„Nur so bekommen wir die Schulden in den Griff“
Mehrheit im Gemeinderat entscheidet sich für Edyna-Angebot.
Latsch - In der Gemeinde Latsch wird der Strom ab 2018 für die nächsten 5 Jahre von der Stromverteilungsgesellschaft Edyna verteilt. Der Weg dafür wurde bei der Gemeinderatssitzung am 28. November geebnet. 11 Ratsmitglieder sprachen sich nach ausführlicher Diskussion in geheimer Abstimmung dafür aus, die Stromverteilung nicht an das VEK, sondern an die Edyna zu verpachten. 6 Räte stimmten dagegen. Bereits im Vorfeld der entscheidenden Sitzung vom 28. November war der Gemeinderat zu mehreren internen Sitzungen zusammengekommen, um über verschiedene Modelle und Vorschläge bezüglich der weiteren Entwicklung des in Liquidation befindlichen Sonderbetriebes Gemeindewerke Latsch zu diskutieren. Auf Antrag der Ratsmitglieder Verena Rinner, Stephan Bauer, Harald Plörer, Christian Stricker und Joachim Weiss waren zur Sitzung am 28. November nicht nur der Obmann und Vizeobmann des VEK, Alexander Telser und Andreas Tappeiner, eingeladen worden, um über die Möglichkeiten einer „Vinschger Lösung“ für die Stromverteilung in Latsch zu berichten, sondern auch der Schlanderser Bürgermeister Dieter Pinggera, um über die Eingemeindung des E-Werks in Schlanders zu informieren.
„Froh, wenn Latsch dazu käme“
Andreas Tappeiner ließ die Gründung und Entwicklung des VEK Revue passieren. Er erinnerte u.a. an den Kampf um Beteiligungen an Großkraftwerken, den Kauf des Stromnetzes in 6 Obervinschger Gemeinden und an die Übertragung der Führung des Stromnetzes im Konzessionsweg an das VEK. Alexander Telser wartete mit Zahlen zur Strommarke VION auf. „Wir sind zwar nicht die billigsten, aber die Leute sind froh, dass es uns gibt“, so Telser. Er verwies auf angebliche Vorteile einer lokal und genossenschaftlich organisierten Stromversorgung und hob im Besonderen die Qualität der Dienstleistung sowie die Stärkung der lokalen Wirtschaft hervor. Das VEK wäre froh, „wenn Latsch dazu kämme.“ Wenn nicht, werde das VEK bzw. VION trotzdem seinen Weg weitergehen.
Verteilung ist defizitär
Mit der Eingemeindung des E-Werks Schlanders konnten laut Pinggera nicht nur steuerrechtliche Vorteile erzielt werden, sondern es kam auch zu einer strafferen Personalführung, zu Zusatzeinnahmen für die Gemeinde und zur Einsparung von Kosten. Das einstige E-Werk wird seit 2015 als gemeindeeigene Abteilung geführt. Die Stromverteilung sei zwar defizitär und mit viel Aufwand verbunden, „aber auf der anderen Seite haben wir die hohe Zufriedenheit der Kunden“, so Pinggera. Die jährlichen Erträge aus der Stromverteilung bezifferte er mit rund 950.000 Euro und die Kosten mit rund 1,2 Millionen Euro. Das Jahresdefizit bei der Verteilung (200.000 bis 250.000 Euro) werden mit Einnahmen aus der Stromproduktion querfinanziert. Die Gemeinde Schlanders wolle den Strom auch in Zukunft selbst verteilen. Pinggera: „Wir werden uns diesen ‚Luxus’ weiterhin leisten.“ An gemeinsamen Strategien mit dem VEK sein man interessiert.
Nur bedingt vergleichbar
Bürgermeister Helmut Fischer wies darauf hin, dass die finanzielle Situation des E-Werks Schlanders im Vorfeld der Eingemeindung eine ganze andere war als jene des SGW Latsch. Er erinnerte daran, dass das SGW Latsch seit Jahren rote Zahlen schreibt, und zwar jährlich zwischen 350.000 und 400.000 Euro. Fischer: „Aus diesem Dilemma müssen wir herauskommen.“ SGW-Direktor Hubert Variola, der übrigens in Kürze in Pension geht, bezifferte die Verschuldung des Sonderbetriebs mit ca. 1,5 Mio. Euro. Rechnet man auch die laufenden Darlehen dazu, kommt ein Gesamtschuldenberg von ca. 3 Mio. Euro zusammen. Die Verteilung, der Verkauf und die Messtätigkeit seien für Kleinbetriebe immer defizitär. Schlanders habe die Produktion verbessert, „und wenn beschlossen wurde, die Verteilung mit Einnahmen aus der Produktion querzufinanzieren, so ist das eine politische Entscheidung“, so Variola. Sein Rat für Latsch: „Hände weg von der Verteilung.“ Im Unterschied zu Schlanders sind beim SGW Latsch noch weitere Dienste angesiedelt (Wasser und Abwasser), was sich auf der Ausgabenseite natürlich ebenfalls niederschlägt.
