Zankapfel „Umfahrung Forst“
Das Vorhaben, für den Ortsteil Forst einer Umfahrung zu bauen, ist nach wie vor umstritten.

„Sonst wird der Vinschgau langsam zur Transitroute“

Publiziert in 13 / 2012 - Erschienen am 4. April 2012
Vinschgau/Forst – Sollte das 1. Baulos der Umfahrung Forst-Töll tatsächlich gebaut werden, „läuft der Vinschgau Gefahr, Schritt für Schritt zu einer Transitroute für den Schwerverkehr zu werden,“ befürchtet die Umweltschutzgruppe Vinschgau. Die Landesregierung nehmen die Umweltschützer ebenso unter „Beschuss“ wie die Bezirksgemeinschaft Vinschgau, die SVP-Bezirksleitung sowie den Landtagsabgeordneten Sepp Noggler. Die Gemeinden Algund und Marling beharren indessen auf die Umfahrung. von Sepp Laner Wie Eva Prantl (im Bild), die neue Vor­sitzende der Umweltschutzgruppe, dem „Vinschger“ gegenüber bedauerte, lasse die Konsequenz der Politik in diesem Punkt sehr zu wünschen übrig: „2005 hatte die Landesregierung beschlossen, die Baulose 1 und 3 aus dem Tiefbauprogramm zu streichen und nur das Baulos 2 umzusetzen, also die zwei Tunnels, die dann trotz großer Proteste unsererseits gebaut wurden. Dass im Vorjahr plötzlich wieder das Baulos 1, sprich die Umfahrung des Ortsteils Forst, aufs Tapet kam, ist nicht nachvollziehbar.“ Auf Eis gelegt ist das Baulos 1, auf das vor allem die Gemeinden ­Algund und Marling vehement pochen (siehe eigenen Bericht), nicht. Wie aus einer Pressemitteilung des Landes vom 20. März 2102 hervorgeht, laufen bereits „Vorbereitungen für die Projektierung für die Umfahrung Forst.“ Landesrat Richard Theiner (im Bild) hatte sich im Dezember 2011 in der Landesregierung strikt gegen die Umfahrung von Forst ausgesprochen. Bauten-Landesrat Florian Mussner und Landeshauptmann Luis Durnwalder sind hingegen überzeugt, dass die Umfahrung vor allem aus Sicherheitsgründen notwendig sei. Außerdem leide die betroffene Bevölkerung unter Verkehrsbelastungen. Der Knackpunkt scheint jetzt die Frage der Kosten zu sein. Mit Ausgaben in Höhe von ca. 45 Millionen Euro sei man laut Durnwalder nicht einverstanden. Es solle versucht werden, die Kosten merklich zu senken, auch wenn die Bierbrauerei Forst bereit sei, mitzuzahlen. Landesrat Florian Mussner (im Bild) ­sagte am 28. März dem „Vinschger“, dass noch innerhalb April eine Studie mit reduzierten Kosten vorgelegt werden soll. „Klar ist, dass wir die Umfahrung wollen und sie auch zu möglichst niedrigen Kosten bauen werden,“ so Mussner. Die Kosten der ersten Variante seien deshalb so hoch ausgefallen, weil die geologische Beschaffenheit bei der vorge­sehenen Trasse ungünstig sei. Nun werde eine neue Trasse mit härterem Gesteinsuntergrund überprüft. Florian Mussner: „Wir halten am Umfahrungsprojekt Forst fest“ Wenn das Baulos 1 kommt, wird das Nadelöhr Forst-Töll laut Prantl weiter aufgeweicht: „Wir haben es somit mit einem weiteren Schritt in Richtung Transitroute durch den Vinschgau zu tun.“ Prantl gibt zu bedenken, dass der Schwerverkehr seit der Eröffnung der Tunnels in Naturns und Staben laut Berechnungen des Verkehrsexperten Hermann Knoflacher um ca. 14% zugenommen habe. „Wir sind in punkto Verkehr strikt gegen jede Art der Beschleunigung. Daher setzen wir auf möglichst kurze Ortsumfahrungen, wobei Hand in Hand mit dem Bau derselben auch Ausgleichsmaßnahmen gesetzt werden. Beim Umfahrungsprojekt Kastelbell/Galsaun sollten laut Knoflacher mindestens 4 bis 5 Kreisverkehre im Vinschgau als Ausgleich gebaut werden. Dass Mussner von Kreisverkehren nichts wissen will, ist uns leider bekannt,“ so Prantl. 