Der Triathlet
Prof. Martin Trafoier (links) und Direktor Herbert Raffeiner im Botanischen Lehrpfad des Realgymnasiums Schlanders

„Ich bin kein Freund großer Schulen“

Publiziert in 42 / 2009 - Erschienen am 25. November 2009
Schlanders – Der Schulver­teilungsplan sieht vor, dass eine Schule mehr als 300 Schüler haben muss, um eine eigene ­Direktion bilden zu können. Das Realgym­nasium ­Schlanders erfüllte ­diese Voraussetzung in den vergangenen Jahren nicht ganz, so dass das Schulamt „aus Einsparungsgründen“ und trotz massiven Widerstands der ­Lehrerschaft des Realgym­nasiums die Zusammenlegung mit der Schuldirektion HOB und GOB beschlossen hat. Warum der für alle drei Schulen­ zuständige Direktor Herbert Raffeiner kein Freund großer Schulen ist, worin er die Hauptaufgabe der Schule sieht und wieso er sich manchmal als „Triathlet“ fühlt, hat er kürzlich dem „Vinschger“ erzählt. „Der Vinschger“: Wie sinnvoll war die Zusammenlegung aller Oberschulen von Schlanders? Direktor Raffeiner: Ich bin kein Freund großer Schulen und dagegen, dass Schulen aus Einssparungsgründen ihre Eigen­ständigkeit verlieren. Drei Standorte brauchen nun mal ein bestimmtes Stammpersonal, daher wurden auch „nur“ wenige finanzielle Zuwendungen und eine Direktions­stelle eingespart. Und Sie als Direktor rotieren? Direktor Raffeiner: Ja, ich rotiere von einer Schule zur anderen. Zwei Tage bin ich am Realgymnasium, zwei an der HOB und einen an der GOB. Und am Samstag springe ich. Ich komme mir oft vor wie ein Triathlet; meine Arbeit hat sich heuer verdoppelt, ich wende viel Zeit auf für Sitzungen, Beratungen und Gespräche. Die drei Schulen haben ­völlig unterschiedliche Ausrichtungen und eigene Ansprüche. Wie kann man dem in einer Gemeinschaft gerecht werden? Direktor Raffeiner: Es ist eine Herausforderung, die Erwartungen aller drei Schulen in einer Gemeinschaft unterzubringen. Intern macht uns diese neue Oberschule ­Schlanders keine nennenswerten Probleme. Die Verwaltungsabläufe müssen allerdings teilweise neu organisiert werden. Wir haben ein gemeinsames Plenum und gemeinsame Schulgremien. Kompetente Schulleiter übernehmen mit mir die Leitung der Schule und sind auch Ansprechpartner für Kollegen, Eltern und Schüler. An der GOB ist dies der Vizedirektor Prof. Norbert Waldner, an der HOB Prof. Martin Kaserer und am Realgymnasium Prof. Martin Trafoier. Ich bin der dazu­gehörige „Teamplayer“. Worin sehen Sie die Hauptaufgaben einer Oberschule? Direktor Raffeiner: Die Ausbildung und Begleitung von Jugend­lichen im schwierigen Alter von 14 bis 19 Jahren und die Einübung von Kompetenzen, die den jungen Leuten das weitere Ausbildungs- und Berufsleben erleichtern sollen, sind wesentliche Aufgaben einer Oberschule. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Einübung in unsere gesellschaftliche Realität. Die Jugendlichen sollten mehrsprachig, kompetent, gebildet, selbstbewusst, kritisch, zielorientiert und sozial eingestellt die Oberschule verlassen. Wie erleben Sie die Jugend von heute? Direktor Raffeiner: Der ­größte Teil der Jugend ist heiter, freundlich, strebsam und von einer gewissen Leichtigkeit des Lebens bestimmt. Dann gibt es noch einige wenige Jugend­liche, die es sehr schwer haben, weil sie ihre Rolle nicht finden oder weil sie keine Stütze und keine Orientierung haben. Die Arbeit an der Schule ist für die Lehrer anstrengend, der Unterricht ist ein ständiger Versuch, die Schüler zu erreichen und mit ihnen zu kommunizieren. Die Konkurrenz der Freizeit­industrie und der Medien ist sehr groß. Gibt es politische Auffälligkeiten an den Schlanderser Oberschulen? Direktor Raffeiner: Die Schule­ ist ein Abbild unserer Gesellschaft und dementsprech­end sind alle Erscheinungen vertreten. Das vielfältige Angebot der Schulen, die Hellhörigkeit der Lehrpersonen und die dauernde Beschäftigung sowie auch die politische Bildung in der Schule bieten keinen Raum für beispielsweise rechtsradikale Aktivitäten. Eine größere Rolle spielen die Gesellschaft, das Elternhaus und die Clique, in der die