Keine großen Gewinne 2008, aber neue Rekordernte in Sicht
Publiziert in 29 / 2009 - Erschienen am 26. August 2009
Für die rund 1.800 Obstbauern im Vinschgau beginnt in Kürze die aufregendste Zeit des Jahres: die Ernte. Über die schleppende Vermarktung der Ernte 2008, über die Auszahlungspreise, die Auswirkungen der Krise auf die Obstwirtschaft, die zu erwartenden Mengen 2009, den Vormarsch der Äpfel im Obervinschgau und weitere Themen zum Apfelanbau hat „Der Vinschger“ mit Sepp Wielander gesprochen, dem Direktor der VI.P (Verband der Vinschgauer Produzenten für Obst und Gemüse).
„Der Vinschger“: Herr Wielander, wie viele Äpfel befinden sich kurz vor dem Erntebeginn 2009 noch in den Lagern?
Sepp Wielander: Mit Ende August lagern noch rund 5 % der Rekordernte 2008. Bis zum Eintreffen der neuen Golden Delicious, die Mitte September erwartet werden, werden die Lager somit geräumt sein.
Die Vermarktung der Ernte 2008 war allgemein schwierig. Sind das die Folgen der Weltwirtschaftskrise oder gibt es zusätzlich dazu noch andere Gründe?
Sepp Wielander: Ich würde nicht ausschließlich alles immer auf die Wirtschaftskrise lenken, sicher spielt auch diese eine Rolle, vor allem was die Zahlungsmoral betrifft, die ständigen Billig-Angebotspreise in den Läden und anderes mehr. In erster Linie aber hat die große Europaernte, vor allem jene aus Polen, welche die größte europäische Apfelnation ist, dazu geführt, dass das Angebot und die Nachfrage aus dem Gleichgewicht gekommen sind. In so einem Fall ist es eben - so wie in jedem anderen Geschäft auch - durchaus normal und somit verständlich, dass in diesem Falle die Käufer und nicht die Anbieter auf der Sonnenseite stehen.
Wie verlief der Verkauf im Sommer?
Sepp Wielander: In den Sommermonaten sind wir Vinschgauer mit unserer Bergware normalerweise eigentlich die Preisgestalter, heuer aber, bedingt durch das mäßige Absatzjahr, haben eben noch zu viele Obstbauregionen Äpfel im Angebot, was zwangsläufig auf das Preisgefüge gedrückt hat und immer noch drückt.
Können Sie sich eine Vermarktung ohne das Konzept „VI-P 3“ noch vorstellen?
Sepp Wielander: Ohne geschlossenen Auftritt und somit ohne zentrales Angebot würden wir gerade in diesen Zeiten zum Spielball des Handels werden. Das heißt: Wir können zwar mit keinem Konzept der Welt preisbestimmend Märkte beeinflussen, denn das bestimmen das Angebot und die Nachfrage, aber wir können sicherlich aus dem vorhandenen Umfeld, aus den gegebenen Rahmenbedingungen das Bessere draus machen und das ist schlussendlich unsere Aufgabe.
Wie sieht es mit den Auszahlungspreisen 2008 aus?
Sepp Wielander: Sehen Sie, wenn man eine starke Vergangenheit hinter sich hat, will man natürlich, dass alles so weiter geht und das Rad sich ständig weiter nach oben dreht. Leider musste auch die Obstwirtschaft nun mal einen so genannten „Boxenstopp“ erleben und wir werden heuer sicherlich nicht zufriedenstellende Preise ausschütten. Wir liegen zwar über den Produktionskosten, aber von großen Gewinnen kann heuer keine Rede sein. Trotzdem nehme ich keinesfalls an, dass dies nun der Anfang von einer Reihe von schlechten Jahren sein wird, denn jedes Jahr steht unter anderen Vorzeichen und Bedingungen und somit ist jedes neue Apfeljahr auch wieder eine neue Chance.
Wie sind die Prognosen der Ernte 2009 bezüglich Menge und Qualität?
Sepp Wielander: Wir im Vinschgau erwarten eine sehr starke Ernte, sei es von der Menge her als auch von der Qualität. Vielleicht wird es sogar die größte bisherige Ernte. Europaweit wächst laut vorliegenden Prognosen in etwa dieselbe Menge des letzten Jahres heran, somit steht wiederum eine Ernst zu nehmende Herausforderung bereits in den Startlöchern.
Gibt es Schwierigkeiten bezüglich der Lagerkapazität? Die OVEG baut zurzeit ein neues Lager in Prad. Wird es pünktlich zum Erntebeginn fertig gestellt sein? Auch die GEOS in Schlanders hat neue Kühlzellen errichtet. Muss die Lagerkapazität in Zukunft noch in weiteren Gemeinden erweitert werden?
