„Irgendwann müssen wir den Mut haben“
Publiziert in 6 / 2017 - Erschienen am 22. Februar 2017
Bürgermeister Albert Gögele: „Wir haben 47 Jahre geredet. Wir können weiter reden, aber es wäre sinnvoller, jetzt Nägel mit Köpfen zu machen.“
Rabland - Das verkehrsgeplagte Volk strömte zur Bürgerversammlung und wurde an der Tür zum Geroldsaal mit einem Flugblatt beglückt. Die Absicht der Verteiler wurde vielen Bürgern erst nach und nach bewusst. Mit Flugbild und Bearbeitungsprogramm sollte mitgeteilt werden, dass „2030“ ein bestimmter Umfahrungsvorschlag viel mehr Kulturgrund und Landschaft beansprucht haben wird als jeder andere. „So war von vornherein eine objektive Diskussion in Frage gestellt“, meinte eine Bürgerin nach der Versammlung. Bürgermeister Albert Gögele ließ sich damit nicht abbringen, die fast unendliche Geschichte der 5 Umfahrungslösungen seit 1970 aufzurollen, die Eintragung in den Bauleitplan der Variante H (von Hochspannungsleitung) im Jahre 2008, die hydrogeologischen Einwände und den Vorzug der Variante V (von Vereinsheim), die schließlich vom Gemeinderat mit einem ausführlichen Anforderungskatalog am 30. September 2014 genehmigt worden war. Er erinnerte an den Auftritt von Landeshauptmann Arno Kompatscher bei der Bürgerversammlung am 25. November 2015 und dessen Wunsch nach einer kostengünstigeren Umfahrungsvariante. Es habe zahlreiche Koordinierungssitzungen gegeben, in denen die Variante D wieder zur Sprache gekommen sei.
Zwischen zwei Lagern
„Nun stehen wir zwischen zwei Lagern mit Gegnern und Befürwortern und haben die erfahrenen Techniker des Ingenieurbüros EUT beauftragt, die zwei Varianten zu überprüfen und zu vergleichen. Irgendwann müssen wir den Mut haben, uns zu entscheiden“, erklärte Gögele und übergab das Wort dem Moderator des Abends, Martin Ausserdorfer, Bürgermeister von St. Lorenzen „Nebenberuf“ und Leiter der BBT-Infostelle. „Wichtig ist, dass wir mit dem Kopf diskutieren und nicht mit dem Bauch“, meinte der eloquente Pustertaler, bevor er Ingenieur Georg Fischnaller um seine Präsentation bat. Es folgten eine Fülle von technischen Daten und Informationen zu Tunnellängen, Längsneigungen, Kostenvergleiche und Bauweisen in den Varianten V und D. Aus der Bewertungsmatrix mit 24 Kriterien darunter Bauzeit, Erschwernisse durch Geologie und Baudurchführung, Kosten, Instandhaltungskosten und Eingriffe ins Ortsbild war ersichtlich, dass die südlich vom Ortskern verlaufende Umfahrungsvariante D mehr landwirtschaftliche Böden beansprucht und Flächen zerschneidet als die Varianten V und „V optimiert“ und dass letztere in sechs Bereichen - vor allem bei Bauzeit mit 2,5 Jahren für Variante D und mehr als 3 Jahren bei Variante V, bei Kosten und Risiken - Nachteile aufweisen. Die Diskussion eröffnete Ausserdorfer mit der Überlegung: „Die Notwendigkeit zu entscheiden ist in Rabland unbedingt gegeben. Ich habe gesehen und gemerkt, wie mühsam es ist, hierher zu kommen oder durchzufahren. Man muss sich der Diskussion stellen und eine Entscheidung herbeiführen.“
Ängste auf allen Seiten
