Energie: „Machen wir nicht alles zur Sau!“
Bürgermeister Georg Altstätter, Landeshauptmann Luis Durnwalder und SVP-Ortsobmann Roland Gluderer (von links).

Luis Durnwalder über SEL, Marmor und Verkehr

Publiziert in 43 / 2011 - Erschienen am 30. November 2011
„Die SEL selber ist zu 100 Prozent sauber. Sie gehört nicht dem Rainer, dem Stocker, dem Laimer oder dem Durnwalder, sie gehört uns allen. Ich kann nicht verstehen, warum jetzt von bestimmten Kreisen versucht wird, die SEL zur Sau zu machen. Wir werden weitermachen, auch wenn die Grünen und andere Oppositionsparteien versuchen, den meiner Meinung nach größten Erfolg der Nach-Paket-Zeit schlecht zu ­machen.“ Offen und kämpferisch nahm Landeshauptmann Luis Durnwalder am 24. November in Martell zum Thema SEL-Skandal Stellung. „Der Vinschger“ hakte nach. „Der Vinschger“: Herr Landeshauptmann, schadet der SEL-Skandal nicht auch Ihrer Partei? Luis Durnwalder: Es schadet insgesamt der Partei, weil es bei uns immer so ist, dass die Oppositionsparteien, wenn irgendetwas ist, immer uns als Regierungspartei mit hineinziehen, obwohl das mit der Regierung direkt nichts zu tun hat. Es ist von der Regierung nicht irgendwie spekuliert oder irgendwo anders investiert worden, sondern von einzelnen Leuten. Man sollte also diese Leute heranziehen, die eventuell etwas getan haben, und das Ganze nicht automatisch auf die Regierung und unsere Partei übertragen. Hatten die Vinschger nicht Recht, als sie schon vor Jahren forderten, dass die Gemeinden verstärkt an der Wasserkraft­nutzung zu beteiligen sind? Luis Durnwalder: Nein, es wird jetzt sicher keine Umverteilung geben. Es ist letzten Endes immer so, dass das Geld, das wir auf Landesebene haben, auch für die Gemeinden ausgegeben wird. Je mehr Einnahmen wir auf Landesebene haben, desto mehr bekommen auch die Gemeinden. Die Einnahmen sollten allen Bürgern zu Gute kommen und nicht nur jenen Gemeinden, die zufällig an einem Fluss gelegen sind. Den Südtiroler Gemeinden fließen in 30 Jahren 400 Millionen Euro an Umweltgeldern zu, außerdem bekommen sie in Form des ­Wasserzinses jährlich 20% des Gewinnes aus der Stromproduktion, also rund 11 Millionen Euro. Hätten Sie etwas dagegen, dass der frühere Grauner Bürgermeister Albrecht Plangger neuer SEL-Präsident wird? Luis Durnwalder: Albrecht Plangger wird sicher nicht SEL-Präsident. Ich bin der Meinung, dass eine total außenstehende Persönlichkeit mit Erfahrung in diesem Bereich Präsident werden soll, also eine Person, die mit der SEL bisher nicht im Streit lag oder irgendwie im positiven Sinn mit ihr zu tun hatte. Plangger ist ein guter Mann, aber in diesem Fall nicht die geeignete objektive Persönlichkeit. * Wird die SEL an ihrer bisherigen Linie, immer und überall mitmischen zu wollen, wenn ein Bach hydroelektrisch genutzt werden soll, weiterhin festhalten? Luis Durnwalder: Ich habe so das Gefühl, dass manche Leute die SEL immer noch nicht richtig einschätzen. Die SEL sind wir alle. Wenn Energie produziert wird, sollen nicht Private oder Gemeinden profitieren, sondern alle Südtirolerinnen und Südtiroler. Ich bin außerdem dagegen, dass man jedes Bächlein für die Stromproduktion nutzt. Wie sehr trifft Sie der SEL-Skandal persönlich? Schon allein die Tatsache, dass Sie beim Staatsanwalt waren, hat aufhorchen lassen. Viele Leute sagen: „Dass sich der Durnwalder hat etwas zu Schulden kommen lassen, glaube ich nicht, aber gewusst hat er von diesen Sachen sicher etwas.