Leistung der Bauern mehr anerkennen
Publiziert in 4 / 2012 - Erschienen am 1. Februar 2012
Schlanders – Die Steuerschraube der Regierung Monti, die Spezialisierung in der Landwirtschaft, die Einstellung der Gesellschaft den Bauern gegenüber und die Veränderung der Kulturlandschaft. Dies waren die beherrschenden Themen der heurigen Bezirkstagung des Südtiroler Bauernbundes im Kulturhaus in Schlanders.
von Sepp Laner
„Wenn wir jede Schupfe und jeden Heustadel als getrennte Bauparzelle in den Kataster eintragen müssen, und wenn diese landesweit über 30.000 Objekte zudem noch steuerpflichtig werden, ist das ein Schuss, der eindeutig zu weit geht.“ So kommentierte Landesrat Hans Berger die Absicht der Regierung Monti, die Steuerschraube auch in der Landwirtschaft verstärkt anziehen zu wollen. „Wir wollen uns als Landwirtschaft nicht aus der Verantwortung schleichen, aber es darf nicht soweit kommen, dass Bauern daran zugrunde gehen,“ so Berger.
Derzeit lotet eine Arbeitsgruppe unter der Führung von Berger aus, welche Spielräume vorhanden sind, um für die bisher noch nicht erfassten über 30.000 landwirtschaftlichen Gebäude eine Lösung bezüglich der neuen Gebäudesteuer IMU zu erarbeiten.
Auch Bauernbunddirektor Siegfried Rinner sagte, dass die Landwirtschaft bereit ist, ihren Beitrag zu leisten, „wobei aber nicht vergessen werden darf, dass die Steuerbelastung immer in Relation zur Leistungsfähigkeit des Sektors zu sehen ist. Wenn ich weniger erwirtschafte, müsste es doch logisch sein, dass ich nicht gleich viel zahlen muss wie einer, der mehr erwirtschaftet.“
Bezüglich der Hauptwohnungen ist in punkto IMU eine Gleichbehandlung des Bereichs Landwirtschaft mit allen anderen Kategorien vorgesehen. Sicher kommen werde die IMU für Betriebe, die Urlaub auf dem Bauernhof anbieten, „und auch die Genossenschaften werden wieder zahlen müssen, und zwar einen Steuersatz von höchstens 2 Promille,“ so Rinner.
„Städel und Maschinenräume sind von der IMU zu befreien“
Sollten die derzeit laufenden Verhandlungen dazu führen, dass die Hauptwohnungen IMU-befreit werden, „dann gilt das natürlich auch für die Landwirtschaft.“ Auf jeden Fall von der IMU befreit werden sollten Städel und Maschinenräume.
Zumal schon allein die Katastereintragung der Wirtschaftsgebäude mit hohen Kosten verbunden sei - laut Rinner je nach technischen Schwierigkeiten auch mit mehreren 1.000 Euro pro Objekt – müsse versucht werden, die Eintragungen in vereinfachter Form und zeitlich gestaffelt durchzuführen.
Bezüglich IMU sei derzeit noch vieles offen. Fest steht laut Rinner, dass die Gemeinden einen erheblichen Teil der IMU-Einnahmen an den Staat abliefern müssen und dass die Spielräume der Gemeinden somit eng bemessen sind, „auch wenn der Staat aus den Einnahmen, die den Gemeinden aus der IMU für die Landwirtschaft und für die Hauptwohnungen zukommen, nichts für sich verlangt.“ Was der Bauernbunddirektor mehrfach betonte, ist, dass in Zusammenarbeit und im Konsens zwischen Land, Gemeindenverband, Wirtschaftssektoren und anderen Beteiligten landesweit einheitliche Regelungen gefunden werden sollten.
Rinner unterstrich auch, dass die Konsumsteuern die Landwirtschaft in gleichem Ausmaß treffen wie alle anderen. Ein Wachstum müsse trotz allem auch in der Landwirtschaft möglich sein. Es seien neue Wege der Kosteneinsparungen einzuschlagen. So müsste etwa das Maschinenring-Modell auch in der Berglandwirtschaft angekurbelt werden.
