Mehr als autark
Im Bild (von links):Katiuscia Eroe, Albrecht Plangger, Georg Wunderer und Bürgermeister Hubert Pinggera

Musterbeispiel in punkto Energieversorgung

Publiziert in 33 / 2013 - Erschienen am 25. September 2013
Auszeichnung von Legambiente überreicht. Wunderer: „Energie-Produktion höher als Verbrauch“ Prad - Am Samstag hat die ­italienische Umweltorganisation Legambiente der Gemeinde Prad und dem E-Werk Prad (EWP) die Tafel „Gemeinde 100% Erneuerbare Energien“ überreicht. Wir fragten den EWP-Obmann Georg Wunderer, warum Prad in punkto nachhaltige Energieversorgung eine Mustergemeinde ist. der Vinschger: Auf der Tafel von Legambiente steht „100% Erneuerbare Energien“. Ist es tatsächlich so, dass in Prad nur saubere Energie erzeugt und verbraucht wird? Georg Wunderer: Im Jahr 2012 hat das EWP 18,9 Mio. kWh aus seinen Kraftwerksanlagen in das lokale Stromnetz eingespeist. Vom eingespeisten EWP-Strom stammten 93,6% aus Wasserkraft und 4,5% aus den Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen. 1,3% lieferten die Windanlagen und 0,6% die Fotovoltaikanlagen des EWP. Zudem waren in Prad am 31. Dezember 2012 141 Fotovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 6,9 MW in Betrieb, die zusammen knapp 8 Mio. kWh Strom pro Jahr erzeugen können. Den größten Teil der 141 Fotovoltaikanlagen betreiben Mitglieder der EWP-Genossenschaft. Die gesamte lokale Stromproduktion in unserer Gemeinde beträgt somit rund 27 Mio. kWh pro Jahr. Wie groß ist der Stromkonsum? Der Stromkonsum in der Gemeinde Prad liegt bei 12 Mio. kWh bezogen auf das EWP-Netz und bei 2 Mio. kWh bezogen auf SELNET-Netz. Also konsumieren die Prader insgesamt 14 Mio. kWh Strom pro Jahr. Bezogen auf den Stromkonsum ist Prad somit nicht nur „stromautark“, sondern die Gemeinde kann darüber hinaus auch noch eine bedeutende Strommenge, nämlich ca. 13 Mio. kWh, abgeben. Dieser Überschussstrom fließt von Prad zur Primärkabine nach Glurns, wo er den Nachbardörfern bzw. dem Hochspannungsnetz der TERNA zur Verfügung steht. Und dieser Strom wird nur mit erneuerbaren Energiequellen erzeugt? Der in der Gemeinde Prad für den Konsum zur Verfügung stehende Strom kann sicher als „erneuerbar“ bezeichnet werden, da dieser zu 65,8% von kleinen Wasserkraftwerken, zu 30,2% von Fotovoltaikanlagen, zu 3,1% von KWK-Anlagen und zu 0,9% von den mittlerweile abgebauten Windanlagen bereitgestellt wird. Bezüglich der KWK-Anlagen, die mit 3,1% an der Prader Stromproduktion beteiligt sind, ist zu ergänzen, dass die betreffenden KWK-Module vorwiegend mit Biogas (76%) und zu einem kleinen Anteil auch mit etwas Dieselöl betrieben werden. Was die Fernwärmeversorgung betrifft, so kommen in den 2 Fernwärmezentralen 17,6 Mio. kWh an Primärenergie zum Einsatz. Die betreffenden Energieträger setzen sich aus 2% Strom, aus 9% Holzpresslingen, aus 73% Hackgut, aus 12% Biogas und aus 4% mineralischem Diesel zusammen. Der zuletzt genannte Energieträger wird ausschließlich im Winter kurzzeitig bei Spitzenbedarf und Notfällen verwendet. Es darf also zusammenfassend gesagt werden, dass in Prad sowohl der Strom als auch die Wärme fast ausschließlich mit erneuerbaren Energiequellen sauber und vor allem auch effizient bereitgestellt werden. Man kann aber immer auch noch besser werden, daran arbeiten und tüfteln wir. In Sachen Energie wird Prad immer wieder als Mustergemeinde genannt. Was sind die Eckpfeiler, auf denen dieser gute Ruf fußt? Ein grundlegender Eckpfeiler der Prader Energieversorgung ist sicher die Tatsache, dass die Familien, die Betriebe und die Gemeinde als Institution am energiewirtschaftlichen Unternehmen unmittelbar beteiligt sind. Am 31. Dezember 2012 gehörten der Genossenschaft 1.148 Mitglieder an. Bei rund 3.380 Einwohnern heißt das, dass gut 90% der Familien und Unternehmen dabei sind. In