„Straßenbauprojekte setzen wir nur mehr dort um, wo sich die Leute nicht zieren“
Publiziert in 24 / 2005 - Erschienen am 14. Dezember 2005
Über Themen und Anliegen, die der Bevölkerung des Vinschgaus unter den Nägeln brennen, hat sich der „Der Vinschger“ Anfang Dezember mit Landeshauptmann Luis Durnwalder unterhalten.
„Der Vinschger“: Das Thema Energie, das seit Jahren ein Dauerbrenner ist, hat die Vinschger zusammengeschweißt. Nach langem Ringen konnte eine achtprozentige Beteiligung an der Reschensee-Konzession erkämpft werden. In Sachen Umweltplan aber, der die Ausschüttung von 30 Millionen Euro in einem
Zeitraum von 25 Jahren vorsieht, gibt es zwischen den acht Ufergemeinden und der SEL-Edison nach wie vor tiefe Meinungsverschiedenheiten. Steht eine Einigung ins Haus?
Durnwalder: Eine Einigung gibt es derzeit noch nicht. Die Gemeinden wollen mit dem Geld aus dem Umweltplan zum Teil öffentliche Arbeiten finanzieren, die nichts mit dem Thema Umwelt zu tun haben. Es kann doch nicht der Sinn des Umweltplanes sein, Straßenprojekte oder andere öffentliche Arbeiten umzusetzen. Mit diesen Finanzmitteln, die doch in einem sehr großzügigen Ausmaß zuerkannt worden, sollen vor allem Umweltmaßnahmen finanziert werden.
„Der Vinschger“: Die Gemeinden werfen der SEL-Edison aber vor, mit einem Teil der Geldmittel aus dem Umweltplan die eigenen Kraftwerksanlagen in Stand halten zu wollen.
Durnwalder: Wenn mit diesem Geld zum Beispiel Uferabschnitte entlang der rechten Seite des Reschenstausees gesichert werden sollen, so ist das sehr wohl eine Umweltmaßnahme.
„Der Vinschger“: Und was ist mit der Mitfinanzierung des Beregnungsprojekts „Untere Malser Haide“?
Durnwalder: Ein Teil der Finanzmittel aus dem Umweltplan wird für dieses Beregnungsprojekt verwendet. Auch der Staat steuert für dieses Projekt Geldmittel bei, die allerdings nicht ewig zur Verfügung stehen.
„Der Vinschger“: Vom Bau einer Hochspannungsleitung durch den Vinschgau bzw. von einer Elektrizitätsverbindung Nauders-Graun hat man seit längerer Zeit nichts mehr gehört. Die SEL AG und die Tiroler Wasserkraft AG (TIWAG) haben schon vor mehr als einem Jahr ein Projekt für eine grenzüberschreitende E-Verbindung eingerichet. Ist das Thema nicht mehr aktuell?
Durnwalder: Das Thema ist nach wie vor aktuell, es geht aber nicht um den Bau einer neuen Hochspannungsleitung durch den Vinschgau, sondern um eine Zusammenführung der bestehenden Leitungen dies- und jenseits der Grenze am Reschen, und zwar in der Art, wie es auch für die Verbindung Sillian/Innichen vereinbart worden ist. Ich verweise in diesem Zusammenhang
auch auf das Abkommen, das wir mit der TIWAG getroffen haben. Demnach soll im Falle von Stromausfällen, so genannten Blackouts, Strom von Österreich nach Italien fließen.
„Der Vinschger“: Wird die Leitung zumindest unterirdisch verlegt?
Durnwalder: Wenn Teile der Leitung unter die Erde kommen, ist das in Ordnung. Wir wollen sicher nicht, dass Wohngebiete belastet werden.
„Der Vinschger“: Ein Dauer-Thema ist neben der Energie auch der Marmorabbau. Die Brüche von Laas und Göflan drohen auseinander zu driften. Sehen Sie einen Ausweg aus dieser Situation?
Durnwalder: In Göflan kann der Marmor für drei Jahre als provisorische Lösung über die Straße zu Tal gebracht werden. In Laas sind immer noch Rechtsstreitereien im Gang. Nach meinem Dafürhalten muss alles unternommen werden, um die Lasa Marmo und die Tiroler Marmorwerke GmbH zusammen zu bringen. Ich persönlich glaube, dass Laas mit dem bestehendem Verarbeitungsbetrieb, mit der Schule und allem, was noch mit dem Marmor zusammenhängt, weiterhin das Marmor-Zentrum in Südtirol bleiben muss. Es sollte keine zweite Verarbeitungsstätte entstehen.
„Der Vinschger“: Wie soll aber künftig der Abtransport von statten gehen?
Durnwalder: Es wäre wünschenswert, dass es zu einer Einigung kommt, und dass die Schrägbahn in Laas als Transportmittel für alle Bruchbetreiber hergerichtet werden kann. Ich weiß, dass das teuer ist, aber das Land ist bereit, die Sanierung im Rahmen des Möglichen mitzutragen. Im Sinne der Umwelt ist die Schrägbahn sicher die beste Lösung.
„Der Vinschger“: Eine Uneinigkeit bzw. Unzufriedenheit auf viel breiterer Ebene gibt es im Vinschgau in Bezug auf Straßenausbauprojekte. Besonders umstritten ist der Ausbau des Teilstückes Forst-Töll.
Durnwalder: Das Baulos 2, das unter anderem zwei Tunnels vorsieht und das rund 13 Millionen Euro kostet, wird umgesetzt.
„Der Vinschger“: Werden die Baulose 1 und 3 folgen?