„Der Sektor Obstbau verdient
sich mehr Wertschätzung“
Grundsätzlich hielt der Bauernbunddirektor fest: „Die Bauern wollen kein Geld geschenkt. Für die Beiträge, die sie bekommen, leisten sie auch etwas.“ Die Rolle, die der Obstbau in der volks- und betriebswirtschaftlichen Entwicklung einnimmt, werde nicht selten verkannt: „Der Obstbau spielt eine zentrale Rolle für die Wirtschaft in unserem Tal. Der Vinschgau bildet ohnehin bei landesweiten Zählungen in allen wirtschaftlichen Bereichen immer das Schlusslicht.“ Insofern dürfe sich der Obstbau seitens der Bevölkerung eine entsprechende Wertschätzung verdienen: „Hier ist Aufklärungsarbeit gefragt. Die Obstbauern, die ja auch Konsumenten und Investoren sind, brauchen sich nicht zu schämen, Obstbauern zu sein. Im Gegenteil, sie sollen ihre Arbeit und Bedeutung erklären und selbstbewusst auftreten.“
Ein nicht zu unterschätzendes Problem für die Landwirtschaft sieht Rinner auch in der Anhebung der Sozialbeiträge der Bauernversicherten. Die Steigerung soll stufenweise erfolgen. Vor allem bei der Berglandwirtschaft werde das zu starken Belastungen führen, „sodass wir uns auch in diesem Bereich um abfedernde Maßnahmen bemühen müssen.“ Zu schaffen gelte es ein Zusatzrentensystem für Jungbauern. Eine zusätzliche Herausforderung werde in Zukunft der extrem sensible Bereich der Hofübergabe darstellen.
Angst vor der Zukunft braucht die Landwirtschaft laut Rinner nicht zu haben: „In keinem Sektor ist der Zusammenhalt größer. Wir werden auch diesen Monti überstehen.“
Milch- und Obstpreise
waren 2011 stabil
Rückblickend auf 2011 sprach Bauernbundbezirksobmann Andreas Tappeiner von einem Jahr, das von Krise, Instabilität, Sparmaßnahmen und gewissen Unsicherheiten geprägt war. Die Preise in der Milch- und Obstwirtschaft seien stabil geblieben. Dank des besonderen Klimas sei die landwirtschaftliche Vielfalt im Vinschgau besonders ausgeprägt, sie reiche von der Almwirtschaft über die Spezialkulturen bis hin zum Weinanbau. Nicht unerwähnt ließ er den Hagelschlag in Latsch und Umgebung zur Erntezeit. Eine große Chance sieht Tappeiner in der weiteren Spezialisierung: „Die vielen Einzelakteure, die Nischen abdecken, sind eine große Bereicherung.“ Zu begrüßen sei, dass ein Regelwerk für ein Nebeneinander von Obst- und Viehwirtschaft im Obervinschgau erarbeitet wurde, das ab dem Frühjahr 2012 greifen soll. Die VI.P habe mit der einheitlichen Vermarktung eine Vorreiterrolle übernommen. Nun sei sie gefordert, die Entwicklung des Obstbaus im Obervinschgau auf Genossenschaftsbasis zu begleiten.
Der Zu- und Nebenerwerb in der Landwirtschaft bleibe weiterhin wichtig, „die Aufstockungsmöglichkeiten für Betriebe, die Urlaub auf dem Bauernhof anbieten, sind unumgänglich.“ Ein besonderes Augenmerk sei weiterhin auf die Berglandwirtschaft zu legen. Besonders die Leistung der Bergbauern gelte es anzuerkennen. Und Tappeiner wurde noch deutlicher: „Während die Sozialhilfen für Leute, die für die Allgemeinheit nichts leisten, steigen, leben manche Bergbauern, welche die Kulturlandschaft pflegen, nahe am oder gar unter dem Lebensminimum.“
„Speziell die Bergbauern leisten
viel für die Allgemeinheit“
Die Einstellung der Gesellschaft sei insgesamt bedenklich: „Wir werden immer mehr zu einer Nichtgesellschaft, die von Neid geprägt ist, Neues und Veränderungen nicht zulässt und oft nur mehr das Negative sieht.“
Zum Sparpakt von Monti meinte Tappeiner: „Nur die Steuern zu erhöhen ist ein zu schmaler Ansatz. Die Landwirtschaft ist bereit, ihren Beitrag zu leisten, aber gerade bei den Steuern darf man den Bogen nicht überspannen.“
Der Rotwildbestand ist laut dem Bezirksobmann nach wie vor konstant hoch. Die Rotwilddichte sei langfristig bedenklich. Leider geplatzt sei der erste Anlauf für eine selbstständige Verwaltung des Südtiroler Nationalparkanteils: „Es wurden zwar große Neuerungen angekündigt, doch jetzt ist ein zweiter Anlauf notwendig.“ Im Nationalpark halte sich die Rotwilddichte dank der gezielten Entnahmen auf einem erträglichen Niveau.
Spezialisierungen in der Landwirtschaft sind laut Landesrat Hans Berger das Gebot der Stunde: „Früher tat man alles, aber nichts besonders gut; jetzt muss man sich auf möglichst eine Tätigkeit konzentrieren und auf diesem Gebiet zum Spezialisten werden, etwa in der Produktveredelung, mit Dienstleistungen oder mit einer verbesserten Flächennutzung.“ Der Markt, speziell aber auch der Tourismus, biete hier viele Chancen, vor allem wenn auf heimische, authentische Produkte gesetzt wird.
