Vinschger Safran
Erste Ernte am Kartheingut in Tschars
Für ein Gramm Safran braucht es zwischen 150 und 200 Blüten bzw. zwischen 450 und 600 einzelne Safranfäden.
Täglich rückt Elisabeth Tappeiner seit dem 8. Oktober in aller Früh aus, um die Safranblüten noch vor Sonnenaufgang pflücken zu können.
An diesem Safranknollen haben sich bereits Brutknollen gebildet.
In jeder Safranblüte befinden sich drei Safranfäden, die Elisabeth aus der Blüte löst und nachher schonend trocknen lässt.
Peter Weiß und Elisabeth Tappeiner stellen das Kartheingut in Tschars Schritt für Schritt auf Bio um.
Safran ist eine Krokusart, die nicht im Frühjahr, sondern erst im Oktober blüht. Zur Blütezeit bildet die Knolle das grüne Safrangras.

Safran und Gemüse statt Äpfel

Elisabeth Tappeiner und ihr Mann Peter Weiß gehen neue Wege. Erster professioneller Safran-Anbau im Vinschgau.

Publiziert in 35-36 / 2021 - Erschienen am 26. Oktober 2021

Tschars - „Wenn Safran schon in der Schweiz wächst, müsste diese Pflanze doch auch bei uns gedeihen.“ Das sagte Marianne Tappeiner vom Kartheingut in Tschars, nachdem sie vor rund 10 Jahren einen Fernsehbericht über den Anbau von Safran in der Schweiz gesehen hatte. Diesen Satz ihrer Mutter, die 2014 im Alter von nur 59 Jahren gestorben ist, hat die Tochter Elisabeth immer im Hinterkopf behalten. „Außerdem gehört es zu meiner Natur, etwas Neues zu wagen und nicht das zu tun, was alle tun“, erzählte uns Elisabeth Tappeiner am 14. Oktober, als wir sie bei der ersten Safran-Ernte begleiteten. Sie hatte zusammen mit ihrem Mann Peter Weiß während der Corona-Zeit den Entschluss gefasst, das Kartheingut auf Bio umzustellen, die Apfelwiesen am Sonnenberg oberhalb des Dorfes Schritt für Schritt zu roden und sich auf den Anbau von Safran und biologischem Gemüse zu spezialisieren. Abgesehen davon, dass sie im Apfelanbau nicht unbedingt eine rosige Zukunft sieht, haben noch andere Faktoren dazu beigetragen, eine Alternative zum Obstanbau zu suchen: „Mein Mann ist zweimal mit dem Traktor verunglückt und hatte zweimal riesiges Glück. Der erste Unfall ereignete sich, als ich im neunten Monat schwanger war“, blickt Elisabeth zurück.

5.000 Knollen aus Frankreich

Als erste Anbaufläche für den Vinschger Safran wurde eine rund 150 Quadratmeter große Stele am Sonnenberg ausgesucht. Die Fläche liegt auf einer Meereshöhe von ca. 600 Metern und bietet gute Voraussetzungen für den Anbau des teuersten Gewürzes der Welt. Safranpflanzen lieben trockene, sonnige Standorte auf lockeren, sandigen und kalkreichen Böden. Nach einem ersten erfolgreichen Anbauversuch im hofeigenen Garten im Jahr 2020, nach vielen Recherchen und Kontakten mit Safran-Anbauern und Experten in der Wachau in Niederösterreich, in Deutschland und in der Schweiz wagten Elisabeth und Peter heuer eine erste größere Anpflanzung. 5.000 Safranknollen eines zertifizierten Biobetriebs in Frankreich wurden auf der genannten Stele im Spätsommer gepflanzt. Seit dem 8. Oktober ist Erntezeit. Noch bis in den November hinein wird Elisabeth Tag für Tag in aller Herrgottsfrüh mit der Taschenlampe ausrücken, um die Blüten zu ernten.

