„Mit Musik geht alles besser …
… auch die Politik.“ Verena Tröger kündigt breit angelegten Bürgerbeteiligungsprozess an.
Laas - Die Zeiten haben sich geändert! Was noch vor einem Jahrzehnt undenkbar gewesen wäre, ist im Marmordorf Laas Realität geworden. Erstmals in der Laaser Gemeindegeschichte ist eine Frau Bürgermeisterin geworden und hat sich zudem eine Frau als Stellvertreterin an ihre Seite geholt! Wie die junge Bürgermeisterin Verena Tröger mit den Reaktionen aus der Bevölkerung, mit der Opposition und dem Corona-Virus zurechtkommt, hat sie der Bezirkszeitung der Vinschger in einem Interview erzählt.
der Vinschger: Frau Verena Tröger, Sie sind jetzt seit knapp 100 Tagen als Bürgermeisterin von Laas im Amt. Haben Sie sich schon voll eingearbeitet?
Verena Tröger: Die ersten zwei Monate waren sehr turbulent und ereignisreich. Das Tagesgeschäft muss weitergehen und die operativen Themen der vorhergehenden Regierungsperiode sind aufzuarbeiten. Dazu kommt, dass die aktuelle Covid-Situation sehr anspruchsvoll ist, uns alle in Beschlag nimmt und fordert. Bei all dem darf die strategische Planung für die Zukunft nicht zu kurz kommen. So kann ich sagen, dass ich eigentlich schon mitten drin bin.
Sie sind neben ihrer Amtskollegin Roselinde Gunsch Koch aus Taufers im Münstertal die zweite Frau, die einer Gemeinde im Vinschgau als Bürgermeisterin vorsteht. Gab es aufgrund dieser Tatsache bisher irgendwelche negativen oder positiven Reaktionen aus der Bevölkerung?
Es gab einige positive Reaktionen aus der Bevölkerung, die mich natürlich sehr freuen. Ich bedanke mich bei dieser Gelegenheit auch nochmals für das Vertrauen, das mir durch die Wahl zur Bürgermeisterin geschenkt wurde. Die positiven Reaktionen werden einem direkt zugetragen, die negativen hört man manchmal nur über Umwege. Die Bevölkerung braucht natürlich Zeit, Neuerungen anzunehmen. Aber dieser Prozess ist sehr lehrreich und spannend.
Mit Franziska Riedl als Vizebürgermeisterin ist die Gemeinde Laas wohl die einzige im Land, die von gleich zwei Frauen in führender Position verwaltet wird. Elfi Kirmaier ist zudem Referentin. Damit setzt sich der Ausschuss aus drei Frauen und aus den drei Männern Johann Thurner, Julius Schönthaler und Arnold Rieger zusammen. Halten Sie das für ein Musterbeispiel einer gleichwertigen Vertretung beider Geschlechter?
Ja absolut. Mir ging es bei der Zusammensetzung des Ausschusses allerdings nicht nur um den Geschlechteraspekt, sondern auch darum, dass die verschiedenen Altersgruppen, die unterschiedlichen Fähigkeiten und die verschiedenen Arbeits- und Lebensbereiche, in denen sich die Ausschussmitglieder bewegen, einen starken Mehrwert für unsere gemeinsame Arbeit im Ausschuss erzeugen. Dass mir dies gelungen ist, das merke ich bereits nach diesen gut zwei Monaten, die wir jetzt im Amt sind.
Wäre es nicht besser gewesen, auch die Bürgerliste Laas, die im 18-köpfigen Gemeinderat immerhin 6 Ratsmitglieder stellt, in den Ausschuss zu holen?
Diese Entscheidung hat mich stark beschäftigt, zumal ich die verschiedenen Personen, die von der Bürgerliste in den Gemeinderat gewählt wurden, sehr schätze. Grundsätzlich bin ich der politischen Überzeugung, dass eine konstruktive Opposition eine wichtige Rolle einnimmt, durch den Blick von außen die Prozesse stark mitgestalten kann und den Entscheidern die Chance bietet, mehrere Blickwinkel zu berücksichtigen.
Müssen sich die SVP und speziell Sie als Bürgermeisterin jetzt auf eine harte Opposition einstellen?
