Glurns macht es vor
Beispielhafte Wiedergewinnung alter Bausubstanz
In Glurns wurde und wird beispielhaft vorgemacht, wie sich alte Bausubstanz sinnvoll und zu erschwinglichen Preisen nutzen lässt.
Bei der Aussprache im Rathaus.
Als drittes Gebäude für die Wiedergewinnung hat die Stadtgemeinde das Haus Fiegele-Prieth ins Auge gefasst.

Hoher Wohnkomfort und erschwinglich zugleich

Theiner: „Wenn wir alte Bausubstanz konsequent nutzen, brauchen wir fast keine Neuausweisungen.“ Frank: „Zu Beginn waren die Bürger noch skeptisch.“

Publiziert in 27 / 2017 - Erschienen am 25. Juli 2017

Glurns - Im Sparen von Kulturgrund sieht Landesrat Richard Theiner einen der Kernpunkte des neuen Gesetzes „Raum und Landschaft“, an dem schon seit längerer Zeit gearbeitet wird. Der Gesetzentwurf wurde im Frühjahr 2017 vorgestellt. Um zu veranschaulichen, dass es tatsächlich möglich ist, alte Bausubstanz zu nutzen und dabei zugleich Wohnungen zu erschwinglichen Preisen zu schaffen, luden Theiner und der Glurnser Bürgermeister Luis Frank kürzlich den Heimatpflegeverband Südtirol sowie die Medien zu einer Besichtigungstour und zu einem Gespräch nach Glurns ein. Der früheren und jetzigen Gemeindeverwaltung von Glurns ist es laut Theiner gelungen, mit viel Einsatz, Kreativität und Durchhaltevermögen neue Wege in der Nutzung alter Bausubstanz zu gehen. An gleich mehreren konkreten Beispielen in Glurns lässt sich aufzeigen, dass es möglich ist, ungenutzte Bausubstanz zu leistbaren Preisen in hochwertige Wohnungen zu verwandeln.

Söleser- und Schallerhaus

Bereits im Jahr 2012 hatte die Stadtgemeinde Glurns im Rahmen der Bemühungen für eine Wiederbelebung der Stadt eine Gelegenheit, die sich damals bot, beim Schopf gepackt: Sie
nutze das Landesgesetz Nr. 6/1992 (Gemeindenfinanzierung/Rotationsfonds) und kaufte das Söleser- und das Schallerhaus in den Glurnser Lauben. Es wurden eine Arbeitsgruppe und eine gemeindeeigene Gesellschaft gegründet. „Die Gemeinde hat die leerstehenden Gebäude, darunter auch ein ehemaliges Gasthaus, nicht aus Spekulationsgründen gekauft, sondern es ging ihr darum, alte Kubatur neu zu nutzen“, führte Bürgermeister Luis Frank aus. Es gab in beiden Fällen jeweils mehrere Erben und es war nicht leicht, den Kauf der Gebäude abzuwickeln. Sogar Makler hätten kein Interesse für die historischen Gebäude gezeigt, weil sie u.a. vor den komplizierten Erbschaftsverhandlungen zurückschreckten. Der Kaufpreis für die Gemeinde war mit ca. 70 Euro pro Kubikmeter günstig. Den Erben gehe es in den meisten Fällen nicht so sehr um den Preis, sondern darum, dass ihre Gebäude saniert und wieder genutzt werden.

Anfängliche Skepsis

Zu Beginn sei die Glurnser Bevölkerung noch ziemlich spketisch gewesen. „Als die Bürger aber sahen, was entstanden ist, änderte sich die Meinung schlagartig“, so Frank. Das Söleser- und Schallerhaus sind mit viel Feingefühl der Architekten und Planer sowie unter steter Zusammenarbeit mit dem Landesdenkmalamt saniert bzw. zum Teil neu errichtet worden. Es entstanden insgesamt 7 Wohnungen sowie auch Geschäftsflächen im Erdgeschoss. Im Söleserhaus, das außerdem als eines der wenigen Häuser innerhalb der Stadtmauern unterkellert wurde, hat zudem Vinschgau Marketing eine Heimstatt gefunden. Wie Direktor Kurt Sagmeister bei einer Führung bestätigte, fühlt sich das Team von Vinschgau Marketing in den historischen, vorbildhaft restaurierten Räumen sehr wohl. Auch die Besucher von Vinschgau Marketing zeigen sich von den einzigartigen Räumen immer wieder begeistert. Architekt Jürgen Wallnöfer erinnerte u.a. daran, dass für die Böden sowie auch für Möbel ganz bewusst Holz aus dem gemeindeeigenen Wald verwendet wurde.

