In ist, wer drin ist
Roman Grünfelder und Renate Unterholzner: Auch als Jugendarbeiter in der virtuellen Welt im Einsatz.

In ist, wer drin ist

Publiziert in 10 / 2010 - Erschienen am 17. März 2010
Wie rasant sich die Kommunikation der Jugendlichen im Internet-Zeitalter verändert, warum sie sich in sozialen Netz­werken austauschen und welche Gefahren ­dieser Trend mit sich bringt. von Oliver Kainz Lisa kann sich ein leises Kichern nicht verkneifen. Zusätzlich straft die 13-­Jährige meine Frage, ob auch sie sich in sozialen­ Netzwerken im Internet bewegt, mit einem vorwurfsvollen Blick. „Klar bin ich auf Facebook“. Facebook, Netlog und MySpace: So heißen die angesagten Inter­netplattformen, in denen Jugendliche sich mit selbst erstellten Profilen im Web präsentieren und virtuelle Freundschaften knüpfen. Mitglied in den Netzwerken zu werden kostet nichts, außer Teile der eigenen­ Privatsphäre aufzugeben. Um sich anzumelden muss man als Erstes eine Art Lebenslauf ausfüllen: Name, Geburtsdatum, Geschlecht, Wohnort. Lebe ich in einer Beziehung oder bin ich Single? Suche ich Freundschaften oder Verabredungen? Sobald das eigene Profil erstellt ist, kann man wahllos Videos und Fotos austauschen, über Belanglosigkeiten und Befindlichkeiten berichten, sich mit Spielen­ unterhalten und mit Bekannten aus der ganzen Welt Kontakt halten. „Ich verbringe zwei bis drei Stunden täglich auf Facebook“, erzählt mir Lisa, „um zu wissen was läuft und mich mit meinen Freunden auszutauschen“. Ob sie sich um die Verwendung ­ihrer Daten Gedanken macht, will ich wissen. „Nein, eigentlich nicht“, sagt Lisa und zuckt gleichgültig mit den Schultern. Freilich tummeln sich nicht nur Jugendliche in den Netzwerken: Politiker buhlen um Wählerstimmen, Veranstalter werben für ihre Events und Unternehmen nutzen die Informationskanäle für kommerzielle Zwecke. Aber besonders Jugendliche gehen offen und bedenkenlos mit ihren Daten um, bestätigen die Jugendarbeiter Roman Grünfelder und Renate Unterholzner. „Eine gefährliche Mischung aus Gleichgültigkeit und Unwissenheit führt dazu, dass sehr viel Intimes preisgegeben wird“, so die Jugendarbeiter. Wer erst einmal als Freund akzeptiert ist, hat Zugang zu Bildern und persönlichen Informationen. Diese können dann im schlimmsten Fall missbraucht und vervielfältigt werden, was im Netz nur schwer wieder rückgängig gemacht werden kann. „Datenmissbrauch lässt sich am besten dadurch verhindern, indem man genau abwägt welche Informationen man freigibt und indem man nur Freunde hinzufügt, die man auch im realen Leben kennt. Aber darin liegt ja nicht der Reiz“, weiß Renate Unterholzner, pädagogische Leiterin des Vereins Streetwork & Mobile Jugendarbeit. Deshalb lautet die Devise in sozialen Netzwerken: Je mehr Informationen man preisgibt, desto mehr erfährt man selbst. Neue Form der Kommunikation Die beiden Jugendarbeiter wissen wie beliebt die sozialen Netzwerke auch bei Vinschger­ Teenagern sind. Genaue Zahlen, wie viel Prozent der Jugendlichen sich auf Facebook, Netlog oder MySpace bewegen, liegen nicht vor. „Geht man in eine Schulklasse und fragt, wer bei sozialen Netzwerken angemeldet ist, so bejahen dies 80 bis 90 Prozent“ erzählt Roman Grünfelder. Das Interesse sich zu vernetzen und sich im Internet auszutauschen beginnt ab dem 12. Lebensjahr und ist bei Mädchen und Jungen gleich stark. Das Internet nimmt bei Jugendlichen generell einen hohen Stellenwert ein – dies ist natürlich nicht nur im Vinschgau so, sondern ein weltweites Phäno­men. Doch was, wenn Facebook und Co. nur eine vorübergehende Modeerscheinung sind? „Ich glaube nicht, dass es nur ein kurzfristiger Trend ist“, sagt Renate Unterholzner. „Soziale Netzwerke bedeuten nicht nur Selbstdarstellung, nicht nur Freunde sammeln. Sie bieten ganz neue Möglichkeiten der Kommunikation.