Durnwalder: Diese Baulose sind nicht mehr im Programm. Wir wollen in Zukunft grundsätzlich nur mehr dort bauen und Geld ausgeben, wo sich die Leute nicht zieren, wo Einigkeit herrscht und die Gemeindeverwaltungen die Projekte voll und ganz mittragen. Wir sind ja schon für lange Zeit „ausgebucht“ und nenne hier nur die Umfahrungsprojekte von Meran, Brixen und Leifers oder den Ausbau der Pustertaler Straße. Schon allein für diese Vorhaben braucht es mehrere hundert Millionen Euro. Wir als Landesregierung sind stuff, Projekte voranzutreiben, bei denen wir dann auf Widerstand und Proteste stoßen und zudem noch feststellen müssen, dass auch die Gemeindeverwaltungen nur halbherzig hinter den Projekten stehen. Natürlich braucht es auch im Vinschgau Umfahrungen - ich denke hier unter anderem an Rabland und an Kastelbell -, aber wir werden diese Vorhaben als Land nur dann angehen, wenn ein breiter Konsens vor Ort gegeben ist.
„Der Vinschger“: Wie hat sich Ihrer Meinung nach die Vinschgerbahn bis jetzt gemacht?
Durnwalder: Es gab zwar einige Schwiergkeiten am Anfang, aber wie wir jetzt sehen können, wird die Bahn recht gut angenommen. Dies belegen auch die unerwartet hohen Benutzerzahlen. Wir müssen uns bemühen, die Fahrpläne noch besser abzustimmen. Es muss auch gelingen, dass in Zukunft einige Züge direkt bis nach Bozen weiterfahren. Die Hauptbuslinie muss aber stufenweise aufgelassen werden.
„Der Vinschger“: Werden die Gemeinden bei den jährlichen Betriebskosten der Bahn zur Kasse gebeten?
Durnwalder: Wir rechnen mit einem Jahres-Defizit von acht bis neun Millionen Euro. Die Gemeinden brauchen dafür nicht zahlen, anderslautende Beschlüsse werden wir wohl „vergessen“ müssen. Wohl aber sollen sich die Gemeinden um gut funktionierende Zubringerdienste kümmern, um Parkplätze und um die Instandhaltung der Bahnhöfe.
„Der Vinschger“: Wie bewerten sie das skitouristische Angebot im Vinschgau?
Durnwalder: Ich bin überzeugt, dass es etwa im Obervinschgau eine enge Zusammenarbeit zwischen den Skigebieten Watles, Haider Alm, Schöneben und Maseben und dem Skigebiet in Nauders geben soll. Es gibt zwar schon jetzt eine Zusammenarbeit mit Nauders, diese könnte aber besser sein. Eine Anbindung an das Gletscherskigebiet im Kaunertal ist derzeit Zukunftsmusik. Wenn überhaupt, kommt eine solche Anbindung nur in Frage, wenn es die gesamte Bevölkerung von Langtaufers will und die Skigesellschaften des Umkreises als Projektträger fungieren.
„Der Vinschger“: Wird es einen skitechnischen Zusammenschluss von Schöneben und Haider Alm geben?
Durnwalder: Auch das ist derzeit noch Zukunftsmusik. Fest steht, dass wir grundsätzlich keine neuen Skigebiete wollen, sondern nur Verbesserungen, wie sie etwa für die Tarscher Alm angestrebt werden.
„Der Vinschger“: Wie stehen Sie zum Kleinskigebiet in Trafoi?
Durnwalder: Was Trafoi betrifft, muss ich klar sagen, dass die Gemeinde, der Bezirk und auch das Land den Investor Walter Klaus nicht anfeinden, sondern ihn nach Möglichkeit unterstützen sollten. Walter Klaus investiert in Trafoi viele Millionen Euro, von denen er lange Zeit keinen einzigen wiedersieht. Wenn er Pläne für den Bau eines Parkplatzes und anderer Strukturen in Trafoi vorlegt oder ein Konzept für die Nutzung der ehemaligen Staatsimmobilien in der Örtlichkeit Drei Brunnen, sollte er voll unterstützt werden. Solche Maßnahmen sind notwendig, sonst können wir Trafoi „abschreiben“.
„Der Vinschger“: Gibt es noch Ausbaumöglichkeiten für den Tourismus im Vinschgau?
Durnwalder: Ich glaube, dass sich der Tourismus im Vinschgau in letzter Zeit gut entwickelt hat, zum Teil auch dank der Leader-Programme. Der Vinschgau ist ungemein reich an Kultur und Kulturschätzen. Was ich etwas vermisse, ist vielleicht eine bessere Koordination bzw. ein allgemeines Konzept für eine bessere „Vermarktung“ der Angebote.
„Der Vinschger“: Bekommt der Vinschgau wieder einen Senator?
Durnwalder: Wie in Algund abgestimmt wurde, ist bekannt. Sollte der Parteiausschuss entscheiden, ist meiner Meinung nach alles offen.
„Der Vinschger“: Im Vinschgau gibt es seit April zwei Bezirkszeitungen, den „Vinschger Wind" und den "Der Vinschger". Was ist Ihre Meinung zu diesem vinschgau-internen „Blätterkrieg“
Durnwalder: Ich schätze die Medienvielfalt und glaube, dass jede Zeitung eine Bereicherung ist. Ob es aber sinnvoll ist, in einem Tal zwei Bezirkszeitungen herauszubringen, bezweifle ich. Der Werbemarkt hat seine Grenzen und die Wirtschaftslage insgesamt ist derzeit auch nicht die beste. Es werden am Ende der Markt und die Leser entscheiden, wem sie den Vorrang geben.
Interview: Josef Laner

Josef Laner