257.483 Euro pro Jahr
Wenngleich die VEK-Vertreter mehrmals betonten, beim Vergleich der Angebote für die Stromverteilung nicht nur die Zahlen bzw. das Geld zu sehen, sondern das jeweilige Gesamtpaket bzw. die Qualität des Dienstes, stachen bestimmte Zahlen doch sehr stark hervor. Vor allem der Unterschied der Miete: So hatte die Edyna 257.483 Euro an Miete pro Jahr angeboten, während das VEK mit einer jährlichen Konzessionsgebühr von 25.000 Euro aufwartete. Beim Kapitel Kundenübernahme sind es bei der Edyna einmalig 40.000 Euro, beim VEK jährlich 12 Euro pro VION-Kunde. Die Laufzeit liegt bei Edyna bei 5 Jahren (Beginn ab 2018), beim VEK bei 12 (Beginn ab 2019). „Wenn wir den Schuldenberg abbauen wollen, geht das nur mit dem Angebot der Edyna“, sagte Bürgermeister Fischer: „Meine Aufgabe als Bürgermeister ist es, das Defizit zu verringern. Wenn wir den Strom selbst verteilen, wird es nicht kleiner.“ Er unterstrich auch, dass das Netz im Eigentum der Gemeinde bleibt, dass keine Arbeitsplätze verloren gehen und dass es die Gemeinde sein wird, die Investitionen in das Netz vornehmen wird. Er könne es bei aller Sympathie für das VEK bzw. den „angeblichen Vinschger Weg“ nicht verantworten, das wirtschaftlich weitaus bessere Angebot auszuschlagen: „Wenn wir das VEK-Angebot annehmen, bleiben wir als Gemeinde auf den Verbindlichkeiten sitzen.“
Unterschiedliche Bedenken
Unterschiedliche Bedenken gegen die Annahme des Edyna-Angebotes äußerten vor allem die Räte Verena Rinner, Stephan Bauer, Harald Plörer, Christian Stricker und Joachim Weiss. Es wurde u.a. angeregt, jetzt nichts über das Knie zu brechen, die Liquidation in Ruhe über die Bühne zu bringen, den Strom für ein Jahr noch selbst zu verteilen, den Schalterdienst langfristig zu sichern und in der Bewertung der Angebote den Dienst am Kunden angemessen zu berücksichtigen. Für Verena Rinner steht die Frage der Qualität im Vordergrund: „Kaufe ich bei einem Großkonzern einen Liter Milch um 30 Cent oder gebe ich einen Euro für Qualitätsmilch aus dem Vinschgau aus?“ Fischer konnte diesem Vergleich nichts abgewinnen: „Auch bei der Edyna sind Vinschger beschäftigt.“ Zur Qualität der Dienstleistung seitens der Edyna, die übrigens landesweit 106 Gemeinden bedient, hatte sich das Ratsmitglied Harald Trafoier in Partschins kundig gemacht, wo die Edyna seit einem Jahr den Strom verteilt: „Bürgermeister Albert Gögele sagte, dass die Edyna gute Arbeit leistet. Die Bürger sind zufrieden und er würde die Stromverteilung erneut an die Edyna verpachten.“
Die Zahlen sprechen für sich
Die Ausschussmitglieder sowie mehrere Räte, darunter auch Mitglieder der Opposition, stellten sich hinter die Argumentation des Bürgermeisters und des Ausschusses. „Die Zahlen sprechen für sich“, hieß es mehrfach. Es sei alles daranzusetzen, den Schuldenberg möglichst rasch abzubauen, um den Gemeindehaushalt nicht dauerhaft zu belasten „und Luft für Investitionen zu schaffen“, wie sich Mauro Dalla Barba ausdrückte. Auch Sonja Platzer, Andrea
Kofler und Robert Zagler stimmten sinngemäß darin überein, dass es unverantwortlich wäre, das beste wirtschaftliche Angebot abzulehnen. „Wir werden sehen, wie sich die Dinge beim VEK weiter entwickeln. Vielleicht gibt es in 5 Jahren ein neues Angebot“, meinte Fischer. Auch für die Freiheitlichen Thomas Pichler und Sepp Kofler sowie für Christian Fasolt (Süd-Tiroler Freiheit) geht es jetzt vordergründig darum, die Schulden abzubauen. Werner Schuler bedauerte, „dass die Diskussion teilweise rein politisch ist, sprich Räte contra Bürgermeister.“ Vorwürfe seitens mehrerer Ratsmitglieder, wonach die Verwaltung zu lange zugewartet habe, wiesen Fischer und sein Ausschuss zurück. Dem Antrag von Harald Plörer für eine geheime Abstimmung stimmten neben ihm 4 weitere Räte zu. 11 Räte sprachen sich in geheimer Abstimmung für die Verpachtung der Stromverteilung an die Edyna aus, 6 dagegen.
Kein Beitritt zur SELFIN
Einhellig abgelehnt hat der Gemeinderat übrigens einen Beitritt der Gemeinde Latsch als Gesellschafterin der SELFIN sowie den damit verbundenen Ankauf von Anteilen im Gesamtausmaß von rund 254.000 Euro, aufgeteilt auf 3 Jahre. Der Gemeinderat zieht es vor, anstelle des Ankaufs von
SELFIN-Anteilen in das Stromnetz zu investieren.