Surreal
Angst darf nicht in Panik ausarten
Vinschgau - Die Natur hat dem Menschen nicht umsonst das Gefühl der Angst mit auf den Weg gegeben. Angst schützt. Aber auch mit Vernunft sind wir ausgestattet. Sie sorgt dafür, dass Angst nicht in Panik ausartet. Wenn das passiert, wird der Kampf gegen die weitere Ausbreitung des Coronavirus nur erschwert. Und das wäre genau das, was wir derzeit nicht brauchen. Die Lage ist ernst. Die Zahlen und Schlagzeilen überschlagen sind stündlich. Und wir alle sind mittendrin. „Surreal“ war das einzige Wort, das ein Kaufmann über die Lippen brachte, als er am 12. März um 9 Uhr in der Fußgängerzone in Schlanders den Schlüssel seines Geschäftes in die Hosentasche steckte. Am Tag zuvor habe ich beobachtet, wie eine ältere Frau vor der Fassade des geschlossenen Altersheims versuchte, ihren Mann am Telefon zu erreichen. Es gelang ihr nicht. Ihren Ruf, ihn mindestens zum Fenster zu bringen, damit sie einander sehen können, blieb zunächst ungehört. Solche und ähnliche Situationen durchleben derzeit fast alle. Schwer wiegen nicht nur alle wirtschaftlichen Folgen und materiellen Notlagen, in die viele „einfache“ Menschen hineingeworfen werden, sondern schwer wiegt bei nicht wenigen auch die Einsamkeit in den eigenen vier Wänden. Möglichst zuhause bleiben ist aber das Einzige, was wir derzeit alle tun können und auch müssen. Weil wir den „Feind“ nicht genau kennen und weil wir (noch) keine Waffen gegen ihn haben, bleibt nur eines übrig: uns selbst und die Mitmenschen zu schützen, indem wir uns penibel an die Vorgaben halten, mit denen eine weitere Ausbreitung des Virus möglichst verhindert werden kann.
Die Rolle der sozialen Medien
Zu den Regeln und Maßnahmen, die mittlerweile wohl alle kennen und (hoffentlich) auch einhalten, könnte man auch jene dazu nehmen, nicht alles, was über die sozialen Medien zu den Augen und Ohren gelangt, ungeprüft als wahr hinzunehmen. Gerade die Coronavirus-Krise zeigt uns, wie wert- und sinnvoll die soziale Vernetzung ist, wenn man das Netz nicht für Unwahrheiten und Panikmache missbraucht. Auch die Medienwelt steht angesichts der derzeitigen Ausnahmesituation vor neuen Herausforderungen. Abgesehen von der Verantwortung, die den Medien in Zeiten wie diesen in besonderem Maß zukommt, sind sie auch selbst betroffen und mittendrin. Sie stehen nicht am Rande, um zu beobachten und zu berichten, sondern sie sind selbst Teil dieses außergewöhnlichen Geschehens. Auch unsere Bezirkszeitung ist betroffen. Wir haben am 12. März beschlossen, noch eine Art „Notnummer“ herauszubringen und danach das regelmäßige Erscheinen vorerst auszusetzen. Kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns die Nachricht, dass eine 85-jährige Frau, die mit Vorerkrankungen und einer Coronavirus-Infektion im Krankenhaus von Bozen in Behandlung war, gestorben ist. Wir sitzen alle im selben Boot, in Gröden wie im Vinschgau, in Südtirol wie in Italien, in Österreich wie in ganz Europa, ja auf der ganzen Welt. Jetzt müssen wir alle unser Bestens geben, um uns aus dem Würgegriff des Coronavirus zu befreien, daraus zu lernen, wieder aufzustehen und neu zu beginnen.
