Flucht ins Reservat Eine Politkarriere im Sturzflug

Rettungsanker Nationalpark

Publiziert in 1 / 2003 - Erschienen am 16. Januar 2003
[F] Wie der Laaser Bürgermeister Wolfgang Platter seine Politkarriere im Sturzflug beendet und ein neues Nest im Nationalpark Stilfserjoch findet. Vom Beamten zum Politiker und wieder zurück. von Hansjörg Telfser [/F] Das Ende erinnert irgendwie an das Kinderlied von den „zehn kleinen Negerlein - ... dann waren’s nur noch zwei.“ Vielleicht hat sich der Laaser Bürgeremeister Wolfgang Platter in der letzten Gemeinderatssitzung des abgelaufenen Jahres auch daran erinnert. Bei der Abstimmung zum wichtigsten Tagesordnungspunkt „Nationalpark Stilfserjoch“ teilte nur noch der nibelungentreue Forstbeamte Andreas Feichter die Meinung des Bürgermeisters. Während sich vom Rest des anwesenden Rates zwei der Stimme enthielten, hatte die überwältigende Mehrheit schon das Ufer gewechselt. Für Platter war es noch einmal eine Watschn zum Abschied - sozusagen als Einstimmung auf die neue Beschäftigung. Wenige Tage vorher - am 23. Dezember - hatte die Landesregierung den Laaser Bürgermeister zum neuen Direktor der Außenstelle Glurns des Nationalparkes Stilfserjoch berufen, als Nachfolger von Alois Karner. Dem bescheidenen Prader ist es in seiner kurzen Amtszeit gelungen, dem Park dessen Negativimage zu nehmen. Das Schutzgebiet ist 1935 während der Herrschaft Mussolinis errichtet worden. Nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern vor allem auch als Druckmittel gegen die dort ansässige Bevölkerung. Deshalb haben viele Vinschger und Ultner den Park immer auch als etwas Einschränkendes, Bürokratisches und gewaltsam Aufgesetztes empfunden. Die Meinung überwog daher: Gebracht hat er nichts außer Wildschäden, Behinderungen in der Ausübung der Landwirtschaft und beim Bauen. In diesem Zusammenhang ist auch die Beschlussfassung des Laaser Gemeinderates zu sehen. So lange man Forderungen stellen kann, fordert man lieber mehr. Weniger kommt von alleine. Platter hat mit seinem strikten Nein in der Ratssitzung die Erinnerungen an das restriktive und ungeliebte faschis-tische Gebilde wieder wachgerufen. Noch ehe er die erste Amtshandlung als Direktor der Südtiroler Außenstelle des Nationalparkes Stilfserjoch machen konnte. Pech, dass es in diesem Moment gerade den Park trifft, der dabei ist, salonfähig zu werden. Das Problem liegt aber auf einer anderen Ebene: Platters Charakter. Der war schon hauptverantwortlich dafür, dass die größte Vinschger Polit-Hoffnung der 90er Jahre wieder im Beamtenmeer versenkt wurde. Wie ein roter Faden ziehen sich einige Konstante durch das politische Handeln des Laasers. Dem Biologen und Lehrer wird zwar wie einem braven Schüler von allen Seiten Fleiß, Einsatz, Hartnäckigkeit und großes Wissen zugeschrieben, bei der Umsetzung und im sozialen Umgang hat er aber noch Mängel und Schwächen. Dafür gehört er bei Gesetzesauslegungen zu den Punktgenauesten. Zuerst profitierte er als Liebkind von Silvius Magnagos Mitstreiter Alfons Benedikter von dessen Ausbootung. Landeshauptmann Luis Durnwalder berief Benedikter als Landesrat ab. In der Folge wurde im Tal die Forderung nach einer stärkeren Repräsentanz der Vinschger SVP in wichtigen Gremien laut. Wortführer hierfür: Der damalige Bezirksobmann Manfred Zangerle - Platters Vize in der Gemeinde. Zangerle, der Stratege im Hintergrund und mit allen SVP-Wassern gewaschen, schmiedete eine Allianz mit dem Patriarchen der Burggräfler SVP Norbert Schnitzer und dem damals blutjungen Aufsteiger Karl Zeller. Diese Verbindung sollte den geplanten Domino-Effekt bringen. Und in der Tat schien das Spiel aufzugehen. Zangerle selbst stieg zuerst zum SVP-Parteiobmannstellvertreter auf. Im Bezirk beerbte ihn Platter, der wiederum später für den Landtag vorgesehen gewesen wäre. Bei den fälligen Parlamentswahlen im Jahre ‘96 vereinbarte man im Wahlkreis Vinschgau/Meran, eine Teilung der Macht: Zeller für die Abgeordnetenkammer und Zangerle für den Senat. In der Zwischenzeit hatte sich aber im Vinschgau Widerstand gegen die Bestellung von Zangerle formiert. Auf der entscheidenden Sitzung des Parteiausschusses kippte die Stimmung. Zangerle hätte nun unbedingt eine engagierte Wortmeldung von seinem Bezirksobmann