Geben und Nehmen
Grenzüberschreitender Bäuerinnentag
Die Bäuerinnen aus Südtirol und Graubünden sind natürlich in Tracht zum gemeinsamen Tag erschienen.
Beim Podiumsgespräch (v.l.): Siegfried Rinner, Direktor des Bauernbundes, Anna Bühler vom Plantahof in Graubünden, Moderatorin Judith Bertagnolli, Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer und Alt-Nationalrat Duri Campell aus der Schweiz.
Im Bild (v.l.): Gernot, Gabriel und Bernadette Niederfriniger, Landesbäuerin Antonia Egger, Astrid Derungs-Koller (Präsidentin des Bündner Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes), Bezirksbäuerin Ingeborg Rechenmacher, Gabi Obwegeser, Natalie Kollnig und Ulrich Höllrigl.

Landwirtschaft im Spiegel

Wie die Gesellschaft die Landwirtschaft wahrnimmt und was sich die Landwirtschaft von der Gesellschaft erwartet.

Publiziert in 37-38 / 2021 - Erschienen am 9. November 2021

Schlanders - „Negative Geschichten werden oft und überall erzählt, aber es gibt auch die positive Seite: weit über 90 Prozent der Bauern und Bäuerinnen bearbeiten mit viel Fleiß und Hingabe ihre Höfe, erzeugen gesunde Lebensmittel, erhalten die Kulturlandschaft und erbringen somit Zusatzleistungen, von denen alle profitieren.“ So brachte Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer ihre Überzeugung zum Thema „Landwirtschaft und Gesellschaft - Geben und Nehmen“ auf den Punkt. Die ehemalige Landesbäuerin und amtierende Landesrätin für Raumentwicklung, Landschaft und Denkmalpflege saß am 28. Oktober zusammen mit dem Direktor des Bauernbundes, Siegfried Rinner, dem Alt-Nationalrat und Landwirt Duri Campell aus der Schweiz sowie mit Anna Bühler, Bäuerin und Mitglied der Beratungs- und Bildungskommission Plantahof (CH), auf der Bühne im Kulturhaus in Schlanders. Das Podiumsgespräch war der Höhepunkt des Bäuerinnen- und Landfrauentages Südtirol und Graubünden, zu dem die Südtiroler Landesbäuerin Antonia Egger und Astrid Derungs-Koller, die Präsidentin des Bündner Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes, eingeladen hatten. Der letzte gemeinsame Bäuerinnentag hatte vor 14 Jahren in Tschierv in Graubünden stattgefunden. Beim Podiumsgespräch lockte die Moderatorin Judith Bertagnolli die Gäste zu einer ganzen Reihe von brennenden Themen aus der Reserve. Und zwar zu Themen, die in der öffentlichen Diskussion und Wahrnehmung zwar oft im Fokus stehen, nicht selten aber auch mit Vorurteilen und teilweise auch mit Unwissenheit behaftet sind. Betriebe, die alle gesetzlichen Möglichkeiten ausreizen, ohne wirklich in der Landwirtschaft verwurzelt zu sein, etwa im Bereich Urlaub auf dem Bauernhof, gebe es zwar, „aber die große Mehrheit der Bäuerinnen und Bauern bewirtschaften tagtäglich von früh bis spät ihr Stückchen Erde mit viel Mühe und großer Leidenschaft,“ sagte Hochgruber Kuenzer. „Diese Dinge werden zu wenig erzählt. Gerade die Bäuerinnen können das Bild der Landwirtschaft positiv besetzen“, so die Landesrätin. Bedauerlich sei, dass sich die Diskussion oft nur auf die Kubatur reduziere, „während Themen wie Ernährung oder Kulturlandschaft untergehen.“

Garant für den ländlichen Raum

Für Siegfried Rinner ist die Landwirtschaft der Garant für das Leben des ländlichen Raums: „Landwirtschaft kann global und auch regional.“ Nicht zu verstecken brauche sich die Landwirtschaft, das „grüne Fundament der Wirtschaft“, in punkto Nachhaltigkeit. „Wie erklären Sie den Arbeitern und Angestellten, dass die Bauern keine oder fast keine Steuern zahlen?“ Zu dieser Frage stellte Rinner fest, dass es neben anderen Staaten auch in Italien eine eigene Steuergesetzgebung für den Bereich Landwirtschaft gebe: „Die Landwirtschaft zahlt das, was das Gesetzt vorsieht.“ Nicht zu vergessen sei, „dass zwei Drittel im Nebenerwerb tätig sind und über diese Schiene Steuern abführen.“ 

Bio und Pflanzenschutz

Zum Thema Bio und biologischen Pflanzenschutz meinte Rinner, „dass es ein Unsinn ist, zu glauben, dass die Umstellung auf Bio alle Probleme in der Landwirtschaft löst.“ Er bedauerte, „dass Medien und bestimmte Parteien dieses Thema immer wieder populistisch puschen.“ Es seien teilweise künstlich Gräben aufgeschüttet worden. Nicht verkneifen konnte sich der Bauernbund-Direktor einen Hinweis auf das Bio-Referendum im Trentino, das Ende September an einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung scheiterte. Nur 15,58 Prozent waren zur Wahl gegangen. Erforderlich gewesen wäre eine Beteiligung von 40 Prozent. „Biowaren brauchen auch den Markt“, so Rinner. „Oder sollen Bioäpfel zu konventionellen Preisen abgesetzt werden?“

