Starke Frau an der Grenze
Die einzige Bürgermeisterin im Tal spricht Klartext
Roselinde Gunsch Koch in ihrem Büro im neuen Rathaus.

Herausforderungen einer Randgemeinde  

Roselinde Gunsch Koch im Interview über den Status quo ihrer Gemeinde, die verpatzten Landtagswahlen der Vinschger Frauen, prägende Ereignisse und vieles mehr. 

Publiziert in 1 / 2019 - Erschienen am 15. Januar 2019

Taufers im Münstertal - 2015 wurde sie mit einer Stimme Vorsprung zur Bürgermeisterin von Taufers im Münstertal gewählt. Als erste und einzige Frau im Vinschgau bekleidet Roselinde Gunsch Koch seitdem das Bürgermeister-Amt. Vollzeitbürgermeisterin ist sie nach wie vor keine, in Teilzeit arbeitet Gunsch Koch bei der Chris-Studie der Eurac im Schlanderser Krankenhaus. „Alles eine Frage der Organisation“, wie sie selbst betont. Nach einem langen Arbeitstag hat sich die Bürgermeisterin der 970-Seelen-Gemeinde noch Zeit für ein Interview mit dem der Vinschger genommen. 

der Vinschger: Zu Jahresbeginn stand traditionell die Grenzpendlertagung an (Anm. siehe Bericht Seite 10). Vor allem aus Taufers im Münstertal zieht es Arbeiter in die Schweiz. Ist diese Arbeitswanderung erstrebenswert? 

Roselinde Gunsch Koch: Es bringt Vorteile, aber auch Nachteile. Taufers ist seit jeher ein Grenzpendler-Dorf. Der Vorteil ist wirtschaftlicher Natur. Die Menschen verdienen in der Schweiz natürlich gut. Und dieses Geld kommt zurück in unsere Gemeinde, schließlich haben die Pendler hier nach wie vor ihren Hauptwohnsitz. Wir sehen es an den Sozialleistungen. Es gibt de facto keine Tauferer, die Sozialleistungen erhalten. Und auch in der Wirtschaftskrise in den vergangenen Jahren konnten wir uns abheben. Hier wurde gebaut, während anderswo Flaute herrschte. Aber natürlich gibt es auch Nachteile. Das Bemühen um wirtschaftliche Selbstständigkeit ist kaum vorhanden. Die Betriebe werden immer weniger, der Rückgang an Handwerksbetrieben sowie bei touristischen Strukturen ist nicht zu leugnen. Gasthäuser gibt es leider nur mehr wenige, es ist nicht allzu lukrativ hier etwas zu eröffnen, wenn man in der Schweiz sein sicheres und gutes Geld verdient. 

Inwiefern ist das Tal von der Abwanderung bedroht? 

Davon sind wir nicht betroffen, wie die Einwohnerzahlen bestätigen. Diese sind keineswegs rückläufig. Dies liegt eben auch an der Grenznähe zur Schweiz und dem somit lukrativen Standort für Grenzpendler. 

Von Abwanderung zur Einwanderung: In Folgen des SPRAR-Programms musste auch die Gemeinde Taufers im Münstertal im Frühjahr Flüchtlinge aufnehmen. 

Es gab nie große Probleme, auch in der Bevölkerung herrschte keine gravierende Diskussion darüber. Es ging alles reibungslos und ohne großes Aufsehen vonstatten. Natürlich war es für Taufers im Münstertal auch eine überschaubare Zahl. Lediglich zwei Flüchtlingsfamilien wurden uns zugeteilt. Zwei junge Paare mit jeweils einem Kind kamen zu uns. Eine Familie ist mittlerweile in Schluderns ansässig. 

Welche Rolle spielt der Tourismus im Tal? 

Eine Tourismusgemeinde sind wir sicherlich nicht. Aber wir haben einen neu eröffneten 4-Sterne- Betrieb, sowie einige Pensionen und Ferienwohnungen oder Urlaub auf dem Bauernhof. Die Gästezahl und Nächtigungen sind jedoch auch aufgrund der wenig vorhandenen Strukturen überschaubar, die Bettenanzahl im Tal hält sich in Grenzen. Vor allem ruhesuchende Gäste kommen hierher zum Urlaub. Ein Wellness-Aufenthalt, eine gemütliche Schneeschuhwanderung oder eine Skitour im Winter, die vielen Wanderwege und nicht zuletzt die intakte Natur- damit kann das Tal sicherlich punkten. 

2015 wurden Sie zur Bürgermeisterin gewählt. Was war ihr prägendstes Ereignis? 

Ein prägendes Erlebnis war gleich zu Beginn meiner Verwaltungsperiode der Großbrand. Drei Familien haben ihr Wohnhaus verloren, eine die Tischlerei. Es war ein Schock für die ganze Dorfgemeinschaft und rückblickend auch für uns als Gemeindeverwaltung ein Kraftakt und eine große Herausforderung. Für mich war es eine große Bewährungsprobe. Mittlerweile wurden die Wohnhäuser wieder aufgebaut, die Tischlerei hat bereits nach dem Brand ihre Arbeit in der Handwerkerzone wieder aufgenommen. 

