Brennpunkt
Wie schaffen wir die Energiewende?
Klimakrise …
Thomas Egger
Eine Wärmepumpe
Der Vorstand der LEEG (v.l.): Albert Platter, Peter Reisinger, Referent Thomas Egger, Präsident Andreas Tappeiner, der technischer Leiter Hugo Trenkwalder, Helmut Horrer, Marco Burgo und Hannes Wallnöfer; (Arnold Rieger und Lothar Agethle, Vorsitzender des Kontrollausschusses, fehlen im Bild).

Klimakrise …

… oder das Wasser steht uns bis zum Hals

Publiziert in 22 / 2022 - Erschienen am 6. Dezember 2022

Laas - Unter dem Titel „Brennpunkt“ versucht die Laaser-Eyrser Energiegenossenschaft LEEG, die Bevölkerung immer wieder mit Informationsveranstaltungen für den Bereich Energie und Klimawandel zu sensibilisieren. Die Chance zur Information im Kulturhaus von Eyrs nutzten jedoch relativ wenige Bürger, obwohl das Thema noch nie so aktuell war wie derzeit. „Im Klima-Abkommen von Paris haben sich alle Staaten der Erde auf das sogenannte 1,5°C Ziel geeinigt. Das heißt, der Temperaturanstieg muss auf deutlich unter +2°C möglichst auf +1,5°C begrenzt werden“, so der Referent Thomas Egger, Präsident des vor 2 Jahren gegründeten Klima Clubs Südtirol. „Doch viele Entscheidungsträger wissen nicht um die Bedeutung der Klimakrise und des Klimawandels“, bedauerte der Referent. 

1,5: die wichtigste Zahl unseres Lebens

Was bedeutet eine Erderwärmung von 1,5 Grad?: „Es wird verstärkt zu großer Trockenheit kommen. Der Meeresspiegel wird bis zum Jahr 2100 um ca. 70 cm steigen, wahrscheinlich auf über 3 Meter insgesamt (bis 2300). Es wird Konflikte um die Ressource Wasser geben. Es wird zu enormen Flüchtlingsbewegungen kommen, denn Teile der Erde werden nicht mehr bewohnbar sein. Eine vermehrte Trinkwasserknappheit auch in Teilen Südtirols und die Zunahme von Waldbränden werden die Folgen sein“, so Thomas Egger. „Die Situation, in der wir uns befinden, ist kein Zufall oder höhere Gewalt. Energiekrise, Energieknappheit, fast vollständige Energieabhängigkeit und enorme Preissteigerungen sind Ergebnis völlig verfehlter Energiepolitik der letzten 20, 30 Jahre! Die Politik hat wider besseren Wissens bewusst auf fossile Energieträger gesetzt!“

Jedes Zehntelgrad ist wichtig!

So wie die Menschheit derzeit lebe, steuere sie auf Kurs 2,8 bis 3 Grad zu! Ein schlimmes Szenario! Schon die mittlere Erderwärmung von 1,5 Grad habe, wie bereits erwähnt, dramatische Folgen. „Wenn einmal die Kippeffekte ausgelöst sind, kann man nichts mehr tun, denn es entwickelt sich eine eigene, sich selbst verstärkende Dynamik“. Die bekanntesten und spürbarsten Kippeffekte sind der Permafrost, das Abschmelzen der Polarkappen und die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes. 

Der Vinschgau steht gut da

Dem Vinschgau sprach Egger ein vergleichsweise gutes Zeugnis aus: im Vinschgau herrscht eine größere Tradition in Querdenken, eine sehr gute lokale und eigenständige Energieversorgung, auch dank der vielen Energiegenossenschaften und vielen Gemeindeverwaltungen, Politiker und Politikerinnen sowie Privatpersonen, die sehr aktiv in dem Bereich tätig seien. Die größten Einflussmöglichkeiten zur Energieeinsparung habe Südtirol in der Änderung des persönlichen Konsumverhaltens jedes Einzelnen, in Einsparmaßnahmen (Sanierungen, Optimierungen, Bauweise, Verkehrsbeschränkungen und anders mehr), im Ausbau des öffentlichen Verkehrs und in der Energiewende, sprich weg von fossilen Energien! Erst dann könne das Ziel der Landesregierung „Klimaneutral bis 2040“ reell werden. 

