“Ich war immer schon politisch interessiert”
Publiziert in 5 / 2005 - Erschienen am 17. März 2005
[F] Hans Graber, politisches Urgestein, über seinen Weggang von der SVP, über Opposition, Erfolge und Enttäuschungen und seine Sichtweise zur Frauenquote. Graber, mit einer Unterbrechung von fünf Jahren, ist seit 30 Jahren in der Gemeindepolitik tätig, tritt bei den kommenden Gemeinderatswahlen nicht mehr an.
Interview: Erwin Bernhart
Foto: Magdalena Dietl Sapelza [/F]
"Der Vinschger”: Herr Graber, Sie treten zu den Gemeinderatswahlen heuer nicht mehr an. Sie hören auf. Frustriert?
Johann Graber: Nein, nicht frustriert. Wenn man mehr als dreißig Jahre, mit fünfjähriger Unterbrechung, im Gemeinderat aktiv war, kommt halt einmal die Zeit, in der man nicht mehr den Mut hat, nicht mehr die Initiative hat, nicht mehr das Kämpferische, das man dazu braucht. Speziell, wenn man in der Opposition ist.
Sie haben rund dreißig Jahre in Schlanders die Gemeindepolitik, einmal mehr einmal weniger, wesentlich mitgestaltet. Welche Erfolge weisen Sie auf?
Ich war immer politisch interessiert. Zündender Funke war die Demons-tration in Sigmundskron. Von da ab war ich politisch tätig.
Wie haben Sie sich politisch betätigt, bevor Sie in den Gemeinderat gewählt worden sind?
Ich war 28 Jahre lang im Ortsausschuss der SVP. Die Diskussionen vor allem um den Paketabschluss habe ich mitgemacht. Das war eine entscheidende Diskussion. Man hat sich damit abgefunden, dass die Mehrheit gesiegt hat, wenn auch knapp. Ich war für die Nicht-Annahme des Paketes.
Und dann seit 1974 für die SVP im Gemeinderat von Schlanders?
Zwei Perioden war ich da als Wirtschaftsvertreter im Gemeindeausschuss. Zum Bruch ist es dann durch den Bau der Handelsschule gekommen. Die Handelsschule war damals auf verschiedene Gebäude in Schlanders verteilt. Ein miserabler Zustand. Man hat sich dann Gedanken gemacht, wo die Handelsschule neu gebaut werden soll. Ich war ein Verfechter für einen Neubau. Und da gab´s nur zwei Möglichkeiten, die als öffentliche Einrichtungen ausgewiesen werden konnten: einmal dort, wo die Schule heute steht und einmal dort, wo heute das Kulturhaus steht. Ich war für den heutigen Standort. Die Wirtschaftstreibenden wollten das nicht. Der Platz dort wäre zu schade, hieß es. Ein besserer Vorschlag kam nicht. Die Schule wurde dann doch gebaut und die Retourkutsche kam für mich bei den daurauf folgenden Wahlen. Man hat mich 1985 zwar als SVP-Funktionär aufgestellt, die Wirtschaft hat mich dann nicht mehr mitgetragen.
Sie haben den Erfolg Schulstand-ort bitter büßen müssen?
Genauso war´s. Dann bin ich von den Vereinen zurückgetreten. Dann hat sich die Union für Südtirol formiert, und ich stellte mich dort zur Verfügung. Ich bin dann ab 1990 in die Opposition im Gemeinderat gegangen.
Sie waren auch in der Bezirksgemeinschaft vertreten.
Ich bin als Oppositioneller von der Gemeinde Schlanders namhaft gemacht worden. Vom Gesetz ist vorgesehen, dass die politische Minderheit in der Bezirksgemeinschaft vertreten ist. Funktion hatte ich da keine. Die Vertreter dort mussten zur Kenntnis nehmen, dass die Sitzungen länger dauerten, weil ich halt mehr Fragen stellte. Im Grunde war alles schon vor den Sitzungen ausgschnapst.
Bei welchen Themen haben Sie eingegriffen?
Bei Personalfragen etwa. Bei der Vergabe von Aufträgen konnte ich höchstens durch meine Gegenstimme oder meine Stimmenthaltung meine Meinung kundtun.
