Digitales Zeitalter
Ein Latscher und die „künstliche Intelligenz“
Christian Stolcis kann quasi von überall aus seiner Arbeit nachgehen. 

KI: Gegenwart und Zukunft 

Was KI kann, welche Chancen und Herausforderungen die Technik für den Vinschgau bringt. Der Latscher Christian Stolcis arbeitet mit „künstlicher Intelligenz“ (KI). 

Publiziert in 20 / 2020 - Erschienen am 4. Juni 2020

LATSCH - „Keine Frage, die künstliche Intelligenz bedeutet Gegenwart und Zukunft“, bringt es Christian Stolcis auf den Punkt. Der Latscher kehrte nach vielen Jahren im Ausland vor zwei Jahren in seine Heimat zurück. Der heute 36-Jährige, der in Jena Informatik studiert hat und dort das Doktorat erlangte, hat sich ganz den neuen Techniken, zukünftigen Arbeitsweisen und insbesondere der so genannten künstlichen Intelligenz (KI) verschrieben. Ein Thema, das schon seit Jahren in aller Munde ist. „Ein Aspekt, der uns in vielen Bereichen des Lebens helfen kann“, weiß Stolcis. Auch, oder besser gesagt vor allem in einem Seitental wie dem Vinschgau. Als eines der ersten Projekte wurde kürzlich die App „Wasser Marsch“ zusammen mit dem Bonifizierungskonsortium von Latsch entwickelt. Der Clou: Das System der Beregnung wurde digitalisiert, meldet den heimischen Landwirten, wann schlussendlich beregnet wird, unterstützt die Obmänner und Beregnungswarte bei der Planung und kann in Zukunft durch weitere Anwendungsfälle erweitert werden - wie zum Beispiel die Empfehlung einer bedarfsgerechten Bewässerung. „Eine simple Form der KI“, weiß Stolcis, der mit seinem vor drei Jahren gegründeten Unternehmen Netscrapers in diesem Bereich tätig ist. Das System wird aktuell in Latsch getestet, soll in Zukunft aber von allen Obmännern und Mitgliedern im Vinschgau genutzt werden können.

Über Pisa nach Jena 

Der Reihe nach: Nach der Matura am neusprachlichen Realgymnasium in Schlanders hat es Christian Stolcis nach Pisa verschlagen. Dort begann er sein Informatik-Studium. „Nachdem ich lange Zeit nicht wusste, wohin mein Weg eigentlich führen soll“, gesteht der Latscher. Nach vier Semestern in Pisa entschied er sich dazu, in Jena, im Osten Deutschlands, rund 700 Kilometer von Latsch entfernt, zu studieren. In der 110.000-Einwohner-Stadt wurde seine Begeisterung für Informatik und vor allem auch den Bereich der „künstlichen Intelligenz“ immer größer. Insgesamt rund 13 Jahre verbrachte er dort. Dort fand er auch seine große Liebe, seine jetzige Ehefrau Susann. Nach dem Diplom-Studium arbeitete der Latscher für einige Jahre im IT-Bereich eines deutschen Automobilzulieferers. Später ergab sich die Möglichkeit an der Universität zu arbeiten, dort widmete er sich dann auch seiner Doktor-Arbeit. 

KI bei Fahrzeugen 

Seine Forschungsarbeit ließ er sich mittlerweile patentieren. Die Idee: Mit KI bei Fahrzeugen den Verkehr zu regeln. „Im Grunde geht es darum, dass Staus entstehen, wenn viele Autos gleichzeitig über dieselbe Strecke von A nach B fahren“, erklärt Stolcis. Vor allem in Großstädten gebe es aber weit mehr Möglichkeiten von A nach B zu kommen. „Durch einen Algorithmus werden die Fahrzeuge verteilt, auch wenn mehrere das gleiche Ziel haben. Das System erkennt, sobald der Verkehr droht ins Stocken zu geraten und leitet die Fahrzeuge über die verschiedenen Wege, damit sie schnellstmöglich an ihr Ziel kommen und Staus von vorneherein vermieden werden“, so der Informatiker. Ampeln und äußere Umstände könnten miteinberechnet werden. Das System funktioniere dadurch, dass Autos direkt miteinander kommunizieren, weitere Infrastrukturen seien nicht notwendig. „Es geht direkt von Auto zu Auto“, sagt Stolcis. Im besten Falle käme es dabei zu einer Zusammenarbeit verschiedener Autobauer. Momentan befinde sich das Projekt in der Schublade, „es ist aber absolut zukunftsträchtig“, so der 36-Jährige. 

