile auf den Wahlprogrammen aller Parteien oder Bewegungen zu finden. Gehen Ihnen insofern nicht die Themen und Markenzeichen aus?
Ich finde es gut, dass Klima- und Naturkrise auch von anderen Parteien zur Kenntnis genommen werden. Aber der Weg von der Kenntnisnahme bis zur sozial-ökologischen Politik ist sehr weit. Wir Grüne sind diesen Weg seit Jahrzehnten gegangen und sind die Einzigen mit Umsetzungskompetenz. Wenn sich etwas zum Guten ändern soll, dann sind wir bereit anzupacken.
Sollen die Grünen Ihrer Meinung nach weiterhin Oppositionspolitik betreiben oder sollen sie sich bemühen, auf der Regierungsbank mitzuarbeiten?
Vielleicht gibt es den geborenen Oppositionspolitiker, der niemals in die politische Verantwortung will. Ich gehöre nicht dazu. In der Regel arbeiten Politikerinnen und Politiker der Opposition deshalb so hart, um irgendwann ihre Werte und Ideen umsetzen zu können. Dafür braucht es Regierungsbeteiligung. Wir Grüne sind eine erprobte Oppositionspartei, aber mittlerweile auch willig, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Das letzte Wort haben die Wählerinnen und Wähler.
Wie gut oder schlecht arbeiten die Grünen mit den anderen Oppositionskräften im Landtag zusammen?
Wir orientieren uns bei der Zusammenarbeit stets an der Sache, am Thema. Wenn wir Vorschläge anderer Parteien inhaltlich teilen – ganz egal ob Minderheit oder Mehrheit – dann bringen wir uns ein und unterstützen die Vorschläge der Kolleginnen und Kollegen.
Sie waren früher Direktor des Landeszivilschutzes und von 2014 bis vor den Wahlen 2018 Generaldirektor der Landesverwaltung. Wie hilfreich oder hinderlich ist es für Ihre politische Tätigkeit, die Landesverwaltung sozusagen „von innen“ zu kennen?
Die Landesverwaltung von innen zu kennen, ist ein großer Vorteil. Ich war begeisterter Landesbeamter, arbeitete mit großer Freude für Land und Leute und konnte dadurch viele tolle Menschen aus der Verwaltung kennen lernen. Zur fachlichen Einordnung von politischen Fragen berate ich mich heute noch gerne mit den Expertinnen und Experten der Landesverwaltung.
Wo orten Sie die größten Herausforderungen und Chancen des Vinschgaus in den nächsten 5 bis 10 Jahren?
Als Chance sehe ich die Neuansiedlung von kreativen und digitalen Unternehmen, die Ökologisierung der Landwirtschaft und den Schwenk zum sanften Tourismus. Die Herausforderungen sind der Umgang mit der Verkehrslawine, die Stärkung des Krankenhauses Schlanders, die Entwicklung von klimaschonenden, leistbaren Wohnkonzepten und die zunehmende Wasserknappheit.
Im Zusammenhang mit dem famosen Teilabriss der Drusus-Kaserne in Schlanders haben Sie von Anfang an klar Position bezogen. Was antworten sie jenen, die Ihnen eine unangebrachte Einmischung von außen und reinen Populismus vorwerfen?
Dieser Vorwurf an mich ist billig und populistisch. Ich beschäftige mich seit Jahren intensiv mit den Themen Brain-Drain, also mit der Auswanderung von jungen und gut ausgebildeten Südtirolerinnen und Südtirolern, leistbares Wohnen und klimaschonendes Bauen. Die Drusus-Kaserne entwickelte sich in den vergangenen Jahren immer mehr zum Anziehungspunkt junger und kreativer Menschen. Das Areal hat beste Voraussetzungen, um günstige Wohnungen zu errichten. Was mich richtig wütend machte, ist die mutwillige Zerstörung von gesunder Bausubstanz. Jeder erstsemestrige Architekturstudent weiß, dass Bauen im Bestand aus Gründen des Klimaschutzes das Gebot der Stunde ist. Keines dieser Themen macht an der Schlanderser Gemeindegrenze halt, es sind landesweite Themen.
Was ist das Wahlziel der Grünen insgesamt und was ist ihr persönliches Ziel?
Das Wahlziel für die Grünen sind 30.000 Stimmen, ich stelle mich gerne der Wiederwahl und werde alles geben, um den erneuten Einzug in den Landtag zu schaffen.
Glauben Sie, dass es in Südtirol in absehbarer Zeit zu einem grundlegenden Wandel in den seit Jahrzehnten gefestigten Machstrukturen kommen wird?
Es ist in Südtirol de facto so, dass die Vertreter von nur rund 40 Prozent der Bevölkerung praktisch 100 Prozent der Posten besetzen. Die Machtfrage ist somit die größte Frage überhaupt. Wenn sich die festgefahrenen Machtstrukturen nicht verändern, wird es schwierig werden, die neuen Herausforderungen, mit denen sich die gesamte Gesellschaft konfrontiert sieht, zu meistern.