“ Luis Durnwalder: Das ist von gewissen Leuten und Medien so vermittelt worden. Erstens habe ich selbst beim Staatsanwalt nachgefragt, um angehört zu werden. Der Staatsanwalt wollte wissen, wie diese ganzen Sachen in der Praxis ablaufen. Es hat gewisse Leute gegeben, die mich da mit Gewalt irgendwo hineinziehen wollten, aber das wird niemandem gelingen, weil ich wirklich weder etwas gewusst habe oder irgendwo beteiligt bin. Wenn ich sage, nicht gewusst habe, dann deshalb, weil ich das auch aus der Zeitung erfahren habe, und wenn jemand meint, deswegen, weil ich ein Promemoria in die Abteilung schicke, damit ich eine Antwort bekomme, ...ja, das tue ich am Tag 50 Mal, ...denn sonst brauche ich mit niemandem mehr reden in unserem Land. Jeder Mensch hat ein Recht auf Antworten. Sollte Landesrat Michl Laimer nach all den Vorkommnissen nicht zur politischen Verantwortung stehen und seinen Hut nehmen? Luis Durnwalder: Nein, er braucht nicht zurück zu treten. Ich bin überzeugt, dass strafrechtlich alle Leute, die jetzt ausgetauscht werden, sich wahrscheinlich nichts haben zu Schulden kommen lassen. Das wird der Staatsanwalt klären. Stimmt es, dass Sie den Parteiobmann ­Richard Theiner ziemlich schroff angingen, als er im SEL-Skandal auf Transparenz und Aufklärung pochte? Luis Durnwalder: Nein, ganz bestimmt nicht. Theiner wird jetzt ein bisschen als Saubermann hingestellt. Es haben alle gewollt, dass aufgeklärt wird. Es stimmt, dass wir diskutiert haben, nicht aber in der ­Sitzung der Fraktion, sondern im Landtag, aber nicht so, dass ich Theiner angegriffen hätte, oder so - wie es dann herauskam -, dass Theiner der Saubermann wäre und wir die Schmutzlinge. Wir alle haben Aufklärung verlangt. Der Theiner hat es verlangt und wir auch. Vom „heißen“ Thema Energie zum „harten“ Thema Marmor: Die Göflaner und Schlanderser sind nicht gerade glücklich, dass der Stein aus Göflan über die Schrägbahn in Laas zu Tal gekarrt werden soll. Sie sagen, das sei zu teuer und außerdem müsste der Marmor per LKW rund 8 Kilometer durch Nationalparkgebiet transportiert und dann noch über die Staatsstraße zur Verarbeitung nach Schlanders gebracht werden. Wäre es nicht logischer, den Göflaner Marmor weiterhin über die Forststraße in Göflan zu Tal zu bringen? Luis Durnwalder: Vor drei Stunden habe ich diesbezüglich eine Aussprache gehabt. Es waren zwei Marmorbruchvertreter aus Laas bei mir. Ich habe ihnen noch einmal geraten, mit den Betreibern des Göflaner Bruchs zu reden. Die Vertreter aus Laas sagten, dass die Verhandlungen an einem guten Punkt seien. Ich bestehe auf eine gemeinsame Transportstruktur. Die Forststraße wird in Zukunft nicht mehr zur Verfügung stehen. Auf der anderen Seite darf dies aber von der Laaser Seite nicht ausgenutzt werden, etwa in der Form, dass man Dinge verlangt, die nicht gerechtfertigt sind. Man muss hier einen vernünftigen Kompromiss schließen. In beiden Betrieben sitzen intelligente Leute und ich glaube, dass der Marmor zu wertvoll ist, um damit Politik zu betreiben. Die Betriebe sollten die gleichen Abtransportwege verwenden und den Marmor nach Möglichkeit in Laas verarbeiten. Aber