Sie sind nach wie vor die einzige Bürgermeisterin im Vinschgau. Wie setzt Frau sich in dieser „Männerdomäne“ durch? 

Für mich hat das niemals eine Rolle gespielt. Ich bin erprobt, war immer schon in den verschiedensten Parteigremien auch ganz vorne mit dabei. 

Tun sich Frauen schwerer, in solche Ämter zu kommen? 

Vielleicht haben es Frauen auch aufgrund der Mehrfachbelastung oft schwieriger. Insbesondere bei meiner Generation war das noch so. Da muss man schon hartnäckig sein. Kinder, Arbeit und noch ein politisches Amt zu bekleiden, es braucht den nötigen Biss, um dabei zu bleiben. Und es ist leider wohl noch so in den Köpfen der Wähler verankert, dass man eher Männern Führungsposten zutraut.   

Wie blicken Sie aus Vinschger Frauensicht auf die Landtagswahlen zurück? 

Es ist vieles schief gegangen, das muss man so sagen. Die Wahlen waren nicht nur für die Vinschger SVP-Frauen ein Debakel, sondern für den ganzen Bezirk. Es war generell ein sehr schlechtes Wahlergebnis, ich würde es Desaster nennen. Es ist bedenklich, dass wir nicht einen zweiten Vertreter aus dem politischen Bezirk Vinschgau in den Landtag bekommen haben. Wir Vinschger sind somit derzeit sehr schlecht aufgestellt.

Welche Fehler wurden gemacht? 

Innerhalb der Partei, auch innerhalb der SVP-Frauen, hat einiges nicht gepasst. Das ist schade. Bei den Wahlen gab es dann die Rechnung. Elfi Kirmaier wäre eine gute Kandidatin gewesen. Dass es mit der Staatsbürgerschaft nicht geklappt hat, war unerwartet. Es herrschte vor den Wahlen überhaupt intern eine schlechte Stimmung. 

Wie geht es nach dem Rücktritt der Vinschger SVP-Frauenchefin Heidi Gamper weiter? 

Heute sind wir Frauen im politischen Bezirk Vinschgau vorerst gar nicht mehr aufgestellt. In den vergangenen Monaten wurden große Rückschritte gemacht, es ging viel kaputt. Es gibt keine Vorsitzende mehr und keinen Vorstand. Es muss neu gewählt werden. Innerhalb der nächsten sechs Monate muss sich hierbei etwas tun. Mit Heidi Gamper haben wir jedenfalls eine engagierte und  kompetente Funktionärin verloren. Sie hat stets transparent gearbeitet. Es ist schade, dass solche Menschen wie sie nicht ausreichend Unterstützung erhalten und sich aus der Politik zurückziehen. Nun gilt es, einen Neuanfang zu schaffen. Ich hoffe, es finden sich motivierte Frauen dafür. 

Zurück zur Gemeindepolitik. Was konnte in ihrer Verwaltungsperiode verwirklicht werden? 

Es konnten zahlreiche Projekte erfolgreich umgesetzt werden. Ein Großprojekt welches in den vergangenen Jahren umgesetzt werden konnte, war die Sanierung und der Umbau des Rathauses mitsamt der Schaffung neuer Räume für die Musikkapelle und dem neuen Musikpavillon. Die Umsetzung des Verkehrskonzeptes mit der Umgestaltung der Staatsstraße wird im Frühjahr abgeschlossen, die Zufahrtsstraße zu den Tellahöfen und Gehsteige wurden saniert. Die Ausarbeitung verschiedener Fachpläne wie Gefahrenzonenplan und Zivilschutzplan wurde ebenfalls abgeschlossen.

Was steht noch an?                                                                               

Im Rahmen der Ortskernsanierung übernimmt die Gemeinde einige alte Gebäude. Daraus soll geförderter Wohnbau entstehen. Außerdem steht mit dem neuen Raumordnungsgesetz das Gemeindeentwicklungsprogramm an. Dabei sind wir eine von sieben Pilotgemeinden. Das Gesetz ‚Raum und Landschaft‘, das 2020 in Kraft treten wird, sieht für alle Gemeinden ein Gemeindeentwicklungsprogramm vor, das Entwicklungsziele für Wohnen, Arbeiten und Freizeit festlegt. Das wird eine große Herausforderung, Leerstände und Bedarf müssen erhoben werden, die Entwicklung von Mobilität und Tourismus geplant und die Siedlungsgrenzen festgelegt werden. Noch heuer steht der Neubau eines Gebäudes bei der „Dreschmaschine“ an, wo unter anderem auch die Kühlzelle der Jäger untergebracht wird. Zudem wurden die Weichen für die Errichtung des Rambach-Wasserkraftwerkes, an dem die Gemeinde Taufers im Münstertal 39 Prozent hält, gestellt. 

Sie können auch 2020 wieder als Bürgermeisterin kandidieren. Wie sieht ihre politische Zukunft aus? 

Darüber mache ich mir noch keine Gedanken. Fest steht, ich mache die Arbeit mit großer Freude. Wenn ich weiterhin die Energie und Freude dazu habe und die Rahmenbedingungen stimmen, werde ich auch weitermachen. Momentan gäbe es jedenfalls keinen Grund, mich dagegen zu entscheiden. 

Michael Andres
Michael Andres

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