Motivationsschub für eine Zukunft mit mehr Erfolg
Publiziert in 45 / 2007 - Erschienen am 19. Dezember 2007
Reschen – „Gemeinsam eine erfolgreiche Zukunft für den Obervinschgau, seinen Tourismus und seine Menschen gestalten.“ So hieß das Thema der Tagung, zu der die Skiliftgesellschaften Schöneben AG und Haider AG in Zusammenarbeit mit der Ferienregion Reschenpass und der Raiffeisenkasse Obervinschgau am 11. Dezember in das Vereinshaus von Reschen eingeladen hatten. Eine Feriendestination kann nur dann Erfolg haben, wenn möglichst alle zusammenarbeiten. Wenn jeder nur auf sich selbst bedacht ist und sein eigenes Süppchen kocht, führt der Weg in die Sackgasse. Das Potential für eine Entwicklung des Obervinschgaus als unverwechselbare, einzigartige und daher erfolgreiche Ferienregion ist gegeben. Der Weg dahin ist ein Prozess, der nie aufhören darf und an dem alle mitarbeiten sollten. Dies sind nur einige der Kernaussagen, wie sie am Vormittag aus Fachreferaten herauszuhören waren und wie sie am Nachmittag in Workshops formuliert und zu Papier gebracht wurden.
„Wir leben in einem einzigartigen, wunderschönen Gebiet. Der Tourismus ist einer der wichtigsten Zweige unserer Wirtschaft. Um ihn weiter in die richtige Richtung zu entwickeln, sind wir gezwungen, uns den neuen Herausforderungen zu stellen.“ Mit diesen Worten eröffnete Alfred Plangger, Vizepräsident der Schöneben AG und Vizedirektor der Raiffeisenkasse Obervinschgau, die Tagung. Er konnte über 90 Gastgewerbetreibende, Vertreter weiterer Wirtschaftszweige sowie Mitarbeiter von Skiliftgesellschaften und Tourismusbetrieben, Vertreter der Gemeinde, von Vereinen und anderen Organisationen und Interessengruppen begrüßen. „Wir müssen versuchen, gemeinsam für den Obervinschgau etwas zu bewegen“, so Alfred Plangger.
Was braucht es,
um Erfolg zu haben?
Welche Voraussetzungen es braucht, um Erfolg zu haben, was Erfolg im Tourismus bedeutet und wie man zu einem solchen Erfolg kommt, führte die aus Reschen gebürtige Fachfrau Anna Maria Pircher-Friedrich aus. Sie ist Professorin für Human Ressource Management am Management Center Innsbruck (MCI) und Dozentin an der ZfU Zürich (International Business School). Als international anerkannte Referentin trainiert und coacht sie Führungskräfte aus Wirtschaft, Schulen und Krankenhäusern. Weiters hat sie zahlreiche Publikationen veröffentlicht. Als Trugschluss bezeichnete Anna Maria Pircher-Friedrich die Annahme, man könne die Zukunft voraussagen: „Das können wir nicht, wohl aber können wir die Zukunft gestalten.“ Besonders in schwierigen Zeiten gelte es, sich den Problemen zu stellen und die Probleme und Widrigkeiten als Chancen neuer Entwicklungen zu nutzen. All das, was der moderne Gast sucht, hat der Obervinschgau in reichem Ausmaß zu bieten: Authentizität, Urigkeit, Natürlichkeit, Einzigartigkeit. Als weiteren Trugschluss und falsche Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklung nannte sie den Egoismus und das „Nur-auf-sich-selbst-bedacht- sein“. Solche Einstellungen führen ins Nichts. Laut neuesten Erkenntnissen der Gehirnforschung ist der Mensch ein auf Zusammenarbeit ausgerichtetes Wesen. Wirtschaftlicher Erfolg sei nur über Menschen möglich, „die Visionen haben, die Mut besitzen, die sich in ihrer eigenen Haut wohl fühlen und die nicht nur um die eigene Achse tanzen.“ Nur Jammern führe zu nichts. Im Tourismus sei ein ganzheitlicher Erfolg anzustreben. Der touristische Erfolg lasse sich nicht nur an Nächtigungszahlen messen, sondern in erster Linie auch daran, „wie wohl sich die Gäste und auch die Gastgeber als Menschen fühlen.“ Nur daraus können erfolgreiche Denkmodelle entstehen. Die Gäste sehnen sich heute mehr denn je nach Werten, „sie wollen keine simulierte Freundlichkeit, sondern authentische Begegnungen, sie wollen nicht nur immer neue und zusätzliche Wellness-Angebote, sondern sie wollen sich im Urlaub auch geistig, seelisch und gesundheitlich stärken, sie wollen sich nicht nur ‚bespaßen’ lassen und die ‚Sau rauslassen’, sondern sie haben ein Bedürfnis nach Werten.