Ich denke, das hängt stark von meinem Führungsstil und der Haltung der Ausschussmitglieder ab. Wir sind nicht nur bereit dazu, uns mit der Vielfalt von Meinungen auseinanderzusetzen, sondern verstehen es als unseren Auftrag, dies zu tun. Wir sind davon überzeugt, dass ein kritischer Blick auf die Dinge nicht gefährlich ist, sondern eine Chance dafür, dass wir die Entscheidungen in unserer Arbeit wohlüberlegt und gewissenhaft treffen.
Wie schwer wiegt das „Erbe“, das Sie von Ihrem Vorgänger Andreas Tappeiner übernommen haben?
Andreas Tappeiner war mehr als 17 Jahre im Amt und hat die Gemeinde stark geprägt. Die Fußstapfen, die er hinterlassen hat, sind groß. Ich durfte über 17 Jahre mit ihm zusammenarbeiten, war in einige Prozessen mit eingebunden und konnte von ihm lernen.
Können Sie die Erfahrungen, die Sie als Referentin gesammelt haben, auch in Ihrer Funktion als Bürgermeisterin einbringen?
Natürlich hilft mir meine langjährige Erfahrung als Gemeindereferentin. Das Amt der Bürgermeisterin ist jedoch nochmals eine neue Herausforderung, der ich mich aber sehr gerne stelle.
Wie haben Sie die Zuständigkeiten im Ausschuss verteilt?
Die Zuständigkeiten im Gemeindeausschuss habe ich nach den Kompetenzen verteilt, welche die einzelnen Referenten mitbringen. Alle bringen in ihren Bereichen Fähigkeiten mit, die für unsere Gemeinde sehr wichtig und fruchtbringend sind.
Ein Dauerbrenner im Marmordorf ist seit vielen Jahren der Marmorabtransport. Welche Rolle will in dieser Sache die neue Gemeindeverwaltung spielen bzw. wie werden Sie diese Thematik angehen?
Die Gemeinde hat keine direkten rechtlichen Zuständigkeiten in diesem Bereich, da diese in tiefer Vergangenheit der Eigenverwaltung für Bürgerliche Nutzungsrechte von Laas übertragen wurden. Trotzdem werden wir als Gemeindeverwaltung ein besonderes Augenmerk dahin lenken, dass Laas als Marmordorf eine stärkere Strahlkraft erhält und dieser weltweit bekannte Rohstoff weiterhin Wertschätzung und Achtsamkeit erfährt. Diese Strahlkraft kann nur dann gefördert werden und gelingen, wenn in Sachen Marmorabtransport Klärung herbeigeführt wird.
Welche Vorhaben und Projekte sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten, die in der laufenden Verwaltungsperiode umgesetzt werden sollten?
Natürlich gibt es auch schon ganz konkrete Projekte, bei denen es um Finanzierungsplanung und Umsetzungsplanung geht: so die Feuerwehrhalle in Eyrs, die behindertengerechte Adaptierung des Josefshauses in Laas und einiges mehr. Im kommenden Jahr werden wir als Gemeindeverwaltung einen Bürgerbeteiligungsprozess einleiten und ein Gesamtentwicklungskonzept erarbeiten. Dabei geht es um Verkehr, Tourismus, Leerstand, Gestaltung öffentlicher Plätze. Es geht kurzum um einen Gesamtplan für die Entwicklung unseres ländlichen Raumes in der gesamten Gemeinde. Dies wird dann für die laufende Verwaltungsperiode und darüber hinaus die übergeordnete Arbeitsgrundlage sein.
Ein Thema, das viele bewegt, ist die Verkehrsbelastung im Dorf Laas. Was will die Verwaltung diesbezüglich konkret unternehmen?
Die Verkehrsbelastung in Laas konzentriert sich nicht nur auf eine bestimmte Straße, sondern auf mehrere Verkehrspunkte. Verkehrsberuhigung, Parkplätze, sichere Gehwege, all diese Aspekte müssen hier in einem Gesamtkonzept berücksichtigt werden und brauchen eine gute Planung auch in der schrittweisen Umsetzung.
Gibt es Pläne, den Tourismus in Ihrer Gemeinde nach vorne zu bringen? Und wenn ja, wie?