„In Graubünden ist Bio einfacher“

Duri Campell bestätigte, dass es in punkto Bio-Anbau am Anfang auch in Graubünden große Gräben gegeben habe. Das habe sich mittlerweile gelegt: „62 Prozent der Betriebe in Graubünden sind Biobetriebe, bundesweit sind es fast 15 Prozent.“ Biologisch produzieren sei in Graubünden einfach: „In Höhen bis 2.000 Meter geht es nur biologisch.“ Eine immer größere Bedeutung komme der Regionalität zu. Einen wesentlichen Erfolgsfaktor der Landwirtschaft sieht Campell im Aufbau von noch mehr Vertrauen: „Wir brauchen und dürfen nicht ‚geduckt’ herumlaufen, sondern können erhobenen Hauptes durch die Landschaft gehen. Wir müssen transparenter werden und aufzeigen, was wir für die Gesellschaft leisten und welche Produkte wir erzeugen. Wenn uns das gelingt, dann werden wir auch die Konsumenten hinter uns haben.“ Ein Wort, das Duri Campell partout nicht mag, ist Förderungen: „Wir erhalten nicht Förderungen, sondern Beiträge für Leistungen, die wir erbringen.“ Für Anna Bühler ist es nicht wesentlich, ob ein Betrieb biologisch produziert oder nicht, wichtig sei das Vertrauen. „Wenn ich mein Produkt Menschen zugänglich mache, die es auch schätzen, schafft das Vertrauen, Beziehung und Nähe. Der Konsument sieht, woher es kommt und was dahintersteckt. Das ist wichtig.“

Etliche Spannungsfelder

Zum Thema „Landwirtschaft im Dialog mit der Gesellschaft“ referierte am Nachmittag Ulrich Höllrigl, der Vize-Direktor des Bauernbundes. Eine repräsentative Befragung in Südtirol habe gezeigt, dass fast 90% der Befragten das Ansehen der Bäuerinnen und Bauern als sehr gut bis gut bewerten. Die Gründe dafür sind vielfältig: Erhalt der Kulturlandschaft, regionale Produkte, Pflege der Landschaft usw. Als Spannungsfelder nannte Höllrigl den Klimaschutz, die Artenvielfalt und das Großraubwild. Im Bereich Obstbau stechen die Themen Pflanzenschutz, Monokultur, Landschaftsbild und Bienenschutz hervor, in der Grünlandwirtschaft sind es Tierwohl, Tiertransporte, Gülle und Futterzukauf. Auch über bereits durchgeführte bzw. noch geplante Maßnahmen und Aktionen des Bauernbundes für eine stärkere Kommunikation informierte Höllrigl: „Es geht darum, die Leistungen und die gesellschaftliche Bedeutung der Bauern und Bäuerinnen aufzuzeigen und dadurch noch mehr Nähe zur Bevölkerung herzustellen.“ In diesem Sinn sei jede Bäuerin eine Botschafterin und jeder Bauer ein Botschafter.

„Nüsse knacken - Früchte ernten“

Wie wichtig es ist, dass sich Frauen auch in Politik und Gesellschaft aktiv einbringen, unterstrich die Landwirtin und Gemeinderätin Natalie Kollnig aus Osttirol. Sie absolviert derzeit den mehrmonatigen Kompetenzlehrgang „Nüsse knacken - Früchte ernten“. Der vom Regionsmanagement Osttirol konzipierte und organisierte Lehrgang richtet sich an Frauen aller Altersklassen. Die Teilnehmerinnen erhalten in unterschiedlichen Modulen Ideen, Anregungen und die Werkzeuge zur Persönlichkeitsentwicklung und zum Bilden von Netzwerken. „Es ist immer Zeit, dass sich Frauen miteinander verbinden und sich gegenseitig unterstützen“, sagte Kollnig. Zusätzlich zur Podiumsdiskussion und den Referaten nutzten viele Bäuerinnen aus Südtirol und Graubünden den gemeinsamen Tag auch dazu, sich auszutauschen, einander kennenzulernen und gemeinsame Anliegen zu vertiefen. Einig war man sich darin, dass die Kommunikation und der Dialog zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft weiter auszubauen sind. Das war auch die abschließende Kernbotschaft der Landesbäuerin Antonia Egger. „Vereint in einem großen Netzwerk tun wir uns leichter“, rief sie den Bäuerinnen zu. Auch laut der Präsidentin Astrid Derungs-Koller ist es die Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg, „die uns weiterbringt. Wir haben viele gemeinsame Themen, so zum Beispiel das Großraubwild, wo ein einheitliches Auftreten wichtig ist.“ Aufgelockert wurde das Tagesprogramm mit humoristischen Texteinlagen aus dem „Terra-Raetica-Lond“ von Gabi Obwegeser und mit passender Musik eines Klarinettentrios sowie des Ehepaars Bernadette und Gernot Niederfriniger.

Viele haben mitgeholfen

Einen großen Dank zollte die Landesbäuerin allen, die zum Gelingen des gemeinsamen Tages beitragen haben, ganz besonders der Vinschger Bezirksbäuerin Ingeborg Rechenmacher für die Organisation vor Ort, der Fachschule für Hauswirtschaft und Ernährung Kortsch für die schöne Saalgestaltung, den Brotzeit-Bäuerinnen Monika und Mathilde und der Kulturhaus-Präsidentin Monika Holzner Wunderer für die Gastfreundschaft. Zu den Ehrengästen gehörten u.a. die Schlanderser Landwirtschaftsreferentin Christine Kaaserer, der Bauerbundbezirksobmann Raimund Prugger sowie Vertreter weiterer bäuerlicher Organisationen.

Josef Laner
Josef Laner

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