“ Der Obervinschgau habe gerade auf diesem Gebiet sehr viel zu geben. Wenn dieses einzigartige Gebiet in der Lage ist, die Bedürfnisse und Träume der Gäste zu befriedigen, „werden die Gäste gerne kommen, denn sie wissen, was sie hier finden und sie sind auch bereit, dafür zu zahlen.“ Als erfolgreiche Menschen bezeichnete Anna Maria Pircher-Friedrich jene, „die den Hürden und Widrigkeiten trotzen und die bereit sind, gemeinsam neue Entwicklungen anzugehen.“ Erfolge lassen sich aber nicht durch das Abkupfern irgendwelcher Erfolgsmodelle erzielen, „sondern wir müssen uns selbst fragen, was wir zu geben haben, wozu wir gut sind und welche Werte wir zu vermitteln haben. Diesbezüglich birgt der Obervinschgau unheimlich viel Potential.“ Der Obervinschgau müsse versuchen, sich mit all seinen Besonderheiten - sei es die Natur, die Landschaft und auch die Menschen – abzuheben. Die Frage, mit der man sich permanent beschäftigen müsse, sei: „Warum sollen die Gäste gerade zu uns kommen? Was macht uns aus?“ Es sei dies ein nie aufhörender Entwicklungsprozess, „und ich wünsche mir, dass dieser Prozess mit der heutigen Tagung beginnt und nicht wieder endet.“ Der Obervinschgau habe selbst die Wahl: „Er kann die Zukunft selbst gestalten oder er kann sich ‚schieben’ lassen.“
Neue Herausforderungen für den Tourismus in den Alpen
Auf neue Herausforderungen im Tourismus, speziell in den Alpen, ging Hubert J. Siller, Professor für Unternehmensführung und Leiter der Tourismusstudiengänge am Management Center Innsbruck ein. Hubert J. Siller ist außerdem Mitglied von Aufsichtsgremien renommierter Unternehmen wie etwa der Tirol Werbung. Was den Fremdenverkehr in den Alpen stark auszeichnet, ist laut Siller die Verbindung von Erholungs- und Lebensraum. Was den Wintertourismus betrifft, verfüge Tirol über eine riesige Kompetenz. Umsatzsteigerungen kommen aber nicht immer einer Steigerung der Wertschöpfung gleich. Zum Klimawandel hielt der Professor fest, dass die Lage sicher nicht so schwarz einzustufen sei, wie sie oft dargestellt werde: „Wir werden in den nächsten 25 Jahren vermutlich mehr Schnee haben als bisher. Allerdings wird es auch in höheren Lagen öfter regnen.“ Gut beraten seien jene Skigebiete, die in Beschneiungsanlagen investieren. Ein Risiko für den Wintertourismus ortet Siller in der Tatsache, dass Themen wie Schnee und Skifahren speziell in Großstädten, in denen zusehends Menschen mit Migrationshintergrund leben, vor allem für Kinder und Jugendliche Fremdwörter bleiben: „Wir befürchten, dass die Nähe zum Wintersport im Quellgebiet nachgibt.“
Auch über Erfolgsfaktoren sprach der Professor. Unabdingbar für die Positionierung seien eine starke Marke und eine klare Identität: Wofür steht eine Region? Worin liegt ihre Einzigartigkeit? Was verbindet der Gast mit dieser Region und nur mit dieser? Wovor Siller warnte, ist die Gefahr der Vielfalt, denn dann gibt es von allem ein bisschen und nichts richtig. „Be different or die“, zitierte Siller einen Spruch aus der Markwirtschaft. Dieser Spruch besagt, dass man untergeht, man sich nicht deutlich von den Mitbewerbern abhebt. Eine innovative Angebots- und Produktgestaltung, also „bequemes Erleben“, sei als Erfolgsfaktor ebenso wichtig wie hochwertig inszenierte „Naturdenkmäler“ wie es etwa eine offene Plattform am Berg oder andere besondere Baulichkeiten und naturnahe Inszenierungen sein können. Die lukrativste Wertschöpfung sei das Erlebnis. Erlebtes und ehrliche Gastfreundschaft sind Dinge, die hängen bleiben und die von den Gästen weitererzählt werden. Als wesentlich für eine erfolgreiche Positionierung und Entwicklung stuft auch Hubert J. Siller das gemeinsame Denken und Handeln in einer Ferienregion ein: „Ohne Kooperation werden wir uns mit unseren kleinen Infrastrukturen schwer tun.“ Nur ein neues Logo mache noch lange keine Destination.