66% der Vinschger Haushalte ­sprachen sich dagegen aus Die Vorsitzende der Umweltschützer erinnert auch daran, dass sich 66% der Vinschger Bevölkerung bei der Haushaltsbefragung zur Erstellung des Vinschger Verkehrskonzeptes klar gegen einen weiteren Ausbau der Strecke Forst-Töll ausgesprochen hat. Sepp Noggler habe im Herbst 2005, als er noch Bezirkspräsident war, wörtlich angekündigt: „Wir werden uns die Meinung der Bevölkerung zu eigen machen.“ Von diesem Vorsatz sei jetzt laut Prantl leider nichts mehr zu hören. Noggler (im Bild) meinte auf Anfrage, „dass es nicht darum gehe, ein Projekt gegen das andere auszuspielen. Für uns im Vinschgau hat eindeutig die Umfahrung Kastelbell/­Galsaun den Vorrang, gefolgt von Maßnahmen im Obervinschgau, wobei es hierbei aber leider noch keinen Konsens unter den betroffenen Gemeinden gibt.“ Die genannten Maßnahmen im Vinschgau werte er als dringender und wichtiger als die Umfahrung Forst, „ohne uns dabei bei konkreten Vorhaben im Nachbarbezirk Burggrafenamt einmischen zu wollen.“ Ähnlich auch die Sichtweite des Bezirkspräsidenten Andreas Tappeiner (im Bild): „Für uns ist in erster Linie wichtig, dass es zu keinen zeitlichen Verschiebungen der Projekte im Vinschgau kommt.“ Auch Rita Gstrein Kaserer, die im Bezirksausschuss für Verkehrsfragen zuständig ist, meinte kürzlich bei einer Bürgerversammlung in Tschars, dass das Thema Forst-Töll nicht oberste Priorität habe. Auf die Frage, ob sie sich weiterhin gegen die Umsetzung der Baulose 1 und 3 stemme, wie sie das 2004 getan hatte, meinte die SVP-Bezirksobfrau Roselinde Gunsch Koch (im Bild): „Wir stehen nach wir vor zum Verkehrskonzept. Landesrat Richard Theiner hat sich in der Landesregierung gegen die Umfahrung Forst ausgesprochen. Für uns hat das Projekt Kastelbell/­Galsaun oberste Priorität.“ Gunsch Koch glaubt außerdem, dass das Thema der Umfahrung Forst nicht sonderlich aktuell sei, man denke nur daran, woher das viele Geld dafür kommen soll. „Bessere Straßen beleben­ ­wirtschaftlich schwache Gebiete nicht“ Eva Prantl und ihre Mitstreiter jedenfalls werfen so manchen SVP-Politikern vor, die Meinung des Großteils der Bevölkerung, wie sie im Verkehrskonzept zum Ausdruck kann, nicht stark genug zu vertreten bzw. sich ganz auszuschweigen. Eva Prantl: „Da muss man sich schon fragen, welchen Sinn es hat, die Bevölkerung zu befragen, wenn die Ergebnisse nachher als belanglos erachtet werden.“ Die Umweltschutzgruppe jedenfalls werde sich nach wie vor klar gegen die Umfahrung Forst stemmen. Zusätzlich zur Transitrouten-Gefahr gelte es auch zu bedenken, „dass man wirtschaftlich schwache Gebiete nicht beleben kann, indem man sie durch bessere Straßen an stärkere anbindet, denn dadurch wird genau das Gegenteil erreicht: Der Starke, in diesem Fall das Burggrafenamt, wird stärker und der Schwache, der Vinschgau, wird schwächer. Dazu zwei Beispiele: Durch schnellere Straßen werden vor allem junge und qualifizierte Arbeitskräfte vom Land in die Stadt abgeworben und nicht umgekehrt. Um die Leute halten zu können, müssen die Betriebe auf dem Land die Löhne der Arbeitskräfte anheben. Schnelle Straßen führen zu einer Konsumverlagerung vom Land in die Stadt. Die Kaufkraft fließt ab, der dadurch sinkende Umsatz wird im Vinschgau noch weitere Geschäfte zum Aufgeben zwingen.