Manfred Fuchs – der Vinschger im Weltraum
Publiziert in 9 / 2007 - Erschienen am 14. März 2007
Latsch/Bremen – Vor 17 Jahren hat die Neue Latscher Zeitung Manfred Fuchs als „Senkrechtstarter“ aufs Titelblatt gehievt und ihn der Dorfgemeinschaft zum ersten Mal als erfolgreichen Unternehmer, wörtlich als „Raketenbauer“ vorgestellt. Vor vier Jahren hat dann die Wirtschaftszeitung „Wiku“ den gebürtigen Latscher als „Vinschger Talent“ enteckt und „Raumfahrtprofessor“ genannt, der in Bremen lebt, manchmal in Latsch wohnt, aber immer häufiger den neuen Familienansitz in Altenburg bei Kaltern genießt. Inzwischen sind Christa und Manfred Fuchs und Sohn Marco für viele Südtiroler Medien begehrte Interviewpartner geworden, weil sich „das Land“ für ein besonderes Geschäftsfeld ihrer Firma, der „OHB-System“, interessiert. Dabei geht es um Umwelt-, besser um Klima- und Wetterbeobachtungen per Satellit. Nur wenige Monate vor diesem Treffen war dem Raumfahrttechniker Manfred Fuchs die erste „Laurea ad honorem in ingegneria spaziale“ des Polytechnikums in Mailand verliehen worden.
„Der Bua vom Fuchsn Medl“
Hoch über den Dächern seines Heimatdorfes gibt sich Manfred Fuchs locker und ungezwungen. Für die Einheimischen ist er der Sohn des „Fuchsn Medl“, des Transportunternehmers Romed Fuchs aus Latsch, und damit ein Enkel des legendären Unternehmers Josef Fuchs, der das Sägewerk Fuchs aufbaute und als erster Vinschger einen Lastwagen besaß. Geboren ist Manfred am 25. Juli 1938. Nach der Grundschule hat er in Bozen drei Jahre lang die Gewerbevorbereitungsschule besucht, danach die Fachschule für Maschinenbau, die Gewerbeoberschule. In seinen Träumen sah er sich schon als Flugzeugbesitzer. Mit 16 gewann er ein Preisausschreiben des Aero Clubs Italia. Mit 17 wurde er der jüngste Pilot Italiens. Mama Paula wollte davon aber nichts wissen; sie wollte den Sohn ordentlich studieren sehen. Bereits mit 21 schaffte er seinen Ingenieur-Titel; der Latscher war jüngster Ingenieur Deutschlands. In Hamburg lernte er schließlich seine Frau Christa kennen. Er war dabei, als man 1957 in Deutschland wieder mit dem Flugzeugbau begann. Manfred schämte sich immer, sein Alter anzugeben; er befand sich unter Ingenieuren, die zum Teil aus der Gefangenschaft zurückgekehrt waren.
Die Familie Fuchs in Hamburg hatte sich inzwischen erweitert, Sohn Marco war geboren worden. 1959 begegnete Christa Fuchs Manfreds Cousine Romana in Latsch und nannte ihre Tochter danach. Acht Jahre lang war Manfred auch auf politischem Parkett als CDU-Senator in Bremen unterwegs.
„Dinosaurier der Raumfahrt“
Auf dem jungen Ingenieur lastete damals, vor nunmehr 50 Jahren, ungeheure Verantwortung. Der erste große Erfolg war die Konstruktion der „Transall“, die 1963/64 zum ersten Mal abhob und die als Transportflugzeug der Bundeswehr noch immer in Betrieb ist. Derzeit wird sie durch den Airbus A400 ersetzt. Seit 1960 wurde an der „Transall“ geplant und gebaut. Manfred Fuchs war für den Autopiloten und für die Auslegung der Ruder zuständig. Die Karrierestationen des Manfred Fuchs entsprechen in etwa der deutschen Geschichte des Flugzeugbaus nach dem zweiten Weltkrieg, aber auch die der deutschen Raumfahrttechnik. Lachend bezeichnet er sich heute als „Dinosaurier der Raumfahrt“.
Anfang der 70er Jahre kam das Angebot der Amerikaner, beim Bau des „Spacelab im Shuttle“ zu kooperieren. Deutschland war ja einer der größten Zahler bei der Durchführung von Experimenten rund um die Schwerelosigkeit. Er und seine Firma hätten den Auftrag vor weiteren drei Mitbewerbern bekommen, weil sie ein modulares Konzept vorgeschlagen hatten. Damit habe in Bremen die benannte Raumfahrt Einzug gehalten. Bereits 1961, bei der Gründung der ersten deutschen Raumfahrtsfirma „ERNO“, habe er sich mit dem Gedanken getragen, unternehmerisch im Sektor tätig zu werden. 20 Jahre später – beide Kinder studierten inzwischen Rechtswissenschaften – konnte seine Frau, gelernte Kauffrau, den Fünf-Mann-Betrieb „Otto Hydraulik Bremen“ (OHB) zu 100% übernehmen. Die Firma war im Elektronik-Bereich für die Bundeswehr tätig. 1985 ist auch Manfred in die Firma eingestiegen.