Laas ist eine Gemeinde mit kulturellem Flair und besonderem Charme. Das birgt Potenziale und bietet die Chance, von Entwicklungen, die man in Teilen Südtirols beobachtet, zu lernen, und diese Entwicklung anders, nämlich sanfter zu gestalten. Laas hat sich die Ursprünglichkeit bewahrt – diesen Wert sollten wir schützen, denn es gibt immer mehr Menschen, die eine einfache und ursprüngliche Umgebung suchen, um sich zu erholen.
Haben Sie versucht, auch die einfachen Ratsmitglieder mit einzubinden bzw. sie mit besonderen Aufgaben zu betrauen?
Demnächst finden die Besetzungen der Kommissionen statt, wo sich die Gemeinderäte ganz unterschiedlich einbringen können. Außerdem werden sie künftig immer wieder bei verschiedenen Arbeitsgruppen eingebunden.
Wie stark beeinflusst die Bewältigung der Covid 19-Pandemie den politischen Alltag?
Sehr. Die Herrschaft, die dieses Virus übernommen hat, beeinflusst alle Lebensbereiche und erschwert die Arbeit generell für viele. So natürlich auch die der Gemeindeverwaltung und der Politik. Politik lebt davon, sich mit Menschen zu treffen, am Tisch zu diskutieren, zu beraten, im direkten Austausch Lösungen zu finden und Klärungen herbei zu führen. Durch die Einschränkungen auf Grund der Pandemie ist dies zum größten Teil nicht möglich. Das fehlt! Kommunikation über Video ist bis zu einem bestimmten Punkt zweckmäßig, aber die soziale Interaktion vermisse nicht nur ich sehr stark, sondern meines Erachtens alle Menschen.
Weil im neuen fünfköpfigen Ausschuss der Bezirksgemeinschaft Vinschgau künftig mindestens zwei Frauen sitzen müssen, ist davon auszugehen, dass Sie und Roselinde Gunsch Koch in den Ausschuss gewählt werden. Kommt damit nicht zusätzliches großes Arbeitspensum auf Sie zu?
Das Thema besprechen wir, wenn sich das Gremium bildet. Grundsätzlich habe ich noch nie zögerlich auf ein großes Arbeitspensum reagiert, sondern immer die Ärmel hoch gekrempelt.
Sind Sie eine Vollzeitbürgermeisterin oder bleibt noch Zeit für den Unterricht an der Schule?
Ich unterrichte noch 2 Stunden die Woche in meiner Mittelschule in St. Valentin auf der Haide das Fach Musik. Das bereitet mir sehr große Freude und ist ein guter Ausgleich zur politischen Arbeit. Ansonsten bin ich jeden Tag im Gemeindeamt, um meine Verantwortung als Bürgermeisterin wahr zu nehmen. Ich gebe dem Amt meine volle Aufmerksamkeit und ich kann sagen: ich bin Vollzeitbürgermeisterin.
In Ihrer Freizeit sind Sie eine begeisterte Musikerin und Dirigentin? Wird Ihr Hobby unter dem Bürgermeisteramt leiden?
Musik ist und bleibt meine große Leidenschaft, daher werde ich auf jeden Fall versuchen, Hobby und Bürgermeisteramt unter einen Hut zu bringen, denn: Mit Musik geht alles besser …
Die aktuellste Notsituation war ein Schaden am Trinkwassernetz in Tschengls und Eyrs, so dass die beiden Fraktionen kein Trinkwasser hatten. Was ist passiert und wie konnte der Schaden behoben werden?
Die Trinkwasserleitung für Tschengls und Eyrs wurde nach den starken Schneefällen durch einen umgestürzten Baum zerstört. Die Berufsfeuerwehr führte mit zwei Tankwagen Trinkwasser von Laas nach Tschengls. Von dort wurde es in das Trinkwasserreservoir gepumpt und in das Netz eingespeist. Der Schaden konnte zwar bald lokalisiert, jedoch bis jetzt (10. Dezember, Anmerkung der Redaktion) noch nicht behoben werden, da es sich um sehr steiles und unwegsames Gelände handelt. Die Freiwilligen Feuerwehren und die Berufsfeuerwehr arbeiteten rund um die Uhr, um die Trinkwasserversorgung zu gewährleisten. An einer provisorischen Versorgung wurde bereits gearbeitet.
