Nachdenken über eine erfolgreiche „Selbstentsorgung“
Publiziert in 36 / 2009 - Erschienen am 14. Oktober 2009
Absichtlich oder zufällig wurde mit den 24. Churburger Wirtschaftsgesprächen ein Kreis geschlossen. Standen in den ersten fünf Veranstaltungen der Vinschgau und seine Wirtschaft im Mittelpunkt, bestimmten seit 1990 zunehmend allgemeine und globale Themen die Inhalte. 2009, im Jahr des Abschwunges oder besser des Umschwunges, schauten Unternehmer, Professoren und Banker auf sich und ihre Betriebe und beschäftigten sich mit der Regelung ihrer Nachfolge. Das Thema „Unternehmensnachfolge“ beschloss einen Zyklus, deutete aber bereits wieder die Rückkehr zu regionalen Themen an.
von Günther Schöpf
Mehr als die 20 Teilnehmer aus Südtirol und Oberitalien, 20 aus Österreich, 15 aus der Schweiz und 15 aus Deutschland hätte der Matscher Saal nicht fassen können. Es wurde sogar den freiherrlichen und gräflichen Ahnenbildern der Burgherren eng bei den 24. Churburger Wirtschaftsgesprächen, die wieder mit dem Konzert der Musikkapelle Schluderns, aber erstmals bei bewölktem Himmel eröffnet wurden. Das Thema „Unternehmensnachfolge“ schien zu interessieren, so jedenfalls interpretierte Gastgeber Johannes Graf Trapp, als er stolz vom Sponsoring mehrerer Banken sprach. Der Herr Graf hatte nicht nur ein hochkarätiges Referentenfeld aufgeboten, sondern auch einen etwas anderen Auftakt der Wirtschaftsgespräche gewählt. Es war nicht der allgemein übliche, theoretische Einstieg, den der Präsident der Südtiroler Unternehmer Christof Oberrauch und der Vorsitzende des Nordtiroler Industriellenverband Reinhard Schretter lieferten, sondern ein recht konkretes Eintauchen in die Materie. Der Mehrheitseigner der Firmen Durst Phototechnik AG und der Alupress AG, Oberrauch, bezeichnete die Nachfolgeregelung in seinen Betrieben als „alternativen Weg“ mit professionellem Management unter Oberaufsicht der Familie, bedingt durch die unterschiedliche Struktur der Unternehmen. „Allerdings heißt das einspringen, wenn ein Manager ausfällt. Und es bedeutet auch, in der Firma eine Rolle zu spielen und präsent zu sein“, erklärte Oberrauch.
Der geschäftsführende Gesellschafter der Baustoff-Firma „Schretter & Cie“ in Vils, Außerfern, Reinhard Schretter, betonte als Besonderheiten eines Familienunternehmens die Verwurzelung im Umfeld, die Beziehungen zu den Menschen vor Ort, aber auch die dadurch beeinflusste Standortregelung. Unternehmensnachfolge beinhalte ja nicht nur die Übergabe eines Betriebes, sondern werfe auch die Frage nach dessen Existenzfähigkeit auf, meinte er. Recht offen bekannte Schretter: „Wir haben vier Kinder und wissen nicht, wie es weitergehen soll. Auf jeden Fall werden wir in Zukunft von der Diskussion über neue oder neu aufgelegte Steuern geprägt werden“, prognostizierte der Präsident der Tiroler Industriellen.
Nach einer kurzweiligen Unterbrechung durch Graf Trapp und einer Episode über versäumte Nachfolgerregelung streifte Senator Manfred Pinzger in seinen Grußworten die Steuerpolitik der früheren und jetzigen Machthaber in Rom, den „bisher üppigen Landeshaushalt“, die Rolle der Politik und die Bedeutung der Familienunternehmen für die Südtiroler Wirtschaft. Dies war die Überleitung zum vormittäglichen Höhepunkt, zur Podiumsdiskussion mit Heidi Senger-Weiss, die als 27-Jährige die nationale Speditionsfirma „Gebrüder Weiss“ mit 900 Mitarbeitern übernommen und vor fünf Jahren mit 3.600 Mitarbeitern in 20 Ländern übergeben hatte, mit Florian Keiper-Knorr, Aufsichtsratsvorsitzender des Skiherstellers Fischer in Ried im Innkreis, und dem Tübinger Professor Wolfgang Hiller, der in den weltgrößten Hersteller von Holzverarbeitungsmaschinen „Homag“ (Hornberger Maschinenbaugesellschaft) in der württembergischen Gemeinde Schopfloch eingeheiratet hatte. Moderator und Unternehmensberater Raimund Steiner kündigte drei unterschiedliche Erfahrungen aus der Praxis der Unternehmensnachfolge und einen „authentischen Einstieg“ in die Wirtschaftsgespräche an. Man hätte die berühmte Nadel fallen hören, als die Diplomkauffrau Heidi Senger-Weiss ihre Erfahrungen vortrug. Der wichtigste Punkt sei die „Rechtzeitigkeit“, betonte die erfolgreiche Unternehmerin aus Lauterach in Vorarlberg und stellte die rhetorische Frage: „Aber wer beschäftigt sich schon mit der eigenen Entsorgung?