Schlüsselfertige Übergabe

Durchaus bewährt hat sich laut dem Bürgermeister, „dass wir die Wohnungen sowie die Büro- und Geschäftsräume schlüsselfertig verkauft haben.“ Trotz der teils schwierigen Verhandlungen mit den Erbgemeinschaften und trotz des Einsatzes von Eigenmitteln und notwendiger Vorfinanzierungen habe sich das Vorhaben aus der Sicht der Gemeinde in mehrfacher Hinsicht gelohnt: „Den Kaufpreis konnte sich die Gemeinde im Rahmen der neuen Landesförderung so gut wie zur Gänze hereinholen, die Eigentümer der neuen Wohnungen freuen sich über einen hohen Wohnkomfort, für die vermieteten Räume wird Pacht gezahlt und leer stehende Bausubstanz wurde neu belebt.“

Rund 2.400 Euro pro Quadratmeter

Den Verkaufspreis der schlüsselfertig übergebenen Wohnungen bezifferte Alois Frank mit ca. 2.400 Euro pro Quadratmeter. Angesichts der gängigen Marktpreise, die sich in einem Rahmen zwischen 3.000 bis 4.000 Euro bewegen, sei dies doch ein ziemlich günstiger Preis. Hand in Hand mit der Wiedergewinnung alter Bausubstanz bemühe sich die Gemeinde auch um begleitende Maßnahmen. Als Beispiel nannte Luis Frank die derzeit im Bau befindliche Tiefgarage: „Bürgern, die innerhalb der Stadtmauern wohnen bzw. wohnen werden, bieten wir Stellplätze an.“

Viel Interesse für neues Objekt

 Als drittes Gebäude für die Wiedergewinnung hat die Stadtgemeinde das Haus Fiegele-Prieth ins Auge gefasst. Auch in diesem Fall wird ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben. Eine eigene Gesellschaft für die Durchführung der Arbeiten wird allerdings nicht mehr gegründet. Die Gemeinde werde aber dennoch die Rolle als Koordinator übernehmen. Dass die Bevölkerung den „Glunser Weg“ in punkto Nutzung alter Bausubstanz mittlerweile zu schätzen weiß, belegt laut Frank schon allein die Tatsache, „dass es für das dritte Gebäude mehr Bewerber als geplante Wohneinheiten gibt.“ Es sind alles Glurners Bürger bzw. Familien, die Interesse an den 7 geplanten Wohnungen angemeldet haben.

Viele müssen mithelfen

Damit die Wiederbelebung alter Bausubstanz gelingt, braucht es laut Frank nicht nur das aktive Mitwirken der Gemeindeverwaltung, „sondern auch einen guten Gemeindesekretär wie den unseren, denn er war der eigentliche Ideengeber, sowie einen Gemeinderat und Ausschuss, die hinter der Sache stehen.“ Es habe einige Zeit gebraucht, die anfängliche Skepsis bei den Bürgern, unter denen es auch scharfe Gegner gab, zu überwinden. Auf die Ausweisung von Flächen außerhalb der Stadtmauern habe die Gemeindeverwaltung nicht verzichtet: „Die Bürger haben die Wahl. Wenn sie sich jetzt vermehrt dafür entscheiden, innerhalb der Stadt zu wohnen, dann wohl deshalb, weil sie gesehen haben, welche Vorteile das hat“, so der Bürgermeister.

Nachahmenswert

Theiner gab sich bei einer Aussprache im Anschluss an die
Führung überzeugt davon, dass es in nahezu allen Dörfern und
Städten des Landes möglich ist, alte Bausubstanz sinnvoll zu nutzen. Glurns sei dafür zwar geradezu prädestiniert, „aber die Art und Weise, wie hier alte Bausubstanz neu belebt wurde und wird, kann und soll landesweit als nachahmenswertes Beispiel dienen.“ Und dass dadurch auch leistbares Wohnen ermöglicht wird, ist auf die Förderung zurückzuführen. Theiner: „Die Gemeinden, welche alte ungenutzte Kubatur kaufen, können diese dank der Förderung eins zu eins an die Bauwilligen weitergeben.“

