Nicht Maut, sondern Eintrittskarte zum Erlebnis
Publiziert in 27 / 2008 - Erschienen am 16. Juli 2008
Stilfs/Prad – Instandhaltungs- und Felssicherungsarbeiten werden zwar durchgeführt, doch von der eigentlichen Gestaltung der Panoramastraße Stilfserjoch (jüngsthin gibt es immer wieder Felsstürze) ist zurzeit noch nicht viel zu sehen. Der Hauptgrund ist wohl das Fehlen von Geldmitteln, die bisher nicht im ursprünglich erwarteten Ausmaß geflossen sind. Bisher. In der Schublade landen soll das Gestaltungskonzept aber keineswegs. Architekt Arnold Gapp, Vizebürgermeister der Gemeinde Stilfs, ist derzeit bemüht, auf Gemeindeebene einen Konsens für die Einführung einer Eintrittsgebühr zu finden. Nicht mehr von einer Maut ist die Rede, sondern von einer Gebühr, für welche die Besucher im Gegenzug auch etwas bekommen. Das wirklich Revolutionäre des Konzepts sieht Arnold Gapp in einer beschränkten Einbahnregelung in Richtung Passhöhe: „Man könnte versuchen, die Einbahnregelung einmal wöchentlich für bestimmte Stunden einzuführen.“
von Sepp Laner
Bereits im Jänner 2008 hat die Landesregierung beschlossen, die vom Ingenieurbüro Siegfried Pohl in Zusammenarbeit mit dem norwegischen Architekten Kjetil Thorsen (Architekturbüro Snøhetta in Oslo), dem Architekten Arnold Gapp und dem Künstler Ulrich Egger aus Meran erstellte Studie als Richtlinie zur Gestaltung der Panoramastraße Stilfserjoch von Spondinig bis zur Passhöhe zu genehmigen.
Ein Teil der Erneuerungs-, Instandhaltungs- und Felssicherungsarbeiten entlang der Passstraße wurde bereits in den vergangenen Jahren durchgeführt. Ein weiterer Teil wird derzeit ausgeführt. So werden unter anderem neue, talseitige Straßenbegrenzungsmauern errichtet, welche die alten und teils schadhaften Betonbegrenzungsmauern ersetzen. Auch bei der Erneuerung bergseitiger Mauern wird örtlicher Naturstein (Schiefer) verwendet, um ein einheitliches Erscheinungsbild zu schaffen. Als Schutz vor Felsstürzen sind großflächige Vernetzungen kritischer Hangbereiche vorgesehen. Die Gesamtkosten der genannten Maßnahmen entlang der ganzen Strecke werden in der Studie mit rund 11,3 Millionen Euro beziffert.
Kreuzung mit Vorgeschmack
Die eigentlichen gestalterischen Maßnahmen kommen getrennt dazu. Der Ausgangspunkt dafür ist Spondinig, wo die 27,45 Kilometer lange Straße mit ihren 48 Kehren beginnt. Für Spondinig ist in der Studie nicht nur eine verkehrstechnische Lösung vorgesehen - an der Kreuzung kommt es wegen des geschlossenen Bahnübergangs und des daraus resultierenden Rückstaus ohnehin zu gefährlichen Situationen -sondern auch ein gestalterisches Eingriff. Mit der Verlegung des Kreuzungspunktes weiter nach Osten soll die Situation entspannt und vor dem östlichen Eingang des Hotels Post-Hirsch zudem ein großzügigerer Freibereich geschaffen werden. Bereits in Spondinig soll der Besucher einen emotionalen Vorgeschmack auf das Erlebnis Panoramastraße bekommen: Je eine Reihe von hintereinander angeordneten Stäben auf der jeweils rechten Seite beider Fahrtrichtungen, wobei die Stäbe in Richtung Kreuzung immer niedriger werden (siehe Montage-Entwurf aus der Studie). Die genaue Planung für das „Intro Spondinig“ als Kreuzung mit Vorgeschmack soll laut Arnold Gapp noch heuer erfolgen. „Was es in Richtung Prad leider nicht mehr gibt, sind die Alleebäume“, bedauert er.
