Nachhaltig wirtschaften für, aus und mit dem Land
Publiziert in 18 / 2014 - Erschienen am 14. Mai 2014
Die 1. Vinschger Berglandwirtschaftstage in Burgeis waren ein erster Schritt mit weitreichenden Impulsen. Angestoßen wurden sie von den Raiffeisenkassen des Vinschgaus, koordiniert
vom Beratungsring Berglandwirtschaft.
Burgeis - Auf dem Papier waren 14 Institutionen und Vereinigungen als Unterstützer aufgelistet, darunter sämtliche Zuchtverbände, die Gemeinden Graun und Mals, der Südtiroler Energieverband und Vinschgau Marketing. Sie alle wollten den Anstoß der lokal verwurzelten Raiffeisenbanken mittragen, die kleinen Wirtschaftskreisläufe in Berglagen und Seitentälern zu stärken. Sie alle hatten sich mit dem „Kernziel“ der Veranstaltung im Kulturhaus von Burgeis identifiziert: mit „Stärkung der Berglandwirtschaft“. Allerdings waren die zu stärkenden an den ersten beiden Tagen eher spärlich im unterkühlten Versammlungssaal anwesend. Zur Begrüßung machte Daniel Gasser, Obmann des Beratungsringes Berglandwirtschaft (kurz BRING), auf den „frischen Wind“ im Obervinschgau durch Raika-Geschäftsführer Markus Moriggl, Regionalassessor Sepp Noggler und die Fachschule für Land- und Forstwirtschaft Fürstenburg aufmerksam.
„Erfolg braucht Dialog“
Als Sprecher der Raiffeisenbanken stellte Direktor Moriggl die Notwendigkeit in den Vordergrund, lokale Wirtschaftskreisläufe viel besser zu vernetzen. Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler kündigte „gute Aussichten für die Förderung des ländlichen Raumes“ an. Sepp Noggler zeichnete ein pessimistisches Bild vom „Bauern, der nicht mehr Herr ist auf seinem Hof, sondern Knecht der Unterschutzstellungen“. Konkreter wurde der Grauner Bürgermeister Heinrich Noggler, der in seiner Gemeinde „fast keine Vollerwerbsbauern“ mehr antrifft und der „Probleme mit dem Tourismus“ kommen sieht, „wenn sich das Bauerndasein nicht mehr lohnt“. Bürgermeister Uli Veith, Mals, schätzte das Potential der Tourismustreibenden, lokale Produkte aufzunehmen als sehr ausbaufähig ein. Direktorin Monika Aondio stellte die Fachschule Fürstenburg als „Kompetenzzentrum“ vor. Die Sache anzugehen und Verantwortung zu übernehmen, riet Paul Gasser, Generaldirektor des Raiffeisenverbandes. „Erfolg braucht Dialog“, stellte er fest, „der über die Berglandwirtschaft hinausgeht.“ Nach dem Allgemeingültigen der Politiker ging Christian Fischer, Agrarökonom an der Uni Bozen, mit dem „Eggentaler Kistl“ als Beispiel für lokale Wirtschaftskreisläufe zur Sache. Der Hotelier Franz Hinteregger, Lüsnerhof, beeindruckte durch seine Konsequenz, nur regionale Produkte in sein Haus zu lassen, durch Abnahmegarantien an die Bauern und sein Netzwerk an Mitbewerbern. Spannend und fesselnd klang der Bericht von Friedrich Steiner, Betreiber des Bio-Hotels Panorama in Mals. „Es geht um die Geschichten, die dahinter stecken“, war ein Kernsatz seiner Erfolgsgeschichte. Die Nachricht, dass sich Landwirtschaft, Tourismus und Handwerk zum Vorteil vieler doch treffen können – auch ohne EU-Startförderung – kam von Günther Pernthaler aus Villnöss. Auch er erzählte Geschichten. Darin spielten der „Genussgipfel Furchetta“, das Villnösser Brillenschaf und das Graue Geisler-Rind die Hauptrollen.
Genuss mit ruhigem Gewissen
Die Reihe der hochkarätigen Vorträge und der „best practice“-Beispiele am 2. Tag begann mit der Darstellung eines Pilotprojektes, über die Online-Plattform „Nostras“ Bauern, Gastronomen und Fachhändler zueinander zu bringen. Jochen Platzgummer, Latsch, vertrat als Referent seine beiden Partner aus Naturns und Bozen. Als Vorzeigebeispiel in der Fleischvermarktung berichtete Paul Profanter über die „ArGe Bio-Beef“, Biofleisch. Der Leitspruch der vereinten Bergbauern „Mit ruhigem Gewissen genießen“ erinnerte an den Wahlspruch des Bio-Hotels „Panorama“ „Mit Sicherheit genießen“. Aus dem „Biosphärenpark Großes Walsertal“ war Ruth Moser nach Burgeis gekommen. Die Biosphären-Managerin aus Vorarlberg schlug wie viele andere Referenten in dieselbe Kerbe: „Poeple and nature - better together“, Mensch und Natur - besser gemeinsam. Den Leitgedanken „Solidarität durch Ethical Banking“ als Geschäftsfeld von 27 Südtiroler Raiffeisenkassen - vier davon im Vinschgau - trug Helmut Bachmayer vor. In die „beinharte“ Bauernwirklichkeit zurück führte Stefan Winkler, Lehrer an der Fachschule Fürstenburg, mit dem Thema „Die Klaue, der Fahrtenschreiber der Kuh“. Den abwechslungsreichen Vortragstag beschloss die EURAC-Mitarbeiterin Barbara Stoinschek mit dem Ergebnisbericht über ein Interreg-Projekt im bayerisch-salzburgischen Grenzraum zur Aktivierung aufgelassener Almflächen.
Kooperation ist die beste Vision
Zum abschließenden 3. Berglandwirtschaftstag hatten BRING-Direktor Christian Plitzner und seine Mitarbeiter eine Trumpfkarte gezogen. Sie ließen „den kleinen frechen Schweizer“ (O-Ton) Christian Manser aus St. Gallen auf die Vinschger Berglandwirte los. Wie der „Kuhflüsterer“ aus dem Nachbarland dozierte und provozierte und auf „Kuhsignale“ aufmerksam machte, war nicht nur eine didaktische Meisterleistung, sondern auch für Laien erkenntnisreiche Unterhaltung. Zum Glück bot der Anbindestall des Klosterhof-Pächters David Blaas genug Platz, beim Stallbesuch die immer größer werdende Hörer-Zahl aufzunehmen. Parallel zum Vortrag von Manser fand im Keller des Kulturhauses unter dem bescheidenen Titel „Vermarktung lokaler Produkte“ ein Workshop mit Ulrich Wallnöfer und sieben Teilnehmern statt. Der Marketing-Experte aus Prad hat mit Günther Hölzl die Online Geschäftsidee „Pur Südtirol“ und die Genussmärkte im Meraner Kurhaus und in Bruneck auf den Weg gebracht. Er empfahl, mit Leidenschaft und Begeisterung hinter den eigenen Produkten zu stehen und nie die „Urfragen“ aus dem Auge zu verlieren: „Besteht ein Bedürfnis für meine Produkte und warum soll man gerade meine Produkte kaufen?“ Seine Vision für den Obervinschgau bestand aus einem einzigen Wort: Kooperation. Die 1. Berglandwirtschaftstage klangen mit dem Thema biologischer Landbau und einem Workshop mit Bioland-Geschäftsführerin Jutta Staffler aus.
Günther Schöpf
Günther Schöpf