Ötzi wird 25, es kann wieder getagt werden
Publiziert in 33 / 2016 - Erschienen am 21. September 2016
Auch 25 Jahre nach seiner Entdeckung wird dem Mann vom Tisenjoch nicht nur von der Wissenschaft viel Aufmerksamkeit geschenkt.
Schnalstal - Ein Medienstar ist auf den Weg nach Schnals. Leicht bekleidet und nur mit dem Kupferbeil bewaffnet wartet Ötzi am Tunneleingang bei Staben auf eine Mitfahrgelegenheit (Titelbild). Tatsächlich ist der Mann aus dem Eis nun auch als Comic-Figur verewigt. Eleonora Suri Bovo und Armin Barducci aus Bozen hatten die „Story“ dreisprachig erklärt und nachgezeichnet. Am Montag, 19. September um 13.30 Uhr begann zum 25. Mal das 2. Leben des Steinzeitmenschen. Das Ehepaar Erika und Helmut Simon aus Nürnberg hatte ihn zufällig in einer Gletscherlacke entdeckt. Vor der großen Geburtstagsfeier mit Ötzi-Tag im Archeoparc, Befeuerung der Fundstelle am Tisenjoch durch AVS und BRD, Ganztagestouren zum Fundort, mehreren Veranstaltungen im Archäologiemuseum und dem internationalen Mumien-Kongress an der EURAC in Bozen, bekam der berühmteste aller Alpenbewohner erste Aufmerksamkeit im Schnalstal. Die Arbeitsgruppe „Ötzi25“ mit Tourismusdirektor Manfred Waldner, HGV Obmann Benjamin Raffeiner, Archeoparc-Rat Mathias Gamper und dem Direktor der Gletscherbahnen, Elmar Pichler Rolle, wollten mit einem stimmigen Auftakt die Gedenk-Woche eröffnen. Das Musikfestival mit Dominik Plangger und der Gruppe Mainfelt & Loud, zwei „Slackline“-Weltrekordversuche auf dem Schnalstaler Gletscher und auf dem Vernagt Stausee durch Alex Schulz sollten auch junges Publikum ansprechen. Auch die Schafe und ihr Fleisch wurden vom HGV in Form von uralten Schnalser Kochrezepten ins Ötzi-Jubiläum einbezogen.
Bevor Ötzi Schnalser wurde
Den Abend im Archeoparc, der durch den einsetzenden Regen keine Freiluftveranstaltung bleiben konnte, eröffnete Bürgermeister Karl Josef Rainer. Zu den Grußworten an die Gäste und zur Dankesrede an die Organisatoren hängte der Bürgermeister Rückblick und persönliche Überlegungen an. Mit dem Ötzi habe im Schnalstal eine neue Ära begonnen, sagte er. „Die Archäologen haben weitere Entdeckungen gemacht und zum 10-jährigen Jubiläum ist dann der Archeoparc entstanden,“ erinnerte er sich. Rainer bedauerte, dass Rainer Henn und Konrad Spindler nicht mehr am Leben seien. Zur Erinnerung: Gerichtsmediziner Henn glaubte eher an einen „Archäologenscherz“, weil keine Leiche so aus dem Gletscher komme wie der Tote am Tisenjoch, soll er gesagt haben. Der Archäologe Spindler hingegen, der als erster das Alter des Fundes nahezu richtig schätzte, war auch dessen erster Vermarkter. Mit Handschlag begrüßte der Bürgermeister die Ötzi-Finderin Erika Simon, die nach dem Tod ihres Mannes die letzte Kronzeugin der Jahrhundertentdeckung vor 25 Jahren ist. Rainer erinnerte an die Versuche, den Ötzi zum Veneter und damit zum Slowenen zu machen. Unzählige Bücher seien erschienen, merkte Rainer an. Immer mehr gehe es dabei um Ötzis Ermordung auf 3.200 Metern. Das Schnalstal sei günstiger Boden für Kriminalromane. „Dafür haben wir aber die Carabinieri“ meinte er und brachte die Anwesenden zum Schmunzeln. Zum Abschluss zitierte er aus seinem Büchlein „Ötzi - der geheimnisvolle Tote aus dem Eis“, das er 2006 für eilige und sparsame Gäste verfasst habe.
Ohne Reinhold Messner...
Aus dem geplanten Schnalser Zeitzeugentreffen sei etwas Größeres geworden, räumte Tourismusdirektor Waldner ein. Er freue sich, neben Erst-Entdeckerin Erika Simon auch Reinhold Messner als Zeitzeugen begrüßen zu können. Bekanntlich waren Messner und Hans Kammerlander auf „Südtirolumrundung“ und trafen 2 Tage nach der Entdeckung an der Fundstelle ein. Der Journalist Friedrich Graupe schrieb 1991 im „1. Ötzi-Buch“ dazu: „Messners cleveres Management informierte Südtiroler und italienische Zeitungen, die ihn fälschlicherweise als Entdecker der archäologischen Sensation feierten.“ Anerkannte Tatsache aber ist, dass erst Messners Vermutung, der Leichnam könnte aus dem 14. oder 15. Jahrhundert stammen, das Interesse der Medien und die Beachtung der Wissenschaftler nach sich gezogen hat. Als Zeitzeuge geladen war auch Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder. Er war es, der den Namen „Homo tyrolensis“ prägte. Ob Erika Simon ihren langjährigen Prozessgegner Durnwalder endlich das gefragt hat, was sie seit 2011 immer schon fragen wollte, nämlich warum man sie und ihren Mann nicht als Entdecker anerkannt habe, war nicht herauszufinden. Gern hätte Manfred Waldner den damals diensthabenden Carabiniere in Schnals empfangen. „Es hat so viele Gerüchte gegeben...“, deutete Waldner an.
Überraschungsgast
aus dem Ötztal
Gekommen waren aber der Carabinieri-Kommandant in Schnals, Davis Pasero, und sein Vize. Als Zeitzeugen anwesend waren der damals diensthabende Finanzpolizist Dario Vescovi und der BRD-Mann der Finanzpolizei Neno Ongaro. Der Einladung gefolgt waren Capitano Domenico d‘Angeli und sein Vorgesetzter Oberst Giulio Piller. Nicht fehlen durften Karl Laterner, als damaliger Tourismusdirektor Initiator der 1. Ötzi-Ausstellung in Schnals, und Gianni Bodini, der in der Berichterstattung der italienischsprachigen Presse eine Rolle gespielt hatte. Mit der Direktorin des Archäologiemuseums Südtirol, Angelika Fleckinger, und den Mumien-Experten Albert Zink waren zwei aktive Ötzi-Forscher anwesend. Das Namen gebende Ötztal vertraten der Bürgermeister von Sölden, Ernst Schöpf, und - fast als Überraschungsgast - der Bestatter Anton Klocker. Er hatte mitgeholfen, den Toten einzupacken und in den Sarg zu legen. „Sehr bedeutend“ schätzte Waldner die Anwesenheit des ehemaligen Regionalassessors für Grundbuch und Kataster, Franz Bauer, ein. Er habe die Kontrolle des Grenzverlaufs veranlasst und mit seiner Unterschrift den Ötzi zum Südtiroler erklärt. Vielleicht hätte Österreich in diesem Fall sogar die doppelte Staatsbürgerschaft toleriert. Die Aussagen der Zeitzeugen wurden als Fernsehdokumentation aufgezeichnet. Allen Anwesenden wurden als Präsent das Comic-Buch und ein Paar Filzpantoffeln „Original `from` Ötzis Homeland“ überreicht.
Günther Schöpf
Günther Schöpf