wenn man das nicht hinkriegt, sollte man wenigstens nicht zwei Transportwege schaffen. Wie steht es um den Bau von Umfahrungen im Vinschgau? Kommt es am Ende so, dass die Umfahrung des Ortsteils Forst zuerst gebaut wird und erst dass die Umfahrung Kastelbell/Galsaun? Luis Durnwalder: Es geht nicht darum, was zuerst kommt und was später. Es braucht das eine wie das andere. Wenn die Spezialbierbauerei Forst schon gewillt zu sein scheint, mitzuzahlen, sollten wir uns das nicht entgehen lassen und entsprechend rasch handeln. In der Form, wie es derzeit vorliegt, ist das Umfahrungsprojekt Forst allerdings nicht finanzierbar. Die verkehrsgeplagten Tartscher haben neulich große Protesttransparente angebracht. Was sagen Sie den Tartschern? Luis Durnwalder: Kürzlich habe ich ganz ein anderes Projekt vorgestellt bekommen. Es sieht eine großräumigere Umfahrung vor, wobei auch Schluderns und andere Gemeinden umfahren werden könnten. Dieses Projekt würde außerdem weniger kosten. Wir müssen nun schauen, ob es auch einen Konsens hierfür gibt. Interview: Sepp Laner * Die Landesregierung hat am Montag ­Wolfram Sparber als neuen SEL-Präsidenten designiert. Marteller Konzession: „Einigung sehr nah“ Martell - In punkto Marteller Stauseekonzession steht eine Einigung unmittelbar bevor. Dies bestätigten sowohl Landeshauptmann Luis Durnwalder als auch Bürgermeister Georg Altstätter bei der gut besuchten Informationsversammlung im Bürgerhaus in Martell. Der Rekurs des Vinschgauer Elektrizitätskonsortiums (VEK) gegen die Vergabe der Konzession an die Hydros, an der die SEL mit 60% beteiligt ist und die Edison mit 40%, war am Tag zuvor vertagt worden. „Eine Einigung ist so gut da, es müssen nur noch die SEL und die Edison ihr Plazet abgeben“, so Altstätter. Der Bürgermeister sprach sich auch dafür, dass das Land sich bemühen soll, die restlichen 40%-Anteile, welche die Edison derzeit noch an Südtiroler Kraftwerken hält, ebenfalls heimzuholen. „Es ist ein Blödsinn, jetzt alles so schlecht zu reden,“ so Altstätter wörtlich. Zur Marteller Konzession meinte Durnwalder, „dass Martell jährlich zwischen 400.000 und 500.000 Euro bekommen wird. Ist das denn nichts? ­Außerdem ist Martell - wie andere Gemeinden auch - an anderweitigen Einkünften aus der Energieproduktion beteiligt, etwa was die Umweltgelder betrifft oder den Wasserzins.“ Die Verhandlungen mit der Edison zur Übernahme der restlichen Anteile würden weitergeführt, „denn wenn es nicht wir tun, tun es eben andere“, so Durnwalder. Er verteidigte vehement die Energiepolitik des Landes und die Landesenergiegesellschaft SEL (siehe auch Interview). Es wäre zwar möglich gewesen, schon früher alle ENEL- und Edison-Anteile zu kaufen, „aber wir hätten dann viel mehr zahlen müssen. Und dabei wird uns jetzt vorgeworfen, bereits bisher zuviel gezahlt zu haben,“ so Durnwalder, der sämtliche Vorwürfe in diesem Zusammenhang zurückwies. Neuer Anlauf beim Nationalpark Neu zu verhandeln sei die Übertragung der Verwaltung des Südtiroler Nationalpark­anteils an das Land. Staatspräsident Giorgio Napolitano habe ein Einvernehmen zwischen den Provinzen Trient und Südtirol und der Region Lombardei verlangt, zu dem es allerdings nicht kam. Nun werde man den Parkrat und auch den Südtiroler Führungsausschuss neu bestellen müssen. Was die Saisonsarbeiter betrifft, „so wird diese auch im nächsten Jahr das Land übernehmen.