Sparpotentiale beim Heizen und Lüften

Hugo Trenkwalder, technischer Leiter der Laaser-Eyrser Energiegenossenschaft, zeigte in einer Präsentation die Sparpotenziale beim Heizen und Lüften auf. Das Lüften sei notwendig, da die Raumluft Feuchtigkeit enthält und verbraucht werde. Allerdings müsse beim Lüften darauf geachtet werden, zwar die Luft auszutauschen, jedoch im Winter die Baumasse nicht auszukühlen bzw. im Sommer nicht aufzuheizen. Bei der Heizanlage und Wärmeverteilung empfahl Hugo Trenkwalder eine niedere Erzeugertemperatur und niedere Vorlauftemperaturen, längere Heizzeiten, elektronische Pumpen, eine gute Isolierung der gesamten Heizanlage und freiliegenden Rohrleitungen im Keller sowie einen hydraulischen Abgleich. Abschließend empfahl er, die Heizanlage einmal jährlich von einem Fachmann kontrollieren zu lassen.

„Völlige Abkehr von fossilen Brennstoffen“

der Vinschger: Wie kann Klimaneutralität erreicht werden, und wie könnte Südtirol die Energiewende schaffen?

Thomas Egger: Wir haben uns als Klimaclub Südtirol seit über einem Jahr intensiv damit auseinandergesetzt, wie in Südtirol die Energiewende zu schaffen ist. Unter Energiewende verstehen wir eine völlige Abkehr von fossilen Brennstoffen beim Verkehr, Heizung und Prozesswärme. Der Verzicht auf fossile Energien ist jedoch in nächster Zukunft eine der Grundvoraussetzungen, um Klimaneutralität zu erreichen.

Gelangen wir mit Photovoltaik und Wärmepumpen in die Energiewende?

Die Klimaziele lassen sich nur erreichen, wenn parallel zu den von uns vorgeschlagenen technischen Alternativen zu fossil auch massiv auf ressourcenschonende Maßnahmen gesetzt wird, unter anderem durch energetische Sanierung und Reduzierung des Individualverkehrs. Dies wird in unseren Berechnungen in hohem Maße vorausgesetzt. Der Umbau der bisher noch weitgehend auf fossile Energieträger gestützten Energieversorgung Südtirols auf erneuerbare Energiequellen wird voraussichtlich bis 2030 einen Ausbau der Photovoltaik auf über 1.000 MW notwendig machen, bis 2045 sogar auf 1.800 MW installierte Produktionskapazität. Ein Großteil der Anlagen kann dabei auf oder an privaten und öffentlichen Gebäuden angebracht werden, rund ein Drittel wird voraussichtlich über Agri-Photovoltaik realisierbar sein. 

Wie sieht es mit den Investitionskosten aus?

Die Investitionskosten der Photovoltaik werden sich im Unterschied zu klassischen effizienzsteigernden Maßnahmen in relativ kurzer Zeit amortisieren und somit wirtschaftlich sicherlich den interessantesten Beitrag zur CO2 Emissionsreduzierung bieten. Es herrscht weitgehend Konsens darüber, dass beim derzeitigen Stand der Technik nur die Wärmepumpe gemeinsam mit dem Ausbau von Fernwärmenetzen das Potential hat, Heizungen mit fossilen Brennstoffen weitestgehend zu ersetzen. Wir schätzen, dass derzeit ca. 10% der 80.000 fossilen Anlagen noch mit noch mit Heizöl und 90% mit Gas, vor allem Methan, betrieben werden. Das Kriterium beim Ausbau der Biomassefernwärme sollte unserer Meinung nach zukünftig die langfristige, lokale, nachhaltige Verfügbarkeit von Energiequellen und Energieträgern sein und man sollte nach Möglichkeit diversifizieren und nicht nur 100% auf Holz setzen. Unsere Berechnungen zum Ersatz von fossilen Heizanlagen zielen auf Klimaneutralität im Bereich Gebäudeheizung und -kühlung bis 2045 ab. Aufgrund des sehr hohen Potentials zur Einsparung von CO2 durch diese Maßnahme wäre ein früherer Ausstieg etwa bis 2040 zwar erstrebenswert und enorm wichtig, erscheint uns aber angesichts der sehr hohen Anzahl an fossilen Heizanlagen (ca. 80.000) in Südtirol und der Erfahrungen der letzten 10 Jahre als nicht realistisch.

Ingeborg Rainalter Rechenmacher
Ingeborg Rainalter Rechenmacher

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