Einkaufszentrum in Nauders? - Bernhard Wellenzohns Plan jenseits der (ehemaligen) Grenze
Das Storogebäude in Nauders bei der Talstation der Nauderer Bergbahnen: 5000 Quadrameter brach liegende Nutzfläche

Grüne Wiese für Südtiroler?

Publiziert in 23 / 2004 - Erschienen am 2. Dezember 2004
[F] Was in Südtirol nicht möglich ist, soll wenige Meter von der ehemaligen Grenze entfernt in Nauders in Angriff genommen werden: ein Einkaufszentrum auf der grünen Wiese auch für Südtiroler Betriebe. Antreiber und Vermittler ist der Immobilienmakler Bernhard Wellenzohn. von Erwin Bernhart [/F] Es ist wie bei der Feuerwehr: Wer als erster da ist, kann den Brand als erster bekämpfen. In diesem Fall ist es der Brand des Einkaufstourismus nach Österreich. In Nauders ist ein Einkaufszentrum geplant. Im Gebäude der aufgelassenen Firma “”Storo””. Als Strippenzieher und Antreiber der Idee agiert der Kortscher Immobilienmakler Bernhard Wellenzohn. “Bei den Kaufleuten ist in der Vergangenheit zu viel geschumpfen worden. Man darf den Kopf nicht in den Sand stecken”, legt Wellenzohn noch eins drauf. Das mögliche Einzugsgebiet für das Einkaufszentrum ist der Vinschgau. Das Ganze dürfte die ohnehin angeheizte Diskussion um den Einkaufstourismus in Kaufleutekreisen erheblich verschärfen. Just in der Zeit, in der auch auf österreichischer Seite ein Umdenken in Bezug auf Einkaufszentren stattfindet und in der sich die einheimischen Kaufleute zu formieren beginnen, platzt die Nauderer Einkaufszentrumsbombe. Dass durch die Zentren auf der grünen Wiese die Dorfkerne geschäftlich, kulturell und sozial ausbluten, hat man, wenn auch spät, auch bei den nördlichen Nachbarn erkannt. Derzeit ist Nordtirol, so hat es den Anschein, für Südtirol ein großes Einkaufszentrum. Als reine Vermittlungstätigkeit sieht Wellenzohn seine Position in Nauders. Er kaufe nicht, ihm sei lediglich das Gebäude angetragen worden und “wir haben bei Investoren das Interesse geweckt,” so Wellenzohn dem “Vinschger” gegenüber. Fünf interessierte Betriebe aus Südtirol, auch aus dem Vinschgau, sind an einer Handelstätigkeit im “Storo” interessiert. Auch Betriebe aus Österreich zeigen Interesse, so Wellenzohn. Namen will er keine nennen. Noch ist die Sache nicht über die Bühne. Viel Pikantes haftet dem Unterfangen an. Wellenzohn hat in der Vergangenheit viele Geschäfte vor allem zwischen Schlanders und Reschen gebaut und an Geschäftsleute verkauft oder vermietet. Dass er mit einem Einkaufszentrum auf der grünen Wiese in Nauders seiner eigenen Klientel im Tal das Wasser abgräbt, lässt er nicht gelten. “Die Wertschöpfung wird durch die Südtiroler Unternehmer wieder ins Land geholt”, begründet Wellenzohn unter anderem seine Vorgangsweise. Dafür dürfte sich Wellenzohn bei vielen Kaufleuten kaum Applaus holen. In der Gemeinde Nauders habe es bereits Vorgespräche gegeben. Die Karten offen auf den Tisch gelegt hat Wellenzohn dort nicht. Das sagt der Nauderer BM Robert Mair. Bei der Interpretation des Gespräches scheiden sich denn auch die Geister. Während Wellenzohn behauptet, dass sich die Gemeinde bei der zuständigen Landesrätin Anna Hosp darüber informieren wolle, ob eventuell der politische Wille bestünde, die Südtiroler in die Gewerbezone Nauders zu lassen, sagt BM Mair, er habe dem Wellenzohn klipp und klar gesagt, dass er kein Einkaufszentrum im “Storo” will. Man müsse jetzt abwarten, was da draußen passiert, so Wellenzohn. In Nauders liegt seit Anfang April ein einstimmiger Gemeinderatsbeschluss vor, in dem für das Gewerbegebiet beim “Storo” eine Flächenumwidmung in Industriegebeit vorgenommen worden ist. Einstimmig. Und im Beschluss, der einem Bauverbot gleichkommt und bereits von der Nordtiroler Landesregierung genehmigt ist, ist unter anderem festgehalten, dass keine ‘“reine Handelstätigkeit” auf dem Gelände sein darf. Warum sollte das jetzt anders sein? “Weil es einheimische Betriebe wären,” sagt Wellenzohn lapidar, der sich darüber im Klaren ist, dass es für das Vorhaben in Nauders und in Innsbruck eine Wende um 