Sepp Wielander: Sicherlich stehen die im Auftrag gegebenen Erweiterungen für die Ernte 2009 bereit. Trotz allem ist anzunehmen, dass es mit den vorhandenen Lagerräumen knapp werden wird und die herbstliche Anlieferungsorganisation alles abverlangen wird. Zu Ihrer zweiten Frage bin ich der Meinung, dass - je nachdem wie die Entwicklung gerade im oberen Vinschgau weitergehen wird - sicher weitere Erweiterungen an Zellenpotential notwendig sein werden, und auch im unteren und mittleren Vinschgau wird die Lagerkapazität laufend modernisiert und den Erfordernissen der Zeit angepasst werden.
Die vorherrschende Sorte im Vinschgau ist nach wie vor der Golden Delicious. Zuviel „Gold“ und zu wenige andere Sorten?
Sepp Wielander: Eines ist die Tatsache und eines ist das Wunschbild. Es stimmt, dass wir, um viele Märkte bedienen zu können, auch verschiedenste Sorten brauchen und die 70-Prozent-Marke an Golden oft einen Hemmschuh in unserer Entwicklung darstellt. Andererseits hat uns der Golden in der Vergangenheit auch den Wohlstand mitgesichert. Ich denke wir sollten uns sehr vorsichtig, aber als Unternehmer bewegen und die wenigen roten Alternativen, welche sich für den Vinschgau auftun, nützen, damit zumindest ein Drittel unserer Produktion einen anderen Namen als jenen des Golden trägt.
Der Obstbau schiebt sich immer weiter in Richtung Obervinschgau vor. Das ist nicht unumstritten, besonders auch in Kreisen der Viehbauern. Wo liegen hier die Grenzen?
Sepp Wielander: Die Grenzen hängen sehr stark mit der anzupflanzenden Kulturart zusammen und vor allem auch mit der weiteren klimatischen Entwicklung. Auch werden vor allem die Erlöse eine sehr große Rolle spielen. Es ist eben zu schauen, wie sich die Viehwirtschaft, der Obstbau oder der Gemüse- bzw. Beerenanbau weiterentwickeln. Die Grenzen wird somit sicher nicht der Mensch setzen, sondern die Natur selbst und auch der Markt, beide sind wohl kaum ohne weiteres zu überlisten.
Im Großraum Mals, Glurns und Schluderns ist oft die Kritik zu hören, dass reiche Obstbauern aus dem Unter- und Mittelvinschgau für wenig Geld Gründe zusammenkaufen. Eine Art Ausverkauf der Heimat?
Sepp Wielander: Das sehe ich anders. Es braucht ja immer zwei Parteien, um ein Geschäft machen zu können. Schließlich wird ja niemand genötigt die Gründe abzutreten. Sehr gut laut meinem Dafürhalten ist mittlerweile, und das begrüße ich somit außerordentlich, dass nun auch im oberen Vinschgau Bewegungen im Gang sind, die es ermöglichen die dortigen Grundbesitzer vor die Wahl zu stellen, ihre Gründe entweder landwirtschaftlich zu nutzen, indem sie eben einer Genossenschaft beitreten, oder eben den Grund ungenutzt zu behalten bis die eine oder andere Idee gereift ist, oder aber den Grund abzutreten. Das ist somit freie Marktwirtschaft. Schlimm wäre es, wenn keine genossenschaftlichen Einrichtungen bzw. Beratungsstellen diese Wahl der dortigen Bevölkerung ermöglichen würden.
Wie stark ist der Vinschger Apfel als Marke?
Sepp Wielander: International gesehen haben wir noch sehr viel für unsere Marke und unseren Bekanntheitsgrad zu tun. In Italien, Skandinavien und Spanien gehören wir mitunter zu den stärksten Marken in unseren Sektor.
Ist der biologische Anbau mehr als nur eine Nische?
Sepp Wielander: Ich würde schon lange nicht mehr von einer Nische reden, sondern von einer Ernst zu nehmenden nicht wegzudenkenden Realität. Wir können froh sein, dass wir so viel Bio-Ware im Vinschgau produzieren, doch alles hat auch seine Grenzen und es wäre falsch, wenn die Produktion schneller als der Bedarf steigen würde.
Könnte nicht das ganze Tal auf Bio umstellen?
Sepp Wielander: Wie schon gesagt, das wäre heute wie heute nicht klug. Das Konsumpotential entspricht bei weitem nicht unseren Produktionsmengen. Noch dazu ist die herkömmlich produzierte Ware von den Rückständen und den inneren Werten her zu sicher geworden, sodass ein totaler Umschwenk nicht angebracht wäre.
Wie sehen Sie die Vinschger Obstwirtschaft in 10, 20 Jahren?
Sepp Wielander: Ich habe grundsätzlich ein gutes Gefühl. Wir werden noch einige Alleanzen mit anderen Produktionsgebieten einzugehen haben, um mit den immer größer werdenden Kunden stets auf gleicher Augenhöhe verhandeln zu können. Wir werden auch immer wieder Höhen und Tiefen durchmachen, aber wir werden unterm Strich stets den längeren Atem haben als so manch andere Anbaugebiete und somit auch in 10, 20 Jahren vom Obstbau leben können.
Josef Laner