Der Kostenhammer naht
Die Kompostieranlage „Talair“ in Schlanders (im Bild) wird nicht zu einem Bezirkskompostwerk erweitert. Die Bezirksverwalter haben sich darauf geeinigt, die organischen Nassabfälle in den Bezirkskläranlagen Obervinschgau und Mittelvinschgau in den Faultürmen zusammen mit dem Klärschlamm für die Herstellung von Biogas zu vergären.

Kostensteigerung mit Bioabfall-Konzept abfedern

Publiziert in 5 / 2011 - Erschienen am 9. Februar 2011
Vinschgau – „Die Müllgebühren bleiben im nächsten Jahr unverändert“. Mit ­solchen Lieblingsbotschaften werden die Vinschger Gemeindeverwalter die Bürger in Zukunft nicht mehr verwöhnen können, denn der Kostenhammer im Abfallsektor kommt immer näher. Und er ist unausweichlich, denn wenn 2013 der neue Verbrennungsofen in Bozen in Betrieb geht, muss der ganze Vinschger Restmüll nach Bozen gekarrt werden. Diese Art der Entsorgung ist - auch wegen der Transportkosten - um rund die Hälfte teuer als das Deponieren in Glurns. Zumindest teil­weise abfedern will die Bezirksgemeinschaft die Kostensteigerung mit der Umsetzung eines neuen Bioabfall-Konzeptes. von Sepp Laner Derzeit ist es noch so, dass rund 50 % der Bioabfälle im Restmüll und somit auf der Restmülldeponie „Söles“ in Glurns landen. Während in Laas, Schlanders, Latsch, ­Kastelbell-Tschars und Schnals die Bioabfälle zum Teil schon seit Jahren mit einem Sammel- bzw. in Laas mit Bringsystem getrennt eingesammelt werden - die derzeitige Menge in diesen Gemeinden beläuft sich auf ca. 1.760 Tonnen im Jahr - verbleiben die Bio- und Grünabfälle im Obervinschgau großteils ungetrennt im Restmüll. Das ist nicht nur ökologisch und umweltmäßig bedenklich, sondern schraubt auch die Gesamtmüllmenge, wie sie derzeit noch Jahr für Jahr in ­Glurns deponiert wird, merklich in die Höhe. Um die Menge des Restmülls, der in Zukunft nach Bozen zu transportieren ist, möglichst zu reduzieren und somit auch die zu erwartende Kostensteigerung einigermaßen auf „erträgliche“ Schienen zu bringen, hat die Bezirksgemeinschaft ein „Konzept zur Optimierung der Bewirtschaftung organischer Ab­fälle im Vinschgau“ in Auftrag gegeben. Erste Zielvorgabe: Den Bioanteil im Restmüll reduzieren und ­einer hochwertigen stofflichen Verwertung zuführen. Zweite Zielvorgabe: Die Verwertung sollte möglichst im Bezirk erfolgen, wobei vorhandene Einrichtungen genutzt werden. Nassabfälle sollen in den Bezirkskläranlagen co-fermentiert werden Im Endbericht des Konzeptes, das die Firma Syneco mit Hilfe von Daten des Landesamtes für Abfallwirtschaft ausgearbeitet hat, werden mehrere Szenarien dargestellt. „Wir haben uns als Bezirksgemeinschaft grundsätzlich darauf geeinigt, die organischen Nassabfälle flächendeckend einzusammeln und in den Bezirkskläranlagen Obervinschgau (Glurns) und Mittelvinschgau (Tschars) in den Faultürmen zusammen mit dem Klärschlamm für die Herstellung von Biogas zu vergären“, sagt Bezirkspräsident Andreas Tappeiner. Das ebenfalls angedachte ­Szenario einer umfangreichen Erweiterung der Kompostieranlage „Talair“ in Schlanders zu einem großen Bezirkskompostwerk sei somit vom Tisch. Dass ein derartiger Ausbau der Anlage kein Thema mehr ist, sei kürzlich mit Gemeindevertretern von Schlanders besprochen und auch vereinbart worden. Tappeiner: „Würden wir ‚Talair’ erweitern und alle Bioabfälle dort verarbeiten, hätte das nicht nur zu Verkehrsproblemen, sondern wohl auch zu Geruchsbelästigungen geführt.“ Damit die Nassabfälle in den Bezirkskläranlagen der Co-Fermentation zugeführt werden können, müssen beide Anlagen adaptiert werden. Es ist vor allem eine zusätzliche Maschinenausstattung notwendig. Für diese Adaptierungen sind Kosten in Höhe von 600.000 bis 800.000 Euro vorgesehen. Bis diese Arbeiten ausgeführt sind, soll „Talair“ zwischenzeitlich als eine Art Puffer dienen. Tappeiner: „Gemeinden im Obervinschgau, speziell Mals, wollen schon 2011 Bioabfälle getrennt sammeln und kompostieren.