„Angestellter meiner Frau“
„Ich bin von meiner Frau angestellt worden“, erzählte er vergnügt. Von den fünf Mitarbeitern seien immerhin noch zwei dabei. Heute nennt sich die Firma, die allein in Bremen an die 1.000 Mitarbeiter beschäftigt, „OHB-System AG“ und operiert weltweit; OHB steht heute für „Orbitale Hochtechnologie Bremen“. Auf der Hochzeitsreise zur „Silbernen“ nach Agadir in Marokko habe er sich damals entschieden. Damals, ergänzt Manfred schmunzelnd, habe es geheißen, der Fuchs, der spinnt. Der lässt eine sichere Karriere sausen und verfolge den unsicheren Traum der Selbstständigkeit. 1994 kreiste bereits der erste Kleinsatellit „Made by OHB“ im Weltall. Heute ist OHB deutscher Marktführer auf dem Sektor Kleinsatelliten. Die bemannte Raumfahrt ist neben Telematik, Satellitenbetrieb und Sicherheit eines der wichtigsten Geschäftsfelder der OHB-System. Selbst die Kosmonauten der russischen MIR arbeiteten mit OHB-Technologien. Die OHB-System ist am derzeit größten internationalen Weltraumprojekt, der Raumstation ISS, mit zahlreichen Aufträgen beteiligt. Im Hinblick auf die kommerzielle Nutzung der Raumtransportsysteme engagiert sich das Unternehmen besonders in der Entwicklung eines eigenständigen, europäischen Shuttle-Systems. Die Fuchs-Gruppe ist an der COSMOS-Satellitenstart GmbH beteiligt und hat dadurch direkten Zugang zu den Startbasen der wohl erfolgreichsten Zwei-Stufen-Rakete der Welt, der russischen COSMOS. Inzwischen habe die OHB auch ein bedeutendes Standbein in Italien. „Seit 1996 gehört uns das zweitgrößte Raumfahrtunternehmen Italiens, die Carlo Gavazzi-Space GmbH in Mailand, mit 200 Mitarbeitern“, erwähnte Manfred so nebenbei. „Eigentlich hatten wir bereits seit zehn Jahren eine Niederlassung hier bei uns in der Latscher Wohnung, die OHB-Italia, ganz unauffällig, nicht?“ Ein gut gelaunter Manfred Fuchs beliebte zu scherzen. Immer wenn die Rakete eine blaue Nase habe, sei die Fuchs-Gruppe mit von der Partie.
In den Alpen angekommen
Derzeit interessiert sich – wie schon erwähnt - das Land Südtirol für ein weiteres Geschäftsfeld der OHB-System, der Umwelt-, Klima- bzw. Wetterbeobachtung per Satellit. Sepp Rinner als Freund der Familie hatte ein Treffen mit Vertretern der zuständigen Landesämter organisiert. „So könnte man den Wasserhaushalt in den Alpen und die Luftverschmutzung unter Kontrolle halten“, merkte Fuchs an.
Inzwischen war auch Christa Fuchs in die Küche hoch über den Dächern von Latsch gekommen. Damit das Schmunzeln nicht abriss, meinte Manfred: „Sie ist die Aufsichtsratsvorsitzende, sie kann uns alle mit zwei Zeilen entlassen.“ Mit uns meinte er sich, seinen Sohn Marco als Vorstandsvorsitzenden und seine Tochter Romana als Vorstandsmitglied. Bis 75 möchte er arbeiten, wie die Kardinäle, aber nicht lebenslänglich wie der Papst. In einem Interview für die Zeitschrift „RC“, Raumfahrt Concret, hat sich Manfred Fuchs auch über das eigene „Mondprogramm Mona Lisa“ geäußert. „Wir wollen nicht zuschauen, wenn das Helium vom Mond unsere Energieversorgung revolutioniert.“ „Schade, dass wir schon so alt sind“, bedauerte Christa Fuchs. Das Ehepaar begann eine lebhafte Diskussion über die Weltraumpläne von George Bush, über die Energiegewinnung, über eigene Reisepläne und Träume. Manfred möchte der Mann hinterm Mond sein, um in den Weltraum zu blicken, Christa träumt von einer Farm in Namibia. Christa und Manfred Fuchs genießen fast jeden Sommer einige Tage in ihrer Blockhütte am Stausee in Hintermartell. Daher war es Ehrensache, als Sponsoren mitzuhelfen, dass die Marteller ihren Biathlon-Weltmeisterschafts-Traum erfolgreich zu Ende träumen konnten.
Fuchs und seine OHB klären auf
Die aktuellste Erfolgsmeldung zum Lebenswerk des Manfred Fuchs aus Latsch kam am 19. Dezember 2006 vom „Kosmodrom“ Plesetzk in der russischen Provinz Archangalskaja Oblast. Dort wurde der erste von insgesamt fünf SAR-Lupe Aufklärungssatelliten für die Bundeswehr mit einer COSMOS 3M-Rakete erfolgreich gestartet. Der Satellit wurde vom Bremer Raumfahrtunternehmen OHB-System AG entwickelt und gebaut. SAR-Lupe besteht aus fünf weitgehend gleichen Radar-Aufklärungs-Satelliten, die in Abständen von sechs Monaten gestartet werden sollen. Durch die intelligente Kombination vorhandener Technologien kann SAR-Lupe rund um die Uhr unabhängig von Wetterbedingungen arbeiten. Dabei werden zeitnah hoch auflösende Radarbilder aus nahezu allen Teilen der Welt geliefert. Dazu wird SAR-Lupe die Erde in einer Höhe von etwa 500 Kilometern umkreisen.
Günther Schöpf