Zurück zu Schlanders. Wenn Sie Ihre oppositionelle Rolle seit 1990 Revue passieren lassen, was waren die wichtigsten Entscheidungen in der Gemeinde Schlanders?
Ich war nicht einer, der prinzipiell Opposition betrieben hat. Wenn es um vernünftige Sachen gegangen ist, habe ich zugestimmt und das auch gerechtfertigt. Wenn dann etwas nicht mehr ins Konzept gepasst hat, hab ich das schon gesagt.
Ein Beispiel?
Einmal mit dem Gemeindehaushalt. An einem 21. Dezember sollte der Haushalt verabschiedet werden. Das Gutachten der Rechnungsrevisoren war aber nicht da. Da hab ich gesagt: Leute, so geht´s nicht. Das ist gesetzlich nicht in Ordnung. Die Sitzung wurde dann trotzdem abgehalten. Allerdings musste zwischen Weihnachten und Neujahr eine weitere Sitzung für die Verabschiedung des Haushaltes eingeschoben werden. Noch etwas: Beim Mar-morabbau war ich immer skeptisch. Ich war der einzige, der gegen den Beschluss des Gemeinderates gestimmt hat, bei dem die Gemeinde den Bruch ankaufen wollte. Ich bin der Meinung, dass es nicht Sache der Gemeinde ist, einen Bruch zu betreiben, sondern dass dies unternehmerisch zu führen ist. Mich reut meine Entscheidung nicht. Die Mehrheit hat anders entschieden und die kaut heute noch daran. Bis September muss eine Struktur zum Abtransport hergerichtet sein. Ich bin überzeugt, dass das nicht reibungslos über die Bühne gehen wird.
Welches sind noch Punkte, bei denen sich Ihre Haltung stark von der SVP unterscheidet und wo Sie Erfolg gehabt haben?
Bei der Einführung der Höfenamen in die amtlichen Dokumente. Mein Beschlussantrag wurde von 20 Gemeinderäten mit 19 Ja-Stimmen und einer Enthaltung angenommen. Das war ein Erfolg, bei dem sie nicht herumgekommen sind. Das war der einzige von mir eingebrachte Gemeinderatsbeschluss, ich habe mehrere eingereicht, der angenommen wurde. Alle anderen wurden versenkt. Bei einigen wollte man, dass ich sie abändere. Das hab ich nicht gemacht und bin halt dann untergegangen.
Welcher Beschlussantrag Ihrerseits, der versenkt worden ist, hat Sie am meisten geschmerzt?
Dass der Antrag von der Union, Alfons Benedikter zum Ehrenbürger der Gemeinde Schlanders zu ernennen, mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt worden ist, das hat weh getan. Wir haben von der Union in der vorigen Periode eine Umfrage gemacht, an die 15 Fragen. Unter anderem über die Fahrradwege von Vetzan nach Schlanders. Von der Bevölkerung wurde der Fahrradweg gewünscht. Bei der Realisierung sind wir dann untergegangen. Genau dasselbe war mit dem Ausbau des Gehweges nach Göflan. Meine Idee war es, einen kombinierten Fahrrad- und Fußgängerweg zu verwirklichen. Drei Vorschläge lagen auf dem Tisch. Einer davon wurde ausgewählt, und ich habe dann gesagt: Ihr habts den ausgewählt, der am billigsten war und der am wenigsten bringt. Heute sagt man, hätten wir doch den breiteren genommen. Das waren enttäuschende Momente. Aber die Mehrheit entscheidet.
Haben Sie das Gefühl, dass Anträge versenkt werden, nur weil sie von der Union kommen?
Das ist ein Prinzip. Bei uns in der Gemeinde und im Land. Auch wenn ein Antrag noch so vernünftig ist, kann man doch anscheinend die eigenen Schwächen nicht einem anderen zuschreiben. Vielleicht haben wir den Fehler gemacht, dass wir zu wenig an die Öffentlichkeit gegangen sind.
Was soll Ihrer Meinung nach in Schlanders anders werden?