“ Der Großteil der Bevölkerung stehe für eine Entschleunigung ein. „Wird die Umfahrung Forst gebaut, haben wir erneut eine Beschleunigung,“ so Prantl. „Wir können die Kritik aus dem Vinschgau nicht nachvollziehen“ Algund/Marling – Für den Algunder Bürgermeister Ulrich Gamper (im Bild) - und nicht nur für ihn - sind die Argumente jener Vinschger, die sich gegen den Bau der Umfahrung Forst stemmen, nicht nachvollziehbar. „Die Gemeinden Algund und Marling warten seit drei Jahrzehnten auf diese Umfahrung. Mit der Verkehrssicherheit im Ortsteil Forst ist es schon seit langem sehr schlimm bestellt. Außerdem hat auch die Verkehrsbelastung schon längst ein unerträgliches Ausmaß angenommen, ich nenne etwa die Lärmbelastung und die verminderte Lebensqualität,“ so Gamper dem „Vinschger“ gegenüber. Um die Einfahrt nach Marling sicherer zu gestalten und vor allem auch die ­Weingartnerstraße, wo im „toten“ Monat Februar 2012 bis zu 7.000 Fahrzeuge pro Tag gezählt worden seien, vom Verkehr zu entlasten, sei die Umfahrung unumgänglich. Was Kritiker aus dem Vinschgau laut Gamper oft vergessen, „sind die rund 100 Leute, die in der Nähe des Endes der MeBo wohnen: „Autos und Lastkraftwagen, die in Richtung Vinschgau fahren, preschen oft mit überhöhter Geschwindigkeit in Richtung Forst. Mit den Warntafeln lässt sich das Problem nur geringfügig eindämmen.“ „Kann das Wort Nadelöhr nicht mehr hören“ Auf die Feststellung, dass die kritischen Vinschger in erster Linie ein weiteres Öffnen des Nadelöhrs Forst-Töll befürchten, meinte Gamper: „Das Wort Nadelöhr kann ich schon gar nicht mehr hören. Tatsache ist, dass wir es zu 80 bis 90 Prozent mit hausgemachtem Vinschger Verkehr zu tun haben. Wer im Vinschgau schon auf ein Nadelöhr pocht, kann sich ja dafür einsetzen, dass in ­Kastelbell das Nadelöhr bleibt, sprich dass dort keine Umfahrung gebaut wird.“ Gamper erinnert unter anderem auch daran, dass schon allein für den Transport der Vinschger Äpfel Tag für Tag viele Dutzende Lkws unterwegs sind. Zur einhelligen Forderung der Vinschger, wonach es bei der Umfahrung Kastelbell/­Galsaun unter keinen Umständen zu weiteren zeitlichen Verzögerungen kommen dürfe, meinte der Algunder Bürgermeister: „Ich kann nur daran erinnern, dass die Umfahrung Forst seit 30 Jahren gefordert wird. Gebaut hat man zunächst aber die Umfahrung Laas.“ Das müsste Grund genug sein, „unsere mehr als berechtigte Forderung gerade im Vinschgau etwas mehr zu respektieren und auch für unsere Anliegen Verständnis aufzubringen.“ Was ihn besonders ärgere, sei der Umstand, „dass zwar regelmäßig Presseaussendungen aus dem Vinschgau veröffentlicht werden, mit denen man gegen die Umfahrung Forst auftritt, aber hier bei uns haben diese Leute noch nie vorgesprochen. Wir nehmen also an, dass sie gar nicht Bescheid wissen, was hier wirklich läuft.“ Manche wüssten gar nicht, wie das Projekt aussieht und was damit bezweckt wird. Das Projekt sieht im Wesentlichen vor, im Bereich der derzeitigen MeBo-Ausfahrt in Algund einen Kreisverkehr zu bauen. Von dort ausgehend wird die Staatstraße weiter nördlich in den Berg geführt und mündet oberhalb der Bierbrauerei Forst wieder in die bestehende Straße ein. Weit von sich weist Ulrich Gamper die Kritik, wonach mit dem Bau der Umfahrung Einzelinteressen der Brauerei Forst bedient würden: „Es ist mehr als lobenswert und außergewöhnlich, dass ein privates Unternehmen bereit ist, eine Umfahrung mitzufinanzieren.“ Gamper verweist auch darauf, dass der Traditionsbetrieb Forst mehreren hundert Menschen einen sicheren Arbeitsplatz bietet. Auch dieser Aspekt sei nicht außer Acht zu lassen. Außerdem stelle die Bierbrauerei ­Lebensmittel her, wobei auch die gesunde Luft im unmittelbaren Umfeld des Produktionsbetriebs eine Rolle spielt. Wie es um das Projekt der Umfahrung Forst im Detail steht, wird bei einer Bürgerversammlung am 24. April um 20 Uhr im Peter-Thalguter-Haus in Algund erläutert. Zu dieser Versammlung wird auch Landesrat Florian Mussner erwartet.
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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