Alles Handarbeit

Bei der Ernte ist es wichtig, die Blüten vor Sonnenaufgang zu pflücken, denn die Sonne und die Helligkeit mindern die Qualität. Der Safran-Anbau ist insgesamt mit sehr viel Handarbeit verbunden. Das beginnt schon beim Pflanzen der Knollen. Diese werden in 15 Zentimeter Tiefe gesetzt, wobei sie in etwa 15 Zentimeter Abstand zueinander haben sollten. Auch die Ernte und das „Zupfen“ sind reine Handarbeit. „Für das Ernten von 200 Blüten braucht es rund eine Dreiviertelstunde und dieselbe Zeit benötigt man auch für das ‚Zupfen’ von 200 Blüten, also für das Loslösen der drei Safranfäden“, weiß Elisabeth aus eigener Erfahrung. Jede Blüte enthält einen sich in drei Narben verzweigenden Griffel. Nur diese süß-aromatisch duftenden Griffel werden getrocknet als Gewürz verwendet. Um ein Kilogramm von ihnen zu gewinnen, braucht es zwischen 150.000 bis 200.000 Blüten aus einer Anbaufläche von ca. einem Hektar.

495 Blüten zum Geburtstag

Zu den besonderen Eigenschaften der Safranknolle gehört es, dass sie als sogenannte azyklische Pflanze erst im Herbst treibt und den Rest des Jahres im Boden überdauert. Der „Safrankrokus“ vermehrt sich durch seine eigenen Brutknollen selbst. Schon seit dem Beginn der Ernte führt Elisabeth genauestens Tagebuch. Am 8. Oktober z.B. brachte sie 130 Blüten nach Hause. Das Erntegewicht belief sich auf 3,7 Gramm, getrocknet brachte das Gewürz, das auch als „rotes Gold“ bezeichnet wird, 0,6 Gramm auf die Waage. Der bisher ertragsreichste Tag fiel just auf den 11. Oktober, den Geburtstag von Elisabeth: 495 Blüten mit einem Erntegewicht von 12,50 Gramm konnte sie auf der Stele pflücken.

Viele Verwendungszwecke

Safran wird in vielen Gebieten zum Teil seit Jahrtausenden angebaut, so etwa in Afghanistan, Iran, Kaschmir, Südfrankreich, Spanien, Marokko, Griechenland, Italien, Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz. Besonders geschätzt wird Safran in der Küche. Die Verwendungs-Palette reicht von Fischgerichten und Gemüsesuppen bis zur Zubereitung von Saucen, Nachspeisen, Reis-, Pasta-, Huhn- und Lammgerichten sowie zum Gebäck. Wer kennt es nicht, das Kinderlied, in dem es heißt: „Safran macht den Kuchen gehl!“ Was „gehl“ bedeutet, ist bis heute umstritten: die einen behaupten, es bedeute mürbe oder weich, die anderen glauben, dass „gehl“ eine Abwandlung des Wortes „gelb“ ist.

Fruchtfolge und Permakultur

Auf die Grundsätze der Fruchtfolge und der Permakultur legen Elisabeth und Peter aber nicht nur beim Safran-Anbau großen Wert, sondern auch bei der Produktion von Gemüse wie Tomaten, Salat, Karotten und vielen weiteren Gemüsearten und Sorten. Elisabeth: „Wir befinden uns derzeit noch in der ersten Phase der dreijährigen Umstellungsphase auf Bio, sind aber überzeugt, damit den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.“ Nach dem Abschluss der heurigen Apfelernte sollen weitere Flächen gerodet und in Zukunft für den biologischen Anbau von Safran und Gemüse genutzt werden. Was das Gemüse betrifft, „so wollen wir ab dem nächsten Jahr eigene Gemüsekisten ausliefern bzw. zum Abholen am Hof anbieten.“ Der Gemüseanbau basiert auf dem System des „Market Gardening“. Dieses System wurde im 19. Jahrhundert im Umkreis von Paris entwickelt: In einem Gemüsegürtel um die Stadt wurde so viel Gemüse angebaut, wie die Bevölkerung in der Stadt zum Leben brauchte. Was den Vertrieb des Safrans betrifft, wurden bereits erste Gespräche mit Vertretern gehobener Gastronomiebetriebe geführt. Das Interesse an regionalem Safran aus dem Vinschgau ist laut Elisabeth groß. Weitere Informationen über den Vinschger Safran gibt es auch im Internet (www.kartheingut.it).

Josef Laner
Josef Laner

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