gebraucht. Doch gerade in diesem Moment versagte Platter. Er sagte zwar viel, wie sich einer an diesem entscheidenden Montag im März 1996 erinnert, aber nichts Positives für Zangerle. Das Ende für Zangerle, ging einher mit dem Beginn des Sturzfluges in Platters Politkarriere. Erste größere Zeichen brachte die Gemeinderatswahl. Als SVP-Bezirksobmann züchtete sich der Biologe Platter die größte Opposition im Tale. Von 20 Räten stellte ein Viertel die Bürgerliste. In der Folge musste er sein Amt als Vizepräsident der Bezirksgemeinschaft räumen. Einen Erfolg auf Landesebene hätte es zu dieser Zeit gerade am notwendigsten gebraucht. Doch die Auswirkungen des Zangerle-Desas-ters sollten sich erst in den nächsten Monaten und Jahren noch zeigen. Der Vinschger SVP-Bezirk geriet in arge Turbulenzen. Platter gelang es nicht, den Sinkflug zu stoppen. Bei der fälligen Neuwahl überließ er die Kommandobrücke dem Goldrainer Ex-Landtagsabgeordneten Franz Bauer. Im Jahre 1998 versuchte Platter noch einmal ein Comeback in die Landespolitik. Er scheiterte zwar erst in einer Stichwahl an den Prader Fliesenleger Robert Koch-Waldner als Vinschger Kandidat für den Landtag, doch veranwortlich dafür war immer noch der „schwarze Montag“ von Bozen. Die Eyrser SVP-Ortsgruppe hatte nämlich im Zuge des Abschusses ihres „geistigen Häuptlings“ Zangerle die Tätigkeit der Ortsgruppe eingestellt. Mitgliedsbeiträge wurde nicht mehr gesammelt und das Recht auf Mitbestimmung in den SVP-Gremien ging dadurch verloren. Nur ein Stimmrechte hätte Platter gebraucht, um Koch-Waldner auszustechen. Wenn man sich die Landtagswahl von 1998 vor Augen hält, wäre es leicht möglich gewesen, dass Platter heute gemeinsam mit Richard Theiner in Bozen sitzt. Doch soweit kam es nicht. Die Demontage der einstigen Polit-Hoffnung ging munter weiter. 2000 stellte sich Platter noch einmal als Bürgermeisterkandidat den Wählern. Inzwischen war der Widerstand gegen seine Person auch auf die eigene SVP-Fraktion übergeschwappt. Mit einer hauchdünnen Mehrheit von 21 Stimmen rettete er noch sein Amt. Um in Laas weiter regieren zu können, musste Platter aber einen Pakt mit „Tod und Teufel“ eingehen. In den Ausschuss nahm er nicht nur Gegner aus den eigenen Reihen, sondern auch die freiheitlich angehauchte Bürgerliste. Treue Gefolgsleute musste Platter für sein Amt opfern. Spielten SVP-interne Gegner und die Bürgerliste in Sachfragen zusammen, war der Bürgermeister gezwungen, die Hosen runter zu lassen. Sich dieser misslichen Situation bewusst, vermied es Platter Angriffsflächen zu bieten. In Laas wurde in den letzten Jahren nach dem Vorbild der französischen „Coabitation“ zwischen konservativem Präsidenten und sozialistischer Regierung regiert: Groß- zügigkeit hieß die Zauberformel. Nur einmal geriet man sich in die Haare. Platter wollte den Schatzamtsdienst für die Raika, obwohl diese ein schlechteres Angebot als die Volksbank unterbreitete, retten. Die Abstimmung zeigte klar, wer das Sagen hat. Bei solch „klaren Verhältnissen“ war es verständlich, dass Platter sich seine Erfolgserlebnisse außerhalb der Gemeinde suchte. Als beste Spielwiese bot sich hier der Park an. Sieht man einmal von den Ambitionen des im Tale völlig isolierten Prader Bürgermeisters Herbert Gapp ab, hatte Platter eine g’mahnte Wiesen vor sich. Auch von Landesseite war man froh, jemanden für den von wenigen angestrebten Sessel gefunden zu haben. Nun geht es nur noch darum, einen nahtlosen Übergang zu finden. Wie man Platter kennt, wird er am 31. Jänner wohl von seinem Posten zurücktreten und mit 1. Februar die neue Arbeit beginnen. Am 30. des Monats ist in Laas noch eine Info-Versammlung zum Thema Marmor mit LH Luis Durnwalder. Die Amtsgeschäfte soll Vizebürgermeister Luis Kaufmann bis zur Neuwahl - die zwischen 1. Mai und 15. Juni erfolgen muss - weiterführen. Würde dieser auch zurücktreten, wie einmal angekündigt wurde, käme es in Südtirol zu einem Novum. Bürgerlisten-Mann Oswald Angerer, als an Jahren ältestes Gemeindeausschuss-Mitglied, würde mit der geschäftsführenden Arbeit betraut. Soweit soll es nicht kommen. Wie heißt es doch bei den „zehn kleinen Negerlein - ... dann war es nur noch eins!“
Hansjörg Telfser

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