Der Feststellung des Bürgermeisters, es herrsche keine Einigkeit im Dorf, widersprach der Landwirt Hans Bonani, indem er an die 975 Unterschriften der Rablander für die Variante V erinnerte. Vom Bürgermeister wollte er wissen, warum er den Beschluss des Gemeinderates vor dem Landeshauptmann nicht verteidigt habe. „Die Unterschriften sind eine Tatsache, aber ich weiß nicht, wie sie entstanden sind“, hielt Albert Gögele dagegen. „Wäre es nicht besser gewesen, die Aktion durchzuführen, wenn man über beide Varianten Bescheid weiß?“, fragte er. Wie könne er sich gegen den Landeshauptmann stellen, wenn das Land die Umfahrung finanzieren müsse. Es folgten Wortmeldungen aus der Sicht der Bürgerinitiative mit der Forderung nach Untertunnelung laut Variante V und laut Ratsbeschluss. Warum könne man mit einer großen „Gesamtlösung“ nicht bei der Töll oder auf der Forst in einen Tunnel ein- und vor Plaus ausfahren, wollte man wissen. Von unvorstellbaren Belastungen während der Bauphase, ja von Existenzängsten waren die Einwände der Hausbesitzer und Tourismustreibenden längs der Straße geprägt. Es wurde aufgerufen, den größten Grundbesitzer doch großzügig und doppelt zu entschädigen. Bürgermeister Gögele nannte den Zusatzauftrag an die Ingenieure, auch das Lärmaufkommen zu untersuchen, einen Akt von Transparenz. Es waren vor allem Bürgerinnen, die auf gesundheitliche Nachteile durch Lärm und Abgase hinwiesen. Befürchtungen wurden laut, dass man nicht mehr zum Zuge komme im Bauprogramm des Landes, wenn man sich nicht für die kostengünstigere Variante D entscheide. Bewohner in der Cutraun-Straße fürchteten um die Stabilität ihrer Häuser und um ihre Lebensqualität. Ja, die Entwicklung des Dorfes sei in Frage gestellt bei der Variante D. Vom Bürgermeister wollte man wissen, was die Umweltschutzkommission der Gemeinde für eine Rolle spiele.
Untragbarer Zustand
Moderator Ausserdorfer bemühte sich um Beruhigung und Sachlichkeit. Er führte positive Beispiele an und warnte davor, Projekte nur „schwarz oder weiß“ zu sehen. „Macht euch den Gefallen, fallt nicht in Panik!“, rief er in den überbesetzten Geroldsaal. Von der Bürgerinitiative „Pro Variante V“ beauftragt trat der Meraner Ingenieur Manfred Ebner auf. Auch er war um Sachlichkeit bemüht, sah die Variante V durchaus als realisierbar, sogar nur in den Wintermonaten, und erinnerte, dass bis zum Ausführungsprojekt noch jede Menge „Optimierungspotenzial“ vorhanden sei. Ein Tourismustreibender kreidete die emotionale Stimmung an, machte auf die geänderten Voraussetzungen seit dem Gemeinderatsbeschluss aufmerksam und verurteilte die „persönlichen Attacken gegen den Bürgermeister“. Der Vertreter des SVP-Wirtschaftsausschuss erklärte: „Wir haben uns intensiv mit dem Thema befasst und sind zur mehrheitlichen Meinung gekommen, dass es unklug wäre, jetzt beide Varianten abzulehnen. Es besteht dann das Risiko, dass keine kommt. Ganz egal, welche Variante man vorzieht, über etwas sind wir uns alle einig, dass der heutige Zustand nicht tragbar ist.“ Ein ehemaliger Gemeinderat fand, dass man zu wenig über die Bauphase gesprochen habe. Man solle sich die gigantischen Erdbewegungen vorstellen und die jahrelangen Arbeiten mitten durch die Betriebe. Referent Hartmann Nischler beschloss den Abend: „Jeder will die Umfahrung. Wir werden es uns nicht einfach machen, aber wir müssen eine Lösung suchen und finden.“
Günther Schöpf
Günther Schöpf