den Vollversammlungen der Genossenschaft haben die Mitglieder nicht nur die Möglichkeit, sich umfassend über die Ziele, die Tätigkeiten und den Geschäftsgang des energiewirtschaftlichen Unternehmens zu informieren, sie können auch unmittelbar mitbestimmen und damit ihr Unternehmen auch kontrollieren. Als Genossenschaftsmitglied ist man „Eigenerzeuger und Eigenverbraucher“. Es baut nicht jeder seine eigene Energieerzeugungsanlage, sondern man schließt sich zusammen, bündelt damit die Kräfte und schafft Bedingungen und die technisch-wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine effiziente und nachhaltige Energieversorgung. Ein weiterer Eckpfeiler der Prader Energieversorgung ist sicher auch, dass mit der eigenständigen und lokalen Energieversorgung ein wichtiger Beitrag für die lokale Wertschöpfung geleistet wird. Das EWP beschäftigt heute 9 Mitarbeiter, beauftragt laufend lokale Unternehmen bei der Umsetzung von Projekten sowie Instandhaltungen, liefert den Strom und die Wärme zu günstigen Preisen und bedient Mitglieder und Kunden bürgernah vor Ort. Würden externe Unternehmen die Energieversorgung sicherstellen, so würden die lokalen Konsumenten nicht nur über endlose Warteschleifen um telefonische Auskunft betteln müssen, sondern die externen Unternehmen würden auch erhebliches Geld aus Prad abziehen. Sie sind seit jeher ein Verfechter einer möglichst lokal organisierten Energiewirtschaft, bei der auf einen Mix von erneuerbaren Energiequellen gesetzt wird. Wie sieht dieser Mix in Ihrer Gemeinde aus? Wie schon gesagt, besteht der Mix aus Wasserkraft, Solarenergie, Biomasse und Biogas. Die Windkraft steht leider seit September 2012 nicht mehr zur Verfügung. Sie könnte den Mix sehr gut ergänzen. Die Windenergie steht verstärkt im Winter zur Verfügung, wenn Wasserkraft und Sonnenenergie naturgemäß eher etwas schwächeln. Das EWP ist eine Genossenschaft und gehört insofern den Genossenschaftsmitgliedern, sprich den Bürgern und Betrieben. Ist diese Genossenschaftsform der Grund dafür, das der Strompreis in Prad im Vergleich zu anderen Gemeinden merklich niedriger ist? Ja, das dürfte sicher zutreffen. Mit der Liberalisierung des Stromsektors in der EU und somit auch in Italien sind die elektrizitätswirtschaftlichen Tätigkeiten zum Teil für den Markt geöffnet worden. Man war im Sinne des neoliberalen Gedankengutes der Ansicht, dass Markt und Wettbewerb „alles regeln“ könnten und dass dies zu günstigeren Strompreisen führen würde. Das ist nun allerdings in den Ländern der EU und in Italien nicht unbedingt wahr geworden, denn mit der Liberalisierung wurden einige Bereiche der Stromversorgung und dabei insbesondere der Bereich Erzeugung und auch der Stromhandel der Spekulation preisgegeben. Es dürfte wohl einleuchten, dass ein privates Unternehmen oder auch ein öffentliches, das eine Stromerzeugungsanlage baut und betreibt, mit seinem Kraftwerk möglichst gut verdienen und somit viel Geld in die private bzw. in die öffentliche Kasse einbringen möchte. Dabei interessiert den Betreiber des Kraftwerks unmittelbar nicht so sehr die Stromproduktion seines Kraftwerks, sondern vor allem das Kapital, das er mit dem Kraftwerk für seine Kasse erwirtschaftet. Bei einem genossenschaftlich geführten Kraftwerk hingegen bestehen diesbezüglich ganz andere Voraussetzungen. Da ist der Betreiber, nämlich die Mitglieder der Genossenschaft, unmittelbar an einer Produktion von Strom interessiert, der den Mitgliedern so kostengünstig wie möglich bereitgestellt werden soll. Unsere Maxime ist, dass der Strom nicht unbedingt dem Kapital, sondern in erster Linie den Menschen, den Familien und Betrieben dienen soll und dies so kostengünstig wie möglich. Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner

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