“ Durnwalder glaubt, dass es schwer werden wird, mit der technischen Regierung von Mario Monti in kurzer Zeit zu einer Lösung der Nationalpark-Angelegenheit zu kommen, „auch wenn wir das Problem sofort aufs Tapet bringen werden.“ Der Regierung Monti traut der Landeshauptmann übrigens zu, dem „kranken Staat Italien die richtige Medizin verabreichen zu können.“ Auch in Südtirol werden Opfer zu erbringen sein: „Es könnte beispielsweise wieder die ICI auf Erstwohnungen eingeführt werden, eine weitere Erhöhung der Mehrwertsteuer und eine Steuer für größere Vermögen.“ Südtirol gehöre im staatsweiten Vergleich zwar der 1. Klasse an, „aber wenn der Dampfer untergeht, gehen alle Klassen unter.“ Durnwalder erinnerte auch an familien- und wirtschaftsfördernde Maßnahmen, welche die Landesregierung unlängst beschlossen hat. Zum Stichwort Vollautonomie meinte er: „Das ist das, was wir eigentlich immer schon verlangt haben. Wir wollen weiterhin zusätzliche Zuständigkeiten, auch wenn diese teilweise kosten. Ich denke etwa an die Postverteilung, an die Kontrollorgane oder an den Sektor der RAI, bei dem wir bereits auf einem guten Punkt sind.“ Bezüglich Kontrollen sollte es mehr Gerechtigkeit geben: „Es gibt in vielen Dörfern Personen, die mit dicken Autos umher fahren, protzen und die Großen spielen, und dabei Null Steuern zahlen.“ Ohne finanzielle Anreize geht nichts Martell gehört zu jenen 13 Gemeinden, die wirklich abwanderungsgefährdet sind. Dramatisch sei die Lage derzeit zwar noch nicht, „doch wenn wir jetzt nichts tun, wird es in Zukunft viel viel schwieriger werden,“ so der Landeshauptmann. Im Frühjahr 2012 werden Fachleute die Lage vor Ort erheben und daraus mögliche Maßnahmen und Vorschläge ableiten. Durnwalder: „Die Bevölkerungszahl geht zurück. Einfach Leute herschicken können wir nicht, wohl aber können wir finanzielle Anreize schaffen, im Tourismus zum Beispiel, in der Landwirtschaft oder auch für die Ansiedlung von Betrieben mit Arbeitsplätzen von möglichst hoher Qualität.“ Es gelte, die Lebensqualität zu halten, „denn wirklich abwärts geht es dann, wenn die Post verschwindet, das Geschäft dicht macht, die Internet-Verbindung schlecht ist, die Schule schließt und die ­letzte Bar zusperrt.“ Der neue Marteller SVP-Ortsobmann Roland Gluderer informierte unter anderem über das Zukunftsprojekt „Martell 2020“ und die Zukunftsforen dazu, die zum Teil bereits stattgefunden haben. Die Projektergebnisse sollen in das zu erwartende Maßnahmenbündel gegen die Abwanderung einfließen. Bei der Diskussion wurde angeregt, dass auch in Martell eine bestimmte Anzahl von Mittelstandwohnungen vorgesehen werden sollte. Besonders junge Menschen haben in Martell Probleme, zu erschwinglichen Preisen zu Wohnungen zu kommen. „Bär und Wolf brauchen wir nicht“ Von den „Zuwanderern“ Bär und Wolf wollen die Marteller übrigens nichts wissen. Auch der Landeshauptmann ist der Meinung, „dass diese Tiere hier nichts verloren haben.“ Man sei mit den Verantwortlichen im Trentino in Verhandlung, damit die Zahl der Bären nicht noch größer wird.“ Schlimmer als die Bären werte er das Auftreten von Wölfen.
Josef Laner
Josef Laner

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