“ Und die Kommunikation werde sich in Zukunft noch stärker in die interaktive Richtung im Internet verändern. Die Benutzer können selbst bestimmen, welche Inhalte sie erstellen, bearbeiten und im Netz verteilen. „Gerade deshalb fühlen sich Jugendliche in sozialen Netzwerken wohl und toben sich darin aus“, glaubt Roman Grünfelder. Austoben im Netz Im Internet stößt der Jugendliche auf relativ­ wenig Grenzen. Alles, was im puber­tären Alter spannend und aufregend erscheint, ist mit einem Mausklick zugänglich. Es ist auch das Bedürfnis und der Wunsch Wahrgenommen zu werden, der die Jugendlichen dazu bringt, in sozialen Netzwerken zu kommunizieren. Schnell und problemlos kann man sich mit Gleichgesinnten vernetzen und aktuelle Informationen austauschen. „Einige Jugendliche glauben, dass das Internet ein geschützter, gesetzesfreier und unbeobachteter Raum ist“, stellt ­Renate Unterholzner fest. Deshalb kommt es durchaus vor, dass strafrechtliche Grenzen in den Bereichen Gewalt, Sexualität oder Radikalismus überschritten werden. Für den Verein Streetwork & Mobile Jugendarbeit in ­Meran Grund genug, um sich im Cyber­space einzuklinken und selbst Profile in den sozialen Netzwerken zu erstellen. „Unsere­ Aufgabe ist es, egal ob auf der Straße oder im Netz, auf die Jugendlichen zu zugehen“ erklären die Streetworker. Vor drei Jahren wurde der Verein ins Leben gerufen, mittlerweile kümmern sich sieben Streetworker, um die Anliegen der Jugendlichen, zwei davon in der virtuellen Welt. „Die Jugendlichen können ohne Vorbehalte Fragen an uns richten und wir versuchen zu helfen.“ Die Probleme der Jugendlichen sind vielschichtig: Liebe, Gefahren von ­Alkohol- und Drogenmissbrauch oder Mobbing. „Wir wollen mit unserer Anlaufstelle auch auf Gefahren aufmerksam machen“, so Unterholzner und Grünfelder. Besteht aber nicht das Risiko, dass die Jugendarbeiter beim Aufzeigen von Grenzen als Spaßbremsen gesehen werden? „Beratung, Begleitung und die Vermittlung von gesunden Grenzen kommt bei den Jugendlichen sehr wohl an“, ist Roman Grünfelder überzeugt. Gleichzeitig unterstreicht er ausdrücklich, dass der Verein Streetwork & Mobile Jugendarbeit keine Polizeifunktion­ einnimmt und immer auf der Seite der Jugend­lichen steht. Schattenseite Cybermobbing Soziale Netzwerke bieten eine wahre Flut von Möglichkeiten an und gerade für schüchterne Jugendliche bietet sich die Chance neue Kontakte zu knüpfen. Denn die Schwellen­ängste fallen im Internet oft weg. „Wir beobachten, dass ein Jugendlicher, der im Cyberspace viele Freunde hat, als angesehen, modern und up-­to-date gilt“, sagt Roman Grünfelder. Nach dem Motto: Hast du 500 Freunde bist du cool, hast du nur zehn Freunde bist du nichts Wert. „Es kommt durchaus vor, dass Jugendliche in sozialen Netzwerken gemobbt, also schlecht gemacht, beschimpft oder ausgelacht werden“, berichten die Jugendarbeiter. Dabei sind die Grenzen fließend: Die Hemmschwelle, im Internet andere zu verhöhnen, ist gering. In der Anonymität des World Wide Web muss ein Täter seinem Opfer nicht in die Augen blicken, eine unmittelbare Rückmeldung für das eigene Verhalten bleibt (zunächst) aus. Zudem können die Profile der sozialen Netzwerke geknackt werden, wenn das Passwort nicht geheim gehalten wird. „Somit können Daten verändert und abstruse Informationen verbreitet werden, was im Netz eine unheimliche ­Dynamik annehmen kann“, erklärt Renate Unterholzner. Beileibe betrifft das Phänomen Cyber­mobbing nicht alle, trotzdem ist ein bewusster Umgang mit sozialen Netzwerken mehr als angebracht. Auf Facebook ist vieles möglich Was auf Facebook alles ablaufen kann, haben uns in diesen Tagen die Diskussionen rund um eine Facebook-Gruppe gezeigt, deren Mitglieder im Internet eine Hetz- und Hasskampagne gegen Einwanderer in Südtirol gestartet hatten. Der Auftritt wurde mittlerweile gelöscht, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Gott sei Dank hat sich in kurzer Zeit auf Facebook eine Gegengruppe gebildet, um diesen Hasspredigern, Ignoranten und Hetzern offen die Stirn zu bieten.
Oliver Kainz
Vinschger Sonderausgabe

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