“ Die Anlage „Talair“ soll für diesen Zweck mit Ausgaben von geschätzten 450.000 Euro qualitativ verbessert werden. Ab dem Zeitpunkt der Co-Fermentation der Nassabfälle sollen in „Talair“ vornehmlich Grünabfälle wie Baum-, Strauch- und Rasenschnitt zu einem hochwertigen Kompost verarbeitet werden. Im Obervinschgau soll der Grün- und Strauchschnitt über das Abfallzentrum Glurns erfasst werden. Grobteile wie Äste und anderweitige Holzabfälle sollen nach entsprechender Aufbereitung und Qualitätsprüfung als Energieholz den Fernheizwerken zugeführt werden. Für die Hackschnitzelbelieferung der Mitglieds-Genossenschaften betreibt das VEK (Vinschgauer Elektrizitätskonsortium) bereits jetzt einen Lagerplatz bei der Bezirksde­ponie in Glurns. Der restliche Grünabfall wie Gras, Zweige mit hohem Grünanteil usw. sollen hingegen nach „Talair“ zur Kompostierung geliefert werden. Müllverbrennung viel teurer als Deponieren Hansjörg Dietrich, der Leiter der Umweltdienste der Bezirksgemeinschaft, schätzt, dass im Falle einer flächendeckenden Einsammlung der Bioabfälle im Vinschgau an die 3.500 Tonnen pro Jahr anfallen werden, also in etwa doppelt so viel wie bisher. Während die Kosten für das Deponieren in Glurns zwischen 55 und 60 Euro pro Tonne betragen, dürften diese Ausgaben bei der Verbrennung auf über 100 Euro pro Tonne steigen, „und zwar ohne Transportkosten“, prognostiziert Dietrich. Sobald das Bioabfall-Konzept zur Gänze umgesetzt ist, dürfte sich die Restmüllmenge natürlich merklich reduzieren. Eine weitere, wenn auch kleine Hemmung der zu erwartenden Abfallkosten erwartet sich Andreas Tappeiner auch in sofern, als dass der vorgeschriebene ­Deckungsgrad bei den Müllgebühren (mindestens 90 % der Kosten müssen mit den Gebühren gedeckt werden) in fast allen Vinschger Gemeinden mittlerweile nahe bei 100 % liegt. Dadurch ergebe sich ein kleiner Spielraum, um die Anhebung der Gebühren für die Bürger zumindest ein Stück weit einzubremsen. Illusionen dürfe man sich aber laut Tappeiner nicht machen: „Die Müllentsorgung wird insgesamt sicher merklich teurer und die Bürger werden dies zu spüren bekommen. Motivation zur Abfalltrennung ist somit ausreichend gegeben.“ Die Co-Fermentierung in den Bezirkskläranlagen, die laut Dietrich gut geführt werden, soll 2012 anlaufen. Spätestens bis Ende 2013 soll alles bereit sein, um den Vinschger Restmüll zur Verbrennung nach Bozen zu „kutschieren.“ Hierfür ist übrigens auch eine Umladestation bei der ­Deponie in Glurns geplant. Restmüllmenge möglichst niedrig halten Die Menge der im Restmüll ver­bleibenden Wertstoffe wie Glas, Metall und Papier oder an Kunststoffen und schädlichen Abfällen fällt im Vinschgau laut Hansjörg Dietrich relativ gering aus: „2009 etwa landeten 90 % der Wertstoffe dort, wo sie hingehören, nämlich in den Glocken und Containern bzw. in den Wertstoff­höfen.“ Insgesamt wurden im Vinschgau im Jahr 2009 rund 16.800 Tonnen Müll gesammelt. Die Recycling-Quote lag bei 46.6 %. Somit wurden aus fast der Hälfte der Abfälle Rohstoffe für neue Produkte hergestellt. Die Restmüllmenge im Vinschgau belief sich 2009 auf 5.151 Tonnen. Im Jahr zuvor waren es um ca. 550 Tonnen weniger gewesen. Was die Entsorgung der Klärschlammrückstände betrifft, so ist die Errichtung einer Verbrennungsanlage in Tramin laut dem Bezirkspräsidenten nicht mehr realistisch. „Auf die Unterlandler Lösung können wir uns nicht verlassen“, so ­Tappeiner. Es werde daher eine neue Lösung ins Auge gefasst, und zwar die Verkohlung des Klärschlamms. Es gebe Methoden, wonach land- und forstwirtschaftliche Abfälle, Gärreste aus Biogasanlagen, Grünschnitt und Klärschlamm verkohlt werden können. Auch aus Klärschlamm könnte Kohle hergestellt werden. Die Umsetzbarkeit dieser innovativen Technologie, insbesondere in der kleinstrukturierten Realität des Vinschgaus, sei aber noch im Detail zu prüfen.
Josef Laner
Josef Laner

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