„Ich musste die ‚Handlung’ schließen!“
Publiziert in 44 / 2009 - Erschienen am 10. Dezember 2009
Seit Allerheiligen 2008 hat die Malser Fraktion Planeil kein Geschäft mehr. Inhaberin Helga Platzer musste den netten „Tante-Emma-Laden“ wegen mehrerer Gründe schließen. „Der Vinschger“ war in Planeil und hat mit Helga Platzer darüber gesprochen. Am ersten Adventsonntag, nach der Heiligen Messe, im Gasthof „Gemse“ redeten einige Planeiler mit.
von Daniela di Pilla Stocker
Planeil zählt heute 184 Einwohner. Viele von ihnen sind ältere Menschen. Die jungen Frauen, so heißt es in Planeil, fahren in das Tal hinaus zur Arbeit. Da kaufen sie auch auswärts ein. Kindergarten gibt es auch keinen mehr. „Zuerst der Kindergarten, dann der Laden, dann die Schule, dann die Kirche. Das wäre keine gute Entwicklung für Planeil“, sagt Alois Gunsch betroffen. „Es ist schade, dass es das Geschäft nicht mehr gibt, es war praktisch und zudem ein netter Treffpunkt“, ergänzt er.
Diese Ansicht teilt nicht nur er, sondern die meisten Einwohner. Bekräftigt haben dies gegenüber dem „Vinschger“ Anna Blaas, Frieda Blaas, Susanne Paulmichl Steck und Paula Punter. Sie sitzen gemütlich an einem Tisch im Gasthof „Gemse“, der noch Treffpunkt geblieben ist, der einzige. Es gibt nur diesen Gasthof. Besitzer ist Oskar Steck, der zudem SVP-Ortsobmann ist. Ihm tue es auch leid, dass es kein Geschäft mehr gebe, aber er hat auch Verständnis für die Entscheidung von Platzer.
Sie arbeitet inzwischen irgendwo anders, weit weg von Planeil. „Da habe ich meine geregelte Arbeitszeit und meinen Lohn jeden Monat“, erzählt die alleinstehende Helga Platzer. Als sie noch das Lebensmittelgeschäft führte, hatte sie außer den Öffnungszeiten auch mit viel Bürokratie zu tun wegen der Handelstätigkeit. „Die Landesregierung und die Verbände sprechen sich immer für den Erhalt der Nahversorgung aus, aber wenn es darauf ankommt, gerade die kleinen Geschäfte zu unterstützen, dann passiert nichts“, sagt sie mit etwas bitterem Nachgeschmack. Die Bürokratie sei nämlich die gleiche, ob kleiner oder großer Laden.
Sie hatte sogar am Sonntag nach der Messe eineinhalb Stunden geöffnet: „Das kam bei den Leuten gut an!“, dafür hatte sie am Donnerstagnachmittag geschlossen. Der Verkauf sei Jahr für Jahr zurückgegangen, immer weniger Leute fanden sich in der „Handlung“, wie sie auch genannt wurde, ein. „Früher hatten wir auch viele Gäste, die kamen, heute sind es einzelne“, sagt sie wehmütig. „Ich musste schließen, mir blieb keine andere Wahl“. Und dadurch, dass viele jüngere Leute ins Tal fahren, kaufen sie auch dort ein. Für die älteren Leute wäre das Geschäft natürlich heute noch willkommen.
„Jetzt müssen wir alles aufschreiben, was wir brauchen und den Zettel oft jemandem mitgeben, wenn wir nicht zum Einkauf von einem Familienmitglied gefahren werden“, sagt Frieda Blaas. Wenn doch wenigstens der City-Bus fahren würde, dann könnten wir bis nach Mals mitfahren und dort einkaufen.
Früher habe Helga Platzer viel Tabak verkauft, aber da seien immer mehr und aufwändige Bestimmungen aufgetreten und das Rauchverbot in den öffentlichen Lokalen habe noch seines dazu getan. Fazit: Viele Zigarettenpäckchen fanden keine Abnehmer mehr. Das eine zum anderen, Jahr ein und Jahr aus, hatte Helga Platzer dazu gebracht, ihre langjährige Tätigkeit aufzugeben. Erschwerend sei noch dazugekommen, dass der Laden ja nicht zentral liegt, sondern steil oberhalb der Kirche. „Ich denke, wenn die Handlung neben der Kirche oder neben dem Gasthof gewesen wäre, wäre es auch anders gewesen“, gibt sie zu bedenken. Zudem sei der Laatscher Bäcker immer erst am Nachmittag mit dem Brot gekommen. Die Leute hätten immer mehr das Brot bereits am Vormittag gewollt. Peter Schuster von der „Bäckerei Schuster“ aus Laatsch sagt auf Anfrage dem „Vinschger“: Für uns wäre das organisatorisch auch besser gewesen, aber der Wunsch, das Brot bereits am Vormittag haben zu wollen, sei nie so direkt zur Sprache gekommen.“
Im fernen Jahre 1957 hatte Susanna Platzer, die heute 78-jährige Mutter von Helga, das Geschäft geöffnet zusammen mit ihrem Mann, der Lehrer gewesen und von Stilfs nach Planeil gezogen war. Susanna Platzer erinnert sich gern an die Zeit im Laden zurück, denn er lief gut, sie war damit voll zufrieden. Für über 41-jährige Tätigkeit wurde sie dann auch geehrt. Helga hat immer schon im Geschäft mitgeholfen bis zum Jahre 1992, als sie das Geschäft übernahm.
Walter Holzeisen, der Bezirksleiter des Handels- und Dienstleistungsverbandes hds, sagt dem „Vinschger“: „Es stimmt, die Nahversorgung bleibt eine der wichtigsten Aufgaben des Verbandes.“ Es tue auch ihm leid, dass Planeil nun ohne Geschäft sei, aber, er habe die Entscheidung von Helga Platzer nachvollziehen können. Denn, wenn jemand davon nicht mehr leben könne, ginge es auch nicht mehr. Die Planeiler hätten sie mehr unterstützen sollen, indem sie bei ihr einkaufen gingen. Er habe ihr einmal vorgeschlagen, das Geschäft einen Monat lang zu schließen, um die Leute „wachzurütteln“. Das habe sie sich dann doch nicht getraut.
Auch Bürgermeister Ulrich Veith und der zuständige Gemeindereferent Joachim Theiner bedauern die Schließung, auch weil ein Teil der Kommunikation in einem Dorf verloren gehe. Wohin entwickelt sich Planeil? Das sei eine der Kernfragen, betont Veith. Burgeis zum Beispiel profitiere sehr von den vielen Gästen, sonst könnte es nicht zwei Geschäfte geben, fügt Theiner hinzu. Dies sei ein grundlegender Unterschied zur Planeiler Situation.
Die Kunden seien wichtig, genauso aber die Geschäftsleute, um mit den Worten von Holzeisen zu schließen: „Wegen eines Klötzchen Butter kann kein Geschäft geöffnet bleiben“.

Daniela di Pilla