Schlanders spielt eine Vorreiterrolle
Publiziert in 16 / 2016 - Erschienen am 27. April 2016
Ortsmarketing wird selbst zum Marketing-Instrument. Schlanders ist dabei, sich als Landgemeinde erfolgreich im Netzwerk zu platzieren.
Schlanders - Der Auftakt ging durch den Magen. Der 9. Tiroler Orts- und Stadtmarketingtag 2016 der Wirtschaftskammer Tirol, Sparte Handel, wurde mit einem Abendessen im Hotel „Vier Jahreszeiten“ eröffnet. Beim anschließenden „Kamingespräch“ ohne Kamin konnten sich Wirtschaftsreferent Manuel Trojer, hds-Bezirksobmann Dietmar Spechtenhauser, hds-Ortsobmann Christian Oberhofer, hds-Bezirkssekretär Walter Holzeisen, hds-Direktor Bernhard Hilpold und der Glurnser Marketingkoordinator Elmar Prieth vom Marketing-Talent des Schlanderser Bürgermeisters überzeugen. Dieter Pinggera schaffte es, bei Dauerregen den Vinschgau als wunderschönes Trockental zu erklären und Lust aufs Tal und auf Schlanders zu wecken. Seine Zielgruppe saß bequem hingelagert in weißen Ledersesseln und wurde von Spartengeschäftsführer Handel in der Tiroler Wirtschaftskammer, Alois Schellhorn, und der Geschäftsführerin des Vereins Stadtmarketing Austria, Karin Klotzinger aus Salzburg, angeführt. Unter ihnen waren Referenten und Marketing-Experten aus Österreich und Süddeutschland.
Die Kamingespräche
Überzeugend erklärte Bürgermeister Pinggera in seinen Grußworten, warum sich Schlanders eine Marketingleiterin leistet. hds-Direktor Hilpold ging auf die Zusammenarbeit seines Verbandes mit Gemeinden und Städten ein und bezeichnete den Schutz des Einzelhandels nicht nur als wirtschaftliche, sondern in Anbetracht sterbender Ortskerne als soziale Aufgabe. Michael Gsaller aus Hall berichtete aus der Sicht seiner Stadt mit 13.000 Einwohnern in der Nachbarschaft von 130.000 Innsbruckern und umzingelt von Einkaufszentren. Markus Huber aus Telfs deutete Initiativen im Bereich Handel an, um den Ortskern zu beleben. Dietmar Spechtenhauser, Laas, stellte die Aktion „Mein Ort soll leben. Erlebe deinen Ort“ vor. Konrad Margreiter aus Brixlegg bekundete sein Interesse an möglichst vielen Erfolgsmodellen, an „best practices“. Gerade dies könne der Internetauftritt von Stadtmarketing Austria bieten, meinte dazu Karin Klotzner, die Vereinsmanagerin von Stadtmarketing Austria mit derzeit 68 Mitgliedern, darunter Sterzing, Bruneck, Brixen, Klausen und nun auch Schlanders. „Schlanders bekommt durch seine Mitgliedschaft ein großes Netzwerk“, meinte sie.
Die Fachtagung
Gut 50 Teilnehmer, darunter Sterzings Bürgermeister Fritz Karl Messner, der Glurnser Bürgermeister Luis Frank, der Malser Referent Joachim Theiner, die Spitze des hds und dessen Vertreter aus Brixen und Klausen ließen sich die Fachtagung im Kulturhaus nicht entgehen. Bürgermeister Pinggera erklärte die Bedeutung von Ortsmarketing als „Querschnittsthema“, das „die Gesellschaft 360°“ betreffe. Seine Marketingfrau Karin Meister stellte das Rahmenprogramm vor und dankte als Sponsoren der Veranstaltung dem Verband der Produzenten für Obst und Gemüse (VI.P), dem Marmorwerk Göflan und dem Hotel „Vier Jahreszeiten“. Den ersten frischen Marketing-Wind in den Saal brachte der Karlsruher Jungunternehmer Marlon Braumann mit dem Vortrag „Der stationäre Einzelhandel der Zukunft: Vom Produktlieferanten zum Erlebnisort.“ Seine „Buchungsplattform store2be“ baut erfolgreich auf die Erkenntnis: Der Einzelhandel muss sich weiterentwickeln. Es geht aber zunehmend um Erlebnisse und weniger um die reine Bedarfsdeckung. Gleichzeitig merken aber gerade Online-Player wie wichtig es ist, wenn man den Kunden ein Offline-Erlebnis bietet. Darin besteht die zentrale Geschäftsidee: Der Einzelhändler stellt leere Räume zur Verfügung und ein anderer Einzelhändler bereichert den Raumbesitzer mit seiner Zielgruppe.
Räume beleben
Ganz im Sinne des Firmennamens „nonconform“ stellte Christina Steininger aus Moosburg/Wörthersee ihre Ideenwerkstatt vor und punktete vor allem durch die konkreten Beispiele mit dem „temporären Sommertheater“ in Haag (NÖ) und der „Ideenfindung durch einen Architekturwettbewerb“ in Fließ bei Landeck. Eines ihrer 5 Fazits war: „Die besonderen Schätze des Ortes müssen anders als gewohnt verknüpft werden.“ Graphisch vereinfacht stellte sie das so dar: Ein Schaufenster genügt nicht; eine Parkbank für die Kommunikation muss her. Daneben kann das Gasthaus eine Gruppenkommunikation bieten; aber am besten wäre ein Platz, der zufällige Begegnungen, Rituale und Märkte erlaubt. Markus Wotruba von der BBE Handelsberatung GmbH München fragte sich „Mehr Onlinehandel = weniger Verkaufsfläche?“ und stellte „Stationäre Konzepte und Standorte mit Zukunft“ vor. „Für mich ist der Handel auf der grünen Wiese schon tot“, verkündete er und erklärte dies mit der sinkenden Lust der Kunden, den Wohnort zum Einkaufen zu verlassen. Nicht nur die Möbelhäuser versuchen sich wieder dem Kunden zu nähern, auch die Online-Händler werden stationär. „Kleinstädte könnten bei der Nahversorgung wieder stärker punkten“, sagte er und tat sich mit der ungewohnten Situation schwer, dass ein 3.580-Seelendorf wie Schlanders das bietet, was in Deutschland nur eine Stadt ab 100.000 Einwohnern bieten kann. Der sprichwörtliche rote Faden durch alle Vorträge war: Räume auf neue, ungewöhnliche Art zu beleben, zu verknüpfen und zu nutzen.
Günther Schöpf
Günther Schöpf