Auch am Konzept „Tiroler Weg 2008 – 2012“ hat Siller aktiv mitgearbeitet. Es gelte, die Tourismuskompetenz in Tirol weiter auszubauen. Der Stellenwert des Fremdenverkehrs als Wirtschafts- und Wohlstandsfaktor sei zu steigern, auch in der öffentlichen Meinung. Immerhin stamme rund ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts in Tirol aus dem Tourismus. Der Tourismus müsse in Zukunft außerdem internationaler werden. Etwas „dünn“ sei es in Tirol derzeit mit dem Sommertourismus bestellt. Bei diesem stehen nach wie vor die klassischen Themen im Vordergrund: Wandern, Bergsteigen, Erholung und Gesundheit, Natur und Erleben.
Natur, Kunst und Mensch
Aufgeteilt in Gruppen setzten sich die Tagungsteilnehmer am Nachmittag mit folgenden Fragen auseinander: Welche Ressourcen und Fähigkeiten haben wir für den Gast des 21. Jahrhunderts? Was unterscheidet uns von den Mitbewerbern? Welche Werte sind uns wichtig? Welches Selbstverständnis soll uns nach innen und nach außen prägen?
Die Ergebnisse der Workshops lassen sich laut Ulrich Stampfer, dem Geschäftsführer der Ferienregion Reschenpass, an drei großen Themenkreisen festmachen: die Natur und Landschaft, die Kunst und die Kultur sowie die Menschen. Dies seien die wesentlichsten Bausteine, auf denen in Zukunft noch mehr zu setzen sein wird. Bezüglich des Themas Kunst und Kultur sei auch der Aspekt zu berücksichtigen, „dass wir uns als Ferienregion im Dreiländereck befinden.“ Die Menschen sowie die Natur und die Landschaft gehören zum größten „Kapital“ der Ferienregion Reschenpass. Es gelte, die Aufmerksamkeit auf einen sanften und zugleich aktiven Tourismus zu lenken. Ulrich Stampfer – und nicht nur er – wertet die Tagung als bedeutenden Motivationsschub, „um den Tourismus mit vereinten Kräften noch weiter zu entwickeln und voranzubringen.“ Auf die Frage, auf welche Schwächen in den Workshops verwiesen wurde, meinte Stampfer: „Was fehlt, sind so genannte Leitbetriebe, die für steten Schwung sorgen. Die Qualität im Dienstleistungsbereich könnte höher sein. Als zu tief wird die Wertschöpfung eingestuft. Ohne angemessene Wertschöpfung sind neue Investitionen kaum oder nur schwer möglich.“
Die Tagung ist laut Stampfer nicht als Eintagsfliege zu werten, sondern als Ausgangspunkt für weitere Treffen und für eine schrittweise Umsetzung von erarbeiteten Zielen und Vorstellungen. Konkret soll das Anliegen von Alfred Plangger und weiteren Personen weiter vorangetrieben werden, wobei auch die Ferienregion aktiv mitarbeiten werde.
Als sehr positiv wertete die Tagung unter anderem auch Bürgermeister Albrecht Plangger. Die Gemeindeverwaltung könne daraus neue Kraft und neue Motivation zum Handeln schöpfen.

Josef Laner