“ Detailliert schilderte sie die jahrelange Vorbereitung auf den Generationswechsel; ging auf die Änderung der Rechtsform ihres Betriebes ein und auf die Verbreiterung der Führungsebene. Sie erwähnte auch die Moderation von Außenstehenden und bezeichnete es als Glück, dass alle drei Kinder ohne Druck motiviert werden konnten. Entscheidend seien eben die Rechtzeitigkeit, die klaren Spielregeln und einige „Meilensteine“, an die man sich orientieren könne, erklärte die Unternehmerin. „Der Betrieb muss nach dem Generationswechsel schlagkräftig bleiben und trotzdem sollen Kontinuität und Werte bewahrt werden.“ Florian Keiper-Knorr, vom Patriarchen Josef „Pepi“ Fischer in den Aufsichtsrat geholt und derzeit beschäftigt mit der Suche nach Partnerfirmen für ein Sommergeschäft, beschränkte sich in seinem Kurzreferat auf zwei Aspekte des Begriffes „Konsequenz“. In einer Familie könne es sehr emotional werden, wenn man sich bei einer Betriebsübergabe nicht nur konsequent verhalten, sondern auch die Konsequenzen dieses Verhaltens akzeptieren müsse, meinte er.
Wolfgang Hiller begann: „Wir waren einer der ersten Betriebe in Deutschland mit Mitarbeiterbeteiligung. Schon früh haben die beiden Gründerväter der HOMAG erkannt, dass die Mitarbeiter Unternehmer im Unternehmen sind.“ Die ganze Region lebe von der HOMAG, meinte er. Sie sei völlig integriert in das Dorfleben und erfahre eine enorm hohe Loyalität. „Vor dem Hintergrund der beiden Anteilsfamilien, wovon die Nachkommen der einen kein Interesse an der Firma hatten, galt es die für den Betrieb beste Lösung zu finden. Die einfachste Variante, die 50 Prozent der einen Familie zu übernehmen, ließ die fehlende Liquidität nicht zu, weil ja immer reinvestiert wurde. Zu befürchten war der Erbfall mit der darauf folgenden Auszahlung. „Um den Fortbestand der Firma zu sichern und im Bewusstsein der sozialen Verantwortung trat man zum Börsengang an und entließ die Firma in die Autarkie“, berichtete Hiller und riet den Zuhörern, diese Themen ja nicht zu früh in der Öffentlichkeit zu besprechen. An der anschließenden Diskussion beteiligten sich die Unternehmer Manfred Fuchs und Christoph Hoppe, der Steuer- und Unternehmensberater Johannes Edelsbacher und der Bauhüttenmeister Jürg Goll aus Müstair (CH).
Überleitend zu den nächsten Referaten warf der Schludernser Bürgermeister Erwin Wegmann die Frage in den Raum, ob sich die Unternehmer nicht auch mit einer freiwilligen Mandatsbeschränkung anfreunden könnten.
Ein Kreis hat sich geschlossen
1983 hat Johannes Graf Trapp von seinem Onkel Oswald Graf Trapp die Churburg übernommen. In den beiden darauffolgenden Jahren hatten mit einem Schlag etwa 170 Vinschger ihre Arbeitsplätze verloren, nachdem eine Sägeblatthersteller in Laas und eine Textilfirma in Prad schließen mussten. Dies war das Signal für Graf Johannes nachzudenken, wie man die regionale Wirtschaft wieder ankurbeln könnte. Über den Professor für strategische Unternehmensführung an der Universität Innsbruck, Hans Hinterhuber, wurde ein Vinschger Student beauftragt, eine Diplomarbeit zu schreiben über Möglichkeiten und Anreize, im Oberen Vinschgau Betriebe anzusiedeln. Hansjörg Alber durfte dann seine Diplomarbeit bei den 1. Churburger Wirtschaftsgesprächen 1985 vorstellen. Nach 24 Jahren wiederholte sich am 10. Oktober 2009 die Vorstellung einer Diplomarbeit beim inzwischen emeritierten Professor Hinterhuber (links im Bild). Gregor Loges (rechts) aus Hamburg hatte 17 Unternehmer interviewt und daraus die Arbeit „ Hero’s Farewell – Wenn Familienunternehmer in den Ruhestand treten“ gestaltet. Auf das Thema gekommen ist Graf Trapp über einen Vortrag von Rosely Oetker-Schweizer, Mitbesitzerin der Oetker-Gruppe. Denselben Vortrag im Management Center Innsbruck hatte sich auch Loges angehört.

Günther Schöpf