Tor zum Stilfserjoch
in Gomagoi
Als Tor zum Stilfserjoch soll die ehemalige Festung in Gomagoi umfunktioniert werden. Die zwei Festungs-Teile links und rechts der Straße sollen mit einer Luftbrücke verbunden werden. Teile der Festung sollen als Ausstellungsräume dienen, in denen verschiedenste Aspekte beleuchtet werden könnten: Erbauung und Geschichte der Stilfserjochstraße, Nationalpark, Tourismusgeschichte der Jahrhundertwende, Erster Weltkrieg, Motorsport. Zusätzlich zur Umgestaltung des ehemaligen militärischen Wehrbaus zu einem Besucherzentrum sollen im Umkreis der Festung Parkplätze, ein Geschäft, ein Kaffee sowie Aufenthalts- und Sitzmöglichkeiten im Freien geschaffen werden. Weiters sollen beim „Tor zum Stilfserjoch“ in Gomagoi auch die Eintrittskarten zum Erlebnis Stilfserjochstraße ausgegeben werden. Beim Zahlen des Eintrittspreises soll der Besucher eine CD bekommen, die ihm dann beim Abhören während der Fahrt Infos, Erklärungen und Erzählungen rund um die Stilfserjochstraße liefert, und zwar in der jeweils gewünschten Sprache. Weiters kann diese CD als Andenken dienen. Für Mottoradfahrer wird die Ausgabe von Audioguides vorgeschlagen. Der Kauf der Eintrittskarte soll Erwartungen wecken und den Besucher neugierig machen. „Diese Gebühr ist daher nicht der Einhebung einer Maut gleichzusetzen,“ sagt Arnold Gapp, „denn der Besucher, der zahlt, bekommt auch eine Gegenleistung. Es ist wie beim Eintritt in ein Kino oder in ein Museum. Das Museum ist in diesem Fall die Straße selbst.“
Die Straße selbst
ist das Museum
Auf der lokalen politischen Ebene stehe man hinter der Einführung einer Eintrittsgebühr. Bevor die Landesregierung aber eine Gebühr einführt, brauche es ein klares Signal aus dem Einzugsgebiet. Und genau dafür will sich der Vizebürgermeister jetzt einsetzen, und zwar nicht nur rein politisch, sondern auch bei Treffen und Gesprächen mit der Bevölkerung, mit den Tourismusorganisationen und anderen Beteiligten. Arnold Gapp ist überzeugt, dass der Großteil der Bevölkerung mit einer Eintrittsgebühr einverstanden ist: „Wenn es uns gelingt, ein positives Signal nach Bozen zu schicken, ist wiederum die Landesregierung am Drücker.“
Himmelsrampe
Nach dem „Weißen Knott“ soll laut Studie zwischen Kehre 28 und Kehre 27 eine „Himmelsrampe“ errichtet werden: Durch eine leichte Erhöhung der Fahrbahn wird der Blick ein bisschen angehoben und so wie über eine Rampe ins Unendlich freigegeben. Die Bedeutung der Franzenshöhe als natürlicher Rastplatz soll weiter aufgewertet werden. Dazu soll das ehemalige Straßenwärterhaus neben dem Berghotel Franzenshöhe zu einem Kultur-Treffpunkt umfunktioniert werden. Im Straßenwärterhaus gab es im Vorjahr bekanntlich ein Schadenfeuer. Um Folgeschäden und einen weiteren Verfall zu unterbinden, hat das Land die nötigsten Arbeiten durchgeführt, so vor allem die Erneuerung des Daches. Andere Arbeiten sind bisher nicht in Auftrag gegeben worden.
