„Hofer hätte größte Probleme, sich im heutigen Tirol zurechtzufinden“
Publiziert in 7 / 2009 - Erschienen am 25. Februar 2009
Partschins/Schlanders/Latsch – Auch der Vinschgau stand am Sonntag ganz im Zeichen des Tiroler Gedenkjahres 1809-2009 und der Erinnerung an die Erschießung von Andreas Hofer am 20. Februar 1810. „Der Vinschger” war bei den Gedenkfeiern in Partschins, Schlanders und Latsch mit dabei. In Partschins spannte der Landtagsabgeordnete Arnold Schuler in seiner Gedenkrede einen Bogen vom Tirol vor 200 Jahren bis zum heutigen Tirol. Heute müsse man sich fragen, wo die wirklichen Werte geblieben sind. „Die Politiker sind in den Augen der Bürger schon lange keiner Vorbilder mehr, an denen man sich ausrichten und aufrichten könnte,” sagte Schuler.
von Sepp Laner
und Günther Schöpf
Er wird auf Plakaten zu finden sein, auf Etiketten, Bildchen und Teetassen. Auch bei vielen Veranstaltungen wird er im heurigen Gedenkjahr 2009 im Mittelpunkt stehen. Von allen Seiten wird man ihn beleuchten, den Rebellenführer Andreas Hofer. Wer aber war Andreas Hofer wirklich? Wer war er als Feldherr und als Mensch? Dass man heuer auch diesen Fragen auf den Grund gehen soll, hält Arnold Schuler für sehr wichtig, „denn die Figur Andreas Hofer ist seit seinem Tod oft gebraucht und vielleicht auch missbraucht worden.“ Sicher sei, dass Hofer zu einem Symbol geworden ist, zu einem Symbol für Mut und Geradlinigkeit, für einen starken Glauben, für Einsatz, Moral und Ideale, bis zu letzten Konsequenz.“ Das heurige Gedenkjahr sollte genutzt werden, um die Gesamtsicht auf die damalige Zeit zu verbessern, „und zwar nicht nur aus der Sicht der Tiroler, sondern auch aus der Sicht der damaligen Feinde.“
Auch Brücken von der damaligen Zeit bis zur Gegenwart schlug Arnold Schuler. Viel Leid, Blut und Tränen habe es in den vergangenen 200 Jahren in unserem Land gegeben: Kriege, Teilung Tirols, Faschismus, Nationalsozialismus, Option, Spannungen in den 50er und 60er Jahren. Diese Geschichte habe Wunden hinterlassen, die heute noch spürbar sind.
Dank des Einzuges der Demokratie mussten Konflikte nicht mehr mit Waffengewalt ausgetragen werden: „Wir haben heute andere Möglichkeiten. Diese haben auch zur Weiterentwicklung unserer Autonomie geführt.“
Heute seien die Grenzen zwischen den Staaten durchlässiger geworden: „Europa wächst zusammen und für unser Land ist in diesem neuen Europa eine neue Rolle zu finden, und zwar gemeinsam mit den anderen Teilen des seit vielen Jahrzehnten zerrissenen Tirols.“
„Die Politiker sind in den Augen der Bürger keine Vorbilder mehr“
Auch aus gesellschaftlicher Sicht habe sich in 200 Jahren viel verändert: „Gott, Kaiser und Vaterland. Damals waren diese drei Worte für die Menschen feste Größen, die nicht hinterfragt werden mussten.“ Heute können die meisten Südtirolerinnen und Südtiroler doch in einem relativen Wohlstand leben. Wo aber sind die wirklichen Werte geblieben? Wo sind der Idealismus und die Zivilcourage? Woher kommt diese tiefe Unzufriedenheit, die immer stärker zu spüren ist? Die Ursachen der Unzufriedenheit ortet Schuler in der Politik, aber auch in der Gesellschaft. „Wenn man an die Politik denkt, denkt man an Macht, an Postenschacher und an Privilegien. Tatsache ist auch, dass sich die Politik immer mehr mit sich selbst beschäftigt. Die Politiker selbst sind in den Augen der Bürger schon lange keine Vorbilder mehr, an denen man sich ausrichten und aufrichten könnte, sie - oder wir - stehen für keine Werte mehr, zumindest für keine positiven“, so der Polit-Rebell wörtlich.
Auch in der Gesellschaft hätten sich Hand in Hand mit dem steigenden Wohlstand die Wertvorstellungen verschoben. „Zwar gibt es auch in der modernen Zeit Helden und Heldinnen, eine Mutter Teresa zum Beispiel, die Laaserin Monika Hauser, die vor kurzem den Alternativen Nobelpreis verliehen bekam, oder auch die Nachbarin, die Tag und Nacht ihre kranke Mutter pflegt.“ Menschen, die sich in Vereinen und Organisationen ehrenamtlich einsetzen, gebe es zum Glück noch viele, doch unsere wahren Vorbilder und Idole sind andere: „Es sind Schauspieler, Popstars und Models, die uns Schönheit, gesellschaftlichen Status und eine heile Welt vorgaukeln, und unter Werte versteht man in erster Linie den Wert des Geldes.“
„Egal wer und wie Hofer wirklich war, er hätte sicher größte Probleme, sich im heutigen Tirol zurechtzufinden, und nicht nur, weil er nicht Auto fahren kann,“ so der Landtagsabgeordnete aus Plaus. Niemand sehne die „alte Zeit“ zurück, niemand möchte die heutigen Annehmlichkeiten missen, „doch etwas mehr Idealismus und vor allem ein stärkeres Besinnen auf die wirklichen Werte im Leben würde uns allen sicher gut tun.“
In der Schwierigkeit, stets das richtige Maß der Dinge zu finden, sieht Schuler eine der Gemeinsamkeiten zwischen der Zeit Hofers und der unsrigen. Das heurige Gedenkjahr sollte nicht nur dazu dienen, Heldenverehrung zu betreiben, sondern auch innezuhalten: „Wir sollten dieses Jahr zum Anlass nehmen, um Fragen zu stellen und zu versuchen, auch Antworten zu finden.“
Jochen Raffl, der SVP-Ortsobmann von Partschins, hatte im Vorfeld der Gedenkrede und der Kranzniederlegung beim Kriegerdenkmal die Geschichte Tirols in geraffter Form Revue passieren lassen.