180 Grad bräuchte. Und noch eines. Die Nauderer Gemeinde hat anderes im Sinne. In der Nähe des Nauderer Bauhofes soll eine Filiale des österreichischen Billiganbieters Billa kommen. Der Landesregierung in Innsbruck liegt seit einiger Zeit ein Gemeinderatsbeschluss vor, der es durch eine Flächenumwidmung ermöglichen würde, dass Billa bald bauen könnte. Noch sind technische Details, die Erschließungsmöglichkeiten etwa, auszufeilen. Und nicht bei allen Nauderern, so Kurt Kapeller, Mitarbeiter der zuständigen Landesrätin Hosp, sei Billa willkommen. Und schon gar nicht bei den Vinschger Geschäften, vor allem im oberen Vinschgau. Bereits Ende März dieses Jahres intervenierten die BM Josef Noggler und Albrecht Plangger in Zusammenarbeit mit Kaufleutebezirksobmann Kurt Ziernhöld und den Vertrauens-obmännern der Kaufleute von Graun und Mals schriftlich bei LH Luis Durnwalder und Landesrat Werner Frick gegen das Ansinnen. Um “ausgeglichene Interessensnahme mit Ihren Kollegen/innen in Innsbruck” wird “die hohe Politik” im Schreiben ersucht, das dem “Vinschger” vorliegt. Dass sich die Politik einmischt, wird von BM Mair in Nauders mit großem Ärger zur Kenntnis genommen. Über die Pläne Wellenzohns und seiner Investorengruppe sind die Kaufleute nicht informiert. Günther Folie, Kaufleuteobmann der Gemeinde Graun, sagt auf ein mögliches Einkaufszentrum im nahen Nauders angesprochen: “Das wäre der Tod mehrerer Geschäfte bei uns.” Die Stilllegung der Beschlägefabrik “Storo” hat die Gemeindeväter in Nauders geschockt. “Das war eine wilde Watschn für uns”, bekennt Mair. Mair, seit dreißig Jahren in der Gemeinde und damaliger VizeBM, war Antreiber für “Storo” in Nauders. Abgesehen davon, dass mehrere Nauderer im Betrieb Arbeit gefunden haben, gehen der Gemeinde durch die Betriebsstilllegung jährlich knapp 60.000 Euro an Kommunalsteuern durch die Lappen. Und die Kommunalsteuern sind von der Anzahl der Arbeitsplätze abhängig. Bis zu 60 Arbeitsplätze waren im “Storo”. BM Mair hätte seinen Idealbetrieb für das verwaiste “Storo”areal bereits ausgemacht. Den Latscher Holzleistenproduzenten Pedross. “Das wäre unser Wunsch gewesen”, sagt Mair wehmütig. Gewesen. Martin Pedross hat sich tatsächlich um die Immobilie bemüht und sich auch mit Julius von Resch direkt getroffen. Von Resch ist seit 1993 Generalmanager des weltweit agierenden Multis Gretsch-Unitas. Mehr als 3.500 Arbeiter sind dort beschäftigt. Von Resch hat das “Storo” im Trentino 1996 übernommen. 1999 kam der Bau in Nauders dazu. Seit dem Frühjahr läuft nichts mehr im Beschlägewerk. “Wir haben den Geschäftsbereich dort stillgelegt”, sagt Dirk Leuker aus dem fernen Ditzingen in Deutschland, dem Sitz des Firmenimperiums. Seitdem wird versucht, die Immobilie abzustoßen. Über den Preis sei man sich, so Pedross, weitgehend einig geworden. BM Mair und die Gemeinde Nauders habe sich in Folge für Pedross bei den zuständigen Landesstellen eingesetzt. Allerdings, so Pedross, sind die Rahmenbedingungen in Nordtirol jenen von Südtirol sehr ähnlich, so dass das “Unternehmen Nauders” wenig Sinn macht. Pedross hat aufgegeben. Vorläufig. Ein österreichischer Speckfabrikant hatte, laut Leuker, ebenfalls Interesse an der Gewerbeimoobilie bekundet. Dann ist die Immobilie über den Landecker Steuerberater Wolfram Schrott, der die Firma “Storo” in Nauders rechtlich betreut, in Wellenzohns Hände gelangt. Auch weil Wellenzohn im Oberinntal rege Tätigkeiten aufzuweisen hat, vor allem im Bereich Gewerbeimmobilien und dadurch gute Beziehungen zu dortigen Rechts- und Steuerberatungsbüros unterhält. “Der Preis ist nicht das Problem”, sagt Wellenzohn. In einem mag Wellenzohn recht haben: “Ich rechne nicht, dass wir mit offenen Armen empfangen werden.” Damit meint er die Nordtiroler Seite. Die Aussage trifft auch auf die hiesigen Kaufleute zu. Ab und an kommt es vor, dass sich der Feuerwehrmann, der als erster an der Brandstelle ist, als Brandstifter betätigt.
Erwin Bernhart
Vinschger Sonderausgabe

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