„Nur die Theorie nützt nichts“ 

Ohnehin setzt Stolcis stets auf praktische Anwendungsmöglichkeiten. „Nur die Theorie nützt uns in diesem Bereich nichts“, betont er. Es gelte, praxisrelevante Sachen mit den Datenmengen zu verwirklichen. Erste KI-Algorithmen habe es bereits Anfang des 20. Jahrhunderts gegeben, nun habe man aber auch die Rechenkapazitäten und die notwendigen Datenmengen, um die Vorteile daraus zu ziehen bzw. die Algorithmen entsprechend umzusetzen. Nichts anderes sei „künstliche Intelligenz“. Man dürfe KI nicht so verstehen, dass es hierbei Roboter-Emotionen und dergleichen gebe, präzisiert Christian Stolcis. Aber: Computer und Programme verfügen dank einer KI über die Möglichkeit, selbstständig Lösungen für Probleme zu finden. Vereinfacht erklärt versuche die KI das menschliche Denken auf den Computer zu übertragen. Bei der KI handelt es sich somit um komplexe Algorithmen, die spezielle Fragen beantworten können, deren Lösungswege die „Maschine“ vorher selbstständig erlernt hat.

Mit „künstlicher Intelligenz“ in die Zukunft 

Vor drei Jahren gründete Christian Stolcis gemeinsam mit zwei Freunden aus Deutschland das Unternehmen Netscrapers. Kein Wunder, dass es auch dabei vorwiegend um KI geht. „Unser Motto lautet mit Big Data und KI in die Zukunft“, erklärt der Latscher. Bei „Big Data“ geht es, wie der Name schon sagt, vor allem um große Datenmengen, mit denen in der Informationstechnik (IT) gearbeitet wird. Netscrapers ist dabei auf drei Säulen aufgebaut. Neben der Säule um die KI biete man Beratung rund um die Digitalisierung an sowie klassische Software-Entwicklung wie zum Beispiel Apps. „Es muss nicht immer eine komplizierte KI sein, um einen Prozess zu vereinfachen. Zum Beispiel ist es auch spannend und wichtig, eine App für eine Bäckerei zu entwickeln, wo definiert wird, wie viele Brötchen in einer Filiale gebraucht werden“, erklärt Stolcis. Dies könne man dann mit der KI verbinden und die Möglichkeiten vergrößern. 

Daten sinnvoll verwerten

„Wir hinterlassen bei fast allem was wir tun Daten“, erklärt Stolcis. Diese unendlich vielen Daten gelte es dann durch Algorithmen sinnvoll zu verwerten. Anfangs habe der Latscher mit seiner Firma für verschiedene Onlineshops optimale und individuelle Preise berechnet. Dies sei auch heute noch ein wesentlicher Bestandteil der Tätigkeiten seiner Firma. „Große und komplexe Marktsituationen mit Hilfe künstlicher Intelligenzen analysieren und bewerten“, heißt es etwa auf der Homepage unter netscrapers.com. Man könne es sich so vorstellen, „wie wenn man viele Daten in einen Topf schmeißt, zweimal umrührt und dann ein nützliches Ergebnis bekommt“. Früher musste sich der Mensch dabei sämtliche möglichen Fälle ausdenken und den Berechnungsweg für diese vorbereiten. Die KI sei selbst dazu in der Lage und könne weiter lernen. „Das ist das Faszinierende und dadurch ergeben sich viele Möglichkeiten. Die KI wird sozusagen wie ein kleines Kind trainiert und lernt immer mehr dazu“, sagt der Jungunternehmer. 

Optimale Voraussetzungen in der BASIS 

Zuletzt arbeitete Stolcis vor allem von daheim aus, auch aufgrund der Coronavirus-Krise. „Home-Office“ sei er aber gewohnt, schließlich ist das gesamte Unternehmen „remote strukturiert“. Dies bedeutet, dass man von überall aus arbeiten könne. Mit den beiden Mitinhabern der Firma und zahlreichen Freiberuflern, welche Netscrapers beschäftigt, stehen regelmäßig Videokonferenzen und dergleichen an. Mittlerweile arbeitet der Latscher auch häufig im Innovations- und Gründerzentrum BASIS in der Schlanderser Drusus-Kaserne. „Dort gibt es optimale Voraussetzungen. Es ist grandios und wichtig für den Vinschgau, was Hannes Götsch und sein Team dort auf die Beine gestellt haben“, lobt der 36-Jährige. BASIS sei unter anderem eine Möglichkeit, „Auslandsvinschger“ wieder zurück zu holen. 
Im Vinschgau tue sich zwar einiges, was an solchen Projekten wie BASIS sichtbar werde. Aber: „Gefühlt hinken wir im Vergleich zu Deutschland etwas nach“, so Stolcis. Südtirol insgesamt sei gut aufgestellt, Seitentäler wie der Vinschgau seien aber etwas vernachlässigt – noch. Vor allem in Sachen Digitalisierung von Unternehmen gebe es Nachholbedarf. Aber man sei auf einem guten Weg. Künftig wolle Christian Stolcis einen „Vinschger“ Entwickler-Stammtisch in der BASIS anbieten. Im Herbst soll es zudem einen Digitalisierungs-Workshop für heimische Unternehmer geben. „Es ist wichtig, den Unternehmern die Möglichkeiten zukünftiger Technologien aufzuzeigen und ihnen Ängste und Bedenken zur Digitalisierung zu nehmen“, meint Stolcis. „AI for your Business“ ist somit nicht nur der Leitsatz der Netscrapers sondern soll laut Stolcis in die Tat umgesetzt werden, mit dem Ziel die lokale Wirtschaft zu stärken. 

Michael Andres
Michael Andres

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