Der atemberaubendste Teil der Straße ist jener von der Franzenshöhe bis hinauf zum Pass. Die kleinen Plätze, die sich in Verlängerung der Kehren „gebildet“ haben und als Kurzparkzonen dienen, sind nicht nur gefährlich, sondern verschandeln auch das Gesamtbild der Straße. Diese Ausbuchtungen sollten daher laut Studie verschwinden. Um es den Auto- und Motorradfahrern trotzdem zu ermöglichen, entlang der Strecke zu halten, den Ausblick zu genießen und Fotos zu machen, wird vorgeschlagen, auf der Passstraße eine beschränkte Einbahnregelung einzuführen. Die Straße soll zu bestimmten Zeiten (in der Studie ist von ca. 10 bis 16 Uhr die Rede) nur bergauf befahrbar sein. Damit hätten laut Arnold Gapp alle Auto- und Motorradfahrer, die Richtung Pass unterwegs sind, nicht nur freie Fahrt, „sondern zusätzlich auch eine freie Fahrspur zum Anhalten.“ Diese Einbahnregelung, die versuchsweise einmal wöchentlich eingeführt werden könnte und bei der es sich im Wesentlichen nur um eine organisatorische, also fast kostenlose Maßnahme handeln würde, wertet Gapp als das Revolutionärste der gesamten Studie. Vor allem in diesem Punkt habe der weltweit anerkannte Architekt Kjetil Thorsen Weitsicht bewiesen. International bekannt geworden ist das Architekturbüro Snøhetta unter anderem mit dem Bau der Bibliotheca Alexandrina in Ägypten (Auftrag der UNESCO), mit dem Bau des Neuen Opernhauses Oslo und vielen weiteren Werken.
Rundreise durch
rätischen Kulturraum
Für die beschränkte Einbahnregelung müsste im Vorfeld natürlich ein Einvernehmen mit der Gemeinde Bormio gefunden werden, zumal der Verkehr auf italienischer Seite während der Zeit des beschränkten Einbahnverkehrs nur bis zur Passhöhe gelangt. Gedacht wird an eine Weiterführung des Verkehrs über den Umbrailpass und durch die Schweiz. Die Fahrt auf das Stilfserjoch könnte so zu einer Rundreise durch den ehemals rätischen Kulturraum werden: Trafoi, Val Muraunza, Sta. Maria, Müstair, Taufers im Münstertal, Glurns, Prad.
Wer die Panoramastraße befährt, will anhalten, aussteigen, sich die Beine vertreten, fotografieren, den Ausblick genießen, aufs Klo gehen, picknicken und der Natur näher kommen. Um diesen Bedürfnissen nachzukommen, sieht die Studie begehbare Stege entlang der Straße vor, also Wege, die vom Raum der Straße in den Naturraum des Nationalparks führen. Der Besucher sieht Schneefelder, entdeckt Pflanzen, hört die Pfiffe der Murmeltiere und spürt den kalten Jochwind.
Fahrrad-Servicestation
und Schneekammer
Im verfallenen Gebäude bei der Kehre 10 (ehemals Seilbahnstation aus der Zeit des Ersten Weltkriegs) könnte eine moderne Fahrrad-Servicestation entstehen, in der Nische der „Casa Rotteri“ eine Schneekammer, sodass der Besucher den Winter am Stilfserjoch nacherleben kann. Auf der Passhöhe selbst sind vor allem Aufräumarbeiten durchzuführen.
Auch eine künstlerische Licht-Installation wird die der Studie vorgeschlagen. Eine feine Lichter-Linie, die abends aus der Dämmerung hervortritt, soll die Straße von der Franzenshöhe bis zum Pass Kehre um Kehre nachzeichnen. Die Lichter-Linie (LED-Lampen, gespeist mit Sonnenenergie) soll nur für kurze Zeit sichtbar bleiben, bevor die Nacht den Ton angibt.Welche Töne die Landesregierung zwecks der Finanzierung der geschilderten Maßnahmen anschlägt, ist noch ungewiss. Vielleicht warten Landespolitiker, die am 19. Juli nach Stilfs kommen, um den Abschluss der Altdorf-Sanierung mitzufeiern, ja mit „frohen Botschaften“ auf.
Fest steht, dass die Umsetzung der Studie für die Gemeinden Stilfs und Prad von großer Bedeutung wäre.
Josef Laner