Die Abwanderung
betrifft auch Südtirol
Um die Spezialisierung zu fördern, „streben wir den Aufbau eigener Beratungstätigkeiten an.“ Es gelte, speziell den jungen Bauern neue Orientierungen zu bieten. Berger rief die Landwirte dazu auf, sich außerhalb des Landes umzusehen, „wo nicht selten verödete Flächen und verlassene Dörfer anzutreffen sind.“ In Südtirol sei es Gott sei Dank noch nicht soweit, „aber die Abwanderung betrifft auch Südtirol und es sind die Anfänge, gegen die wir kämpfen müssen.“
Gastreferentin der Bezirkstagung war Ulrike Tappeiner, Leiterin des Instituts für Ökologie an der Universität Innsbruck und des Instituts für Alpine Umwelt an der EURAC. Sie stellte unter dem Motto „Kulturlandschaft in Veränderung“ erste Ergebnisse der auf drei Jahre ausgelegten, grenzüberschreitenden Interreg-IV-Studie namens „KuLaWi“ vor. „KuLaWi“ steht für Kultur.Land.(Wirt)schaft. Der Lebensstil und die Wirtschaftsweise der Menschen haben „das Gesicht der Landschaft“ laut Tappeiner im Laufe der Geschichte verändert. In der Vergangenheit stand nicht die Landschaft als solche, sondern die jeweilige Anpassung der Landschaft an die menschlichen Bedürfnisse im Zentrum des Interesses. Infolge sozialer und wirtschaftlicher Veränderungen hat sich die Landschaft in den vergangenen 150 Jahren stark verändert. Ein anschaulicher Beleg dafür, dass sie sich weiter verändert, „sind die Obstwiesen, die sich in jüngster Vergangenheit im Oberen Vinschgau zusehends ausbreiten.“
Die Kulturlandschaft
hat sich stark verändert
Im Vergleich zu 1860 werden im Oberen Vinschgau heute noch 80% Prozent der ehemaligen landwirtschaftlichen Nutzflächen bewirtschaftet. Im Pustertal sind es nur mehr 52%, im Stubaital 34 und im Nordtiroler Lechtal gar nur mehr 12%. Auch zu einer Ausdehnung der Siedlungen sei es gekommen. Grüne Flächen und Äcker sind verschwunden, Waldgebiete wuchsen. „Dass die Landwirtschaft gerade im Oberen Vinschgau seit 150 Jahren das landschaftsprägende Element geblieben ist, kann vor allem durch die politisch günstigen Rahmenbedingungen erklärt werden,“ so Ulrike Tappeiner. Eine groß angelegte Befragung ergab, dass 90% aller Befragten die Landwirtschaft und ihre Verdienste gerade um den Erhalt der traditionellen Kulturlandschaft schätzen. Dafür wird auch eine Förderung durch die öffentliche Hand als gerechtfertigt empfunden. Im Rahmen der Studie waren im Vorjahr 6.154 Einheimische und Feriengäste befragt worden.
Der Bauernbundobmann Leo Tiefenthaler ging unter anderem auf den Aspekt der Arbeitssicherheit ein. Er lobte die entsprechende Kampagne der Bauernjugend.
Bei der Diskussion wurde beanstandet, dass der Bauerbund den Obstbau im Obervinschgau eindeutig favorisiere. Siegfried Rinner dazu: „Man soll die Leute tun lassen, was sie tun möchten und man soll Entwicklungen nicht verhindern. Was der Obstbau wirtschaftlich gebracht hat, kann jeder selbst sehen und beurteilen. An ideologischen Schattenkämpfen ist uns als Bauernbund nichts gelegen.“ Die Frage, welche Chancen ein weiterer Bio-Anbau birgt, meinte Hans Berger: „Der Bio-Bereich hat noch viele Chancen, es kommt aber darauf an, wie groß die Nachfrage ist.“ Zusammen mit Andreas Tappeiner stimmte er darin überein, dass man Bio-Bauer aus innerer Überzeugung sein muss.
Bezüglich Hagelschutzversicherung hofft Berger, dass die öffentlichen Zuschüsse für die Zahlung der Versicherungsprämien erhalten bleiben. Im Vorjahr hätten die Versicherungen ca. 19 Mio. Euro an Schadensvergütungen im Vinschgau ausbezahlt.
Applaus erntete ein Bauer, der das regelmäßige und teils harte Vorpreschen des HGV-Landeschefs Walter Meister verurteilte. Ein derartiges Verhalten sei für die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Tourismus, die über weite Strecken gut funktioniert, nicht gerade förderlich.
Zur Feststellung, dass es nicht leicht ist, Nischenprodukte im Umfeld des Genossenschaftswesens zu platzieren, meinte Berger: „Wenn es in den Köpfen passt, geht alles gut.“
Zur gut besuchten Bezirkstagung hatten sich neben Vertretern aller bäuerlichen Organisationen und weiterer Wirtschaftssparten auch Landespolitiker eingefunden (Rosa Zelger Thaler, Richard Theiner, Sepp Noggler und Arnold Schuler) sowie mehrere Bürgermeister.

Josef Laner