„Das Jahr 2009 ist nicht nur ein Gedenkjahr der Schützen, sondern der gesamten Bevölkerung,“ sagte Martin Haller, der Obmann des Organisationskomitee für das Gedenkjahr 2009. Er dankte allen, die zum Gelingen der heurigen Andreas-Hofer-Gedenkfeier in Partschins beigetragen haben: dem Pfarrer Josef Schwienbacher, der Gemeinde mit Bürgermeister Robert Tappeiner und Kulturreferent Ewald Lassnig an der Spitze (Lassnig arbeitet auch im Organisationskomitee mit), der Musikkapelle Partschins, der SVP, dem Alpenverein, der Schützenkompanie Partschins, den Schützen von Rabland, den Freiwilligen Feuerwehren Partschins und Rabland, dem Kirchenchor Partschins, dem Frontkämper- und Kameradenverband, den Bäuerinnen, der Bauernjugend und dem Bauernbund.
Als Schützenhauptmann und Schütze sagte Martin Haller, dass die Autonomie für Südtirol zu wenig sei: „Wir müssen weg von diesem Staat.“
„Ohne Herkunft,
keine Zukunft“
Schlanders – Der Vorsitzende im Südtirol-Ausschuss, Nationalrat Hermann Gahr aus Terfens im Unterinntal, war ehrlich beeindruckt von der flammenden Predigt, die Dekan Josef Mair zum 199. Todestag Andreas Hofers in die eher lichten Reihen der Schlanderser Gläubigen gehalten hatte. „Es waren die richtigen Worte zur rechten Zeit“ stellte der „Südtirol-Sprecher“ im Wiener Parlament fest. Sicher waren auch Hauptmann Karl Pfitscher, seine Kompanie, Bürgermeister Johann Wallnöfer und Senator Manfred Pinzger beeindruckt von den Worten des Dekans und vielleicht überrascht, dass heuer zwei Festredner diese Gedenkfeier prägten. Der Schlanderser Kirchenmann stellte die tiefe Frömmigkeit der Tiroler Helden in den Mittelpunkt. „Fest und stark zu unsrem Gott stehen wir trotz Hohn und Spott“ zitierte er aus der dritten Strophe des Herz-Jesu-Bundesliedes „Auf zum Schwur, Tiroler Land“ und deutete in einem Nebensatz an, dass es eine Heldendiskussion gibt, indem er meinte: „Die Tiroler Helden, wenn man dieses Wort heute noch verwenden darf, haben sich durch tiefe Frömmigkeit ausgezeichnet“. Nationalrat und Festredner Hermann Gahr lehnte sich an das Motto des Gedenkjahres „Geschichte trifft Zukunft“ an und unterstrich die Bedeutung der Geschichte als Standortbestimmung. „Wer keine Herkunft hat, hat keine Zukunft,“ war eine weitere Kernaussage. Zur Persönlichkeit von Andreas Hofer stellte er die Frage: „Wer schafft es schon, 200 Jahre lang Menschen über Grenzen hinweg zu verbinden?“ Es sei den Schützen zu verdanken, entgegen allen „Trends“ und durch alle Umwälzungen hindurch, das Gedenken an 1809 weiter getragen zu haben. Im Anschluss an die Festrede zogen die Fahnenabordnungen der Schützen, des Südtiroler Frontkämpfer- und Heimkehrer-Verbandes, der Freiwilligen Feuerwehr, der Bürgerkapelle und des Männergesangsvereines zum Gefallenendenkmal der beiden Weltkriege. Die Gedenkfeier endete mit der Ehrensalve der Schützenkompanie Schlanders und der Kranzniederlegung, begleitet von der Bürgerkapelle mit dem Stück „Der gute Kamerad“, 1809 von Ludwig Uhland gedichtet und bei uns als „Ich hatt‘ einen Kameraden“ bekannt.
Gedenkfeier
am Adler-Denkmal
Latsch – Nach 50 Jahren besann sich wieder eine Schützenkompanie, dass den Landesverteidigern vor 99 Jahren ein eigenes Denkmal errichtet worden war. Hauptmann Anton Mitterer und seine Mannen nutzten den 199. Todestag des Andreas Hofer, um am größten und einzigen Denkmal dieser Art im Vinschgau eine Ehrensalve abzufeuern und einen Kranz niederzulegen. Zuletzt hatte dort 1959 eine Gedenkfeier stattgefunden. Vor den argwöhnischen Augen der Ordnungskräfte und unter Beobachtung von Polizei in Zivil war damals Zivilcourage notwendig, in Tracht aufzumarschieren und sich zu Tirol und Brauchtum zu bekennen. 2009 erinnerte Ortspfarrer Johann Lanbacher an den Mut und die Überzeugung der Kämpfer von 1809. Die Bürgerkapelle Latsch unter der Leitung von Claudia Pichler intonierte die Melodie vom „guten Kameraden“. Die Schützen Herbert Kiem, Jahrgang 1925, und Michael Kupperion, Jahrgang 1989, legten einen Kranz nieder.
Josef Laner