Es soll keine zu schnelle Entwicklung kommen. Bis jetzt ist ein gesunder Zuwachs zu verzeichnen. Man soll das nicht übertreiben. Interessant wäre eine konstante und gesunde Entwicklung voranzutreiben.
Konkret?
Größere Bauten wird Schlanders in der nächsten Zeit nicht mehr haben. Der Wirtschaftsbereich wird schauen müssen, dass er seinen Umsatz wird halten können.
Ein Blick über die Gemeindegrenzen hinaus. Welches sind für Sie bzw. für die Union die wichtigsten Themen im Tal?
Ein Anliegen der Union war es immer, die Talsohle aus dem Nationalpark herauszunehmen. Das wurde erreicht. Der Nationalpark, richtig genutzt, hat auch für den Fremdenverkehr eine wichtige Bedeutung.
Wird das noch zu wenig genutzt?
Ja. Ich kenne den Nationalpark Hohe Tauern. Dort wird der Park wesentlich mehr für touristische Zwecke genutzt wie der Nationalpark bei uns. Da besteht noch Nachholbedarf.
Andere Themen?
Der Verkehr ist auch für die Union ein Thema. Vielleicht regelt sich der Verkehr von selbst, wenn die Konjunktur zurückgeht.
Es kommt trotzdem immer mehr Verkehr.
Die Union hat damals demonstriert, als der Grenzbalken noch eine gewisse Bedeutung hatte. Gegen den Durchzugsverkehr.
Ihre Lösungsvorschläge?
Schwierig zu sagen. Im Vinschgau sind allein 50.000 Waggon Obst. Die müssen abtransportiert werden. Die Bautätigkeit hat auch zum Verkehr beigetragen. Freiwillig verzichtet keiner auf das Auto, wenn auch oft nur ein Mensch im Auto sitzt. Ich auch nicht, ich bin auch so ein Typ.
Nationalpark, Verkehr. Sonst noch Themen, die Ihnen fürs Tal auf dem Herzen liegen?
Ich wünsche mir mehr Opposition in den Gemeinden (lacht).
Sollten die neuen Räte, die für die Union kandidieren, einen ideologischen Überbau mitbringen?
Die sollen ihre Vorstellungen einbringen. Aber es soll nicht so sein, dass sie der Partei-Disziplin unterworfen sind. Die Union hat keinen Fraktionszwang, wie die SVP. Heimatbewusstsein und Bodenständigkeit sollten sie schon mitbringen und assimilieren lassen wir uns nicht. Wir stellen keine interethnische Listen auf. Wir sind eine soziale, demokratische und unabhängige Wählerschaft. Der Schutz der Heimat liegt uns sehr am Herzen.
Sie wurden jüngst mit einer Aussage in der ff zitiert, sinngemäß: Frauen an den Herd.
Ich habe gesagt, dass die Frauenquote ein Quatsch ist. Ich habe mir damit in gewissen Kreisen keine Freunde gemacht. Ich habe auch gesagt, dass eine Frau, die die Voraussetzungen und Ambitionen hat, jederzeit in der Politik willkommen ist. Sonst gehören die Frauen zum Herd und zu den Kindern.
Sie haben bei den Schützen jahrelang eine bedeutende Rolle gespielt. Was sagen Sie jungen Leuten, die von den Schützen nichts wissen wollen?
Ich bekleide seit drei Jahren keine Ämter mehr im Schützenbund. Ehrenmajor des Schützenbundes und von der Charge her einfaches Schützenmitglied bin ich noch. Ein junger Mensch lässt sich nicht so leicht binden. Ein Schütze hat auch seine Verpflichtungen. Der Zulauf hängt mit der politischen Stimmung und mit der Einstellung jedes einzelnen zusammen.
Wie schätzen Sie die Stimmung derzeit ein?
Die Zeiten sind ruhiger geworden und die Schützen haben an Ansehen gewonnen. Ich staune, dass so viele junge Leute, auch akademisch gebildete, zu den Schützen gehen. Im Schützenbund soll Überparteilichkeit herrschen. Ich habe das immer auseinandergehalten.
Erwin Bernhart