„Bestehendes hat Vorrang vor Neuem“

Das große Ziel des neuen Gesetzes sei es, bestehende Kubatur zu nutzen, Kulturgrund zu schonen und Wohnraum leistbar zu machen. „Bestehendes hat Vorrang vor Neuem“, so Theiner. Das sei eine Notwendigkeit, die sich aus der knappen Verfügbarkeit von Grund und Boden in Südtirol ergebe. Das Bauen im Siedlungsgebiet senke nicht nur die Kosten, sondern es können mit dem neuen Landesgesetz auch Gelder aus dem Wertausgleich in die Wiedergewinnung bestehender Bausubstanz fließen. Außerdem sehe das Gesetz eine Preis-
deckelung vor, die Einheimischen Wohnraum zu im Vorhinein definierten Preisen anbiete. Theiner: „Das neue Gesetz wird also jenes für die Wohnbauförderung flankieren und dafür sorgen, dass wie in Glurns auch in vielen anderen Gemeinden Quadratmeterpreise von 2.300 Euro realistisch werden.“ Für die Wiedergewinnung stelle das Land bereits jetzt den Gemeinden Beiträge zur Verfügung, damit ungenutzte Bausubstanz in den historischen Ortskernen saniert und von der einheimischen Bevölkerung als geförderter Wohnraum erworben und genutzt werden kann.

Beitrag des Landes

Glurns habe diese Möglichkeit bereits mehrfach beispielhaft genutzt. Der Beitrag des Landes darf allerdings nicht höher liegen als 50 Prozent der gesetzlichen Baukosten (derzeit 359 Euro) pro Kubikmeter. Außerdem darf der Betrag die Summe, die das Schätzamt für „angemessen“ erklärt hat, nicht überschreiten. „Eine allfällige Differenz müsste die Gemeinde rückerstatten“, so der Direktor des Amtes für geförderten Wohnbau, Martin Zelger. Aber in den meisten Fällen entsteht den Gemeinden keine finanzielle Belastung. Nachdem die Gemeinde Eigentümerin einer Immobilie geworden ist, kann sie ein Maximalprojekt erstellen. Im Idealfall werden die Bauwilligen, denen die geförderten Immobilien aufgrund bestimmter Kriterien zugewiesen werden, miteinbezogen. Anschließend führt die Gemeinde einen Teil der Arbeiten aus, eventuell bis zum Rohbau, und weist die Anteile den Berechtigten zu. Oder sie überlässt alles den Bauwilligen und weist ihnen das Areal zu. An diesem Punkt angelangt, können die Bauwilligen um Wohnbauförderung ansuchen. Grundsätzlich hielt Theiner fest, dass das Bauen im Grünen in Zukunft eher erschwert und die Wiedergewinnung erleichtert werde. Den Gemeinden werde mit dem neuen Gesetz die volle Verantwortung übertragen.

Lob seitens der Heimatpfleger

Die Obfrau des Heimatpflegeverbandes Südtirol, Claudia Plaikner, die mit dem Geschäftsführer Josef Oberhofer und Verbandsvertretern aus allen Landesteilen nach Glurns gekommen war, zeigte sich von den konkreten Beispielen der Nutzung alter Bausubstanz begeistert. Erfreulich sei, dass nicht nur Wohnraum von hoher Qualität geschaffen, sondern mit der Vermietung von Geschäftsflächen auch die Wirtschaft mit eingebunden wurde. Der Heimatpflegeverband werde Initiativen, wie sie in Glurns umgesetzt wurden und werden, landesweit unterstützen. Roland Angerer aus Stilfs sagte, dass die Gemeinde Stilfs zwar alte Kubatur angekauft habe, aber bisher darauf sitzen geblieben sei: „Es hat niemand angebissen.“ Eine gemeindeeigene Gesellschaft für die Ausführung der Arbeiten sei in Stilfs nicht gegründet worden. In der Sanierung denkmalgeschützter Gebäude sieht Architekt Jürgen Wallnöfer insofern einen Vorteil, als dass man den Bauwilligen gegenüber mit den Vorgaben des Denkmalamtes argumentieren und damit besonderen Wünschen entgegentreten kann, „und das ist fein.“ 

„Das neue Gesetz wird dafür sorgen, dass wie in Glurns auch in vielen anderen Gemeinden Quadratmeterpreise von 2.300 Euro realistisch werden.“
Richard Theiner

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.