Jugendlichen ihre Freizeit verbringen. Apropos Elternhaus: wie wichtig ist die Zusammenarbeit Elternhaus-Schule an der Oberschule? Direktor Raffeiner: Die ­Schule ist sehr interessiert an einer guten Zusammenarbeit mit der Elternschaft, da der schulische Erfolg dauerhaft gesichert werden kann, wenn die Eltern aktiv hinter dem Lernweg ihrer Kinder stehen. Außerdem können die Eltern in den Schulgremien mitberaten und mitentscheiden. Interview: Ingeborg Rainalter Rechenmacher Eine Schule – drei Ausrichtungen So ähnlich die Schulprogramme der drei Oberschulen Realgymnasium, Gewerbeoberschule (GOB) und Handelsober­schule (HOB) von Schlanders auch sind, so unterschiedlich sind deren Geschichte, Ausrichtung und Profil. Das Realgymnasium ­Schlanders wurde 1965 er­richtet und ist somit die älteste der drei Schulen. Ursprünglich nur mit wissenschaftlicher Fachrichtung ausgestattet, gibt es seit 1989 auch eine neusprachliche Fachrichtung, deren vielfältige Sprachangebote den Schülern die Tore zu anderen Kulturen öffnen und die Verständigung mit Menschen aus anderen Ländern erleichtern. 241 Schülerinnen und Schüler sind am Realgymnasium eingeschrieben, davon 154 Mädchen­. Drei Schülerinnen besuchen die 4. Klasse im Ausland, und zwar zwei in den USA und eine in Straßburg. Zwei Schülerinnen besuchen das Liceo scientifico Torricelli­ in Bozen, mit dem auch ein Schüleraustausch durchgeführt wird. Die 3jährige Fachlehranstalt für kaufmännische Berufe ­wurde im Jahre 1968 eingeführt; seit 1986 ist sie maturaführend. Seit 1994 gibt es die Handelsoberschule (HOB). Sie ist eine Ober­schule mit betriebs­wirtschaftlich-rechtlicher Ausrichtung. Im Schuljahr 2006/2007 kam der Schwerpunkt Sport dazu, in dem in erster Linie Sommersportarten angeboten werden. Die Schule arbeitet eng mit den Sportvereinen zusammen; die Schülerinnen und Schüler erwerben Zusatzqualifikationen wie Übungsleiter, Fitnesslehrwart oder Schiedsrichter. Im vergangenen Jahr ist der Zweig Lehranstalt für Wirtschaft und Tourismus (LeWiT, 1. und 2. Klasse) aufgelöst und in die Handelsoberschule einge­gliedert worden. Die Gewerbeoberschule (GOB) Schlanders ist eine technische Oberschule, die nach der zweiten Klasse eine Spezialisierung in der Fachrichtung Industrieinformatik anbietet. Seit 2001 ist sie maturaführend. Die Wahlmöglichkeiten nach der zweiten Klasse GOB sind breit: Industrieinformatik, Elektronik und Nachrichtentechnik, Elektrotechnik und Automation, Maschinenbau, Bauwesen, Chemie und Umwelttechnologie. Bei PISA 2006 (Befragung in den 2. Klassen) war die GOB Schlanders im naturwissenschaftlich-chemisch-mathematischen Bereich die beste ­Schule Südtirols. Die Daten Die Oberschule Schlanders Realgymnasium, Handelsoberschule, Gewerbeoberschule besuchen insgesamt 574 Schülerinnen und Schüler (241 im Realgymnasium, 197 in der HOB und 136 in der GOB). Sie werden von 83 Professorinnen und Professoren unterrichtet und betreut. Dazu gibt es drei Mitarbeiterinnen für Integration. Das nicht unterrichtende Personal umfasst 29 Personen, so dass inklusive Direktor insgesamt 686 Personen zur Schulgemeinschaft gehören. Die GOB platzt aus allen Nähten Die Klassen der Gewerbeoberschule sind in der Landesberufsschule Schlanders in beengten räumlichen Verhältnissen untergebracht. Für eine dritte und eine vierte Klasse findet der Unterricht in Containern auf dem Schulhof statt. „Es ist höchste Zeit, dass wir eine neue Gewerbeober­schule bekommen“, sagte Direktor Herbert Raffeiner. Die neue Schule soll auf dem sog. „Kind-Areal“ oberhalb der Landesberufsschule entstehen. Das Vorprojekt bestehe bereits, ­voraussichtlicher Baubeginn des 12 Millionen-Euro-1­Projektes sei im Jahre 2012. „Es war ein langer Kampf, um die Landesregierung zu überzeugen, dass es eine komplett eingerichtete Schule inklusiv Turnhalle braucht. Zusätzlich sind noch die Erfordernisse der Landesberufsschule (Tiefbauhalle) zu erfüllen“, so Raffeiner.
Ingeborg Rainalter Rechenmacher
Ingeborg Rainalter Rechenmacher

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