Wohin weht die ­Vinschger „Tourismus-Fahne“?
Hansjörg Dietl, der Präsident des Tourismusverbandes Vinschgau, Landeshauptmann Luis Durnwalder und Karl Pfitscher, Präsident des Tourismusvereins Schlanders-Laas (von rechts), analysieren die Vinschger Tourismuszahlen.

Tourismus-Potential noch lange nicht ausgeschöpft

Publiziert in 32 / 2007 - Erschienen am 19. September 2007
Goldrain – Trotz beachtlicher interner Zuwächse hinkt der Tourismus im Vinschgau im landesweiten Vergleich noch in etlichen Punkten zum Teil arg nach. Ein markantes Beispiel ist die schwache Auslastung: In den Betrieben im Vinschgau sind die Betten nur rund 100 Tage im Jahr „voll“. Die Voraussetzungen dafür, den Fremdenverkehr im Vinschgau weiter auf Vordermann zu bringen, sind aber klar ge­geben. Wie sich dieses Potential besser nutzen lässt, war am 13. September eines der Kern­themen bei der Präsentation der „Tourismusstrategie 2011“ für die Ferienregion Vinschgau. „Wir wollen heute zurück­blicken, aber auch in die Zukunft schauen“, sagte Hansjörg Dietl, der Präsident des Tourismusverbandes Vinschgau, im Rittersaal von Schloss Goldrain vor nicht sehr zahlreich erschienenen Tourismus- und HGV- Vertretern aus dem ganzen Tal. Die bisherige Entwicklung und den Ist-Zustand zeigten die Geschäftsführerin des Verbandes, Doris Stocker Tumler, und ihre Mitarbeiter­innen auf. Eine Zahl, die hervorsticht, ist der Zuwachs der Nächtigungen von 1996 bis 2006 um 18 Prozent. Südtirolweit belief sich dieser Zuwachs im selben Zeitraum auf 13 Prozent. Doris Stocker Tumler gewährte auch Einblick in die Tätigkeit des Verbandes und in die Marketig-Maßnahmen. Dem Verband sei es gelungen, Kernthemen aufzubauen und zu vermarkten: Vinschger ­Blütenzauber, Sommer in den Bergen, Sonnenträume im Herbst, Winter im Westen Südtirols, Familienwelten usw. Auch auf Angebotsgruppen und Themenprojekte wurde verwiesen: Radweg „Via Claudia Augusta“, „3 Länder Rad & Bike Arena“, „Alpine Straße der Romanik“, Vinschgerbahn, Vinschgau Incoming, Call Center, Slow Food und Ortler Skiarena, der sich immer wieder neue Skigebiete anschließen. EU-Koordinator Helmut ­Pinggera erinnerte an den fruchtbaren Einsatz von EU-Fördermitteln im Vinschgau. Mit der Umsetzung von Leader- und Interreg-Projekten sei viel bewegt worden. Vorausschauend meinte Pinggera, dass die Zahl der Auslastungstage erhöht werden müsse. Auch im Preisniveau hinke der Vinschgau derzeit im Vergleich zu anderen Landesteilen nach. „Klar sein muss allen, dass der Tourismus mit einem Jahresumsatz von rund 150 Millionen Euro ein wesentliches Standbein der Wirtschaft im Vinschgau ist“, so Pinggera. Der Tourismusverband habe bisher gute ­Arbeit geleistet und nicht selten mit innovativen Projekten eine Vorreiterrolle übernommen. Den Bereich Marketing verglich Pinggera mit einem Uhrwerk: „Es muss jedes Rad funktionieren, und zwar vom Betrieb bis hinauf zur Südtirol Marketing Gesellschaft SMG.“ Wichtig sei es, neue Themen zu entdecken und in sie zu investieren: Atmen und Allergie­freiheit in Sulden, Eislaufloipe auf dem Reschensee, Kultur in Taufers, Slow Food in Martell usw. „Es braucht aber überall ein paar tatkräftige Gastwirte, denn sonst nützt auch die beste Strategie nichts.“ Pinggera regte auch den Umbau der Tourismus-Infostellen zu so genannten Clubdesks an, in denen der Gast alles bekommt, und zwar von der Bahnfahrkarte bis hin zur Buchung von Wanderungen und Zusatzangeboten. Den Zuwachs der Nächtigungen von 1,446 auf 1,710 Millionen in 10 Jahren wertete Hansjörg Dietl als „Ergebnis harter Arbeit.“ Die Bettenauslastung konnte zwar ebenfalls gesteigert werden, liege aber trotzdem um 22 Prozent unter dem Landesdurchschnitt und um 35 Prozent unter jener im Meraner Land. Um auch in Zukunft Wachstumsraten zu erzielen, „müssen wir die Angebote konsequent als Bausteine ausbauen, im Sommer ebenso wie im Winter.“ Die Touristiker müssten zudem neue Trends aufnehmen, neue Märkte ­öffnen und Nischen besetzen. Bezüglich Marketing hielt Dietl fest, „dass vergleichbare Verbände im Land mit Budgets von 750.000 Euro und mehr arbeiten, wir aber müssen mit 180.000 auskommen.“ Große Hoffnung setze der Verband daher auf das Interreg-Programm. Im Tourismus brauche es eine ganze Linie: Tourismusvereine, Verband und SMG, „aber jeder sollte sich auf seine Stärken konzentrieren, gleichzeitig aber auch auf die Interessen und Erfordernisse der Gebiete eingehen.“ Mit diesen Aussagen bezog sich Dietl ganz klar auf die SMG. Weit ausgeholt hat Landeshauptmann Luis Durnwalder. Was es zunächst brauche, sei ein „Ja“ zum Fremdenverkehr. Mit der positiven Einstellung dem Tourismus gegenüber sei es speziell im Obervinschgau nicht immer sehr gut bestellt. „Wir können nicht den Gast rufen, nur um Geld zu scheffeln, sondern wir müssen ihn auch annehmen, und das nicht nur als Gast, sondern auch als Mensch.“ In so manchen ­Dörfern im Vinschgau könnte eine nettere und „wärmere“ Atmosphäre geschaffen werden: „Oft reichen auch kleine Eingriffe aus, um zum Beispiel einen Platz viel schöner zu gestalten.“ Das Potential, das im Vinschgau schlummert, sei groß: „Kein anderes Tal ist so interessant und reich an Kultur, nur muss man die Kultur auch für den Tourismus richtig ‚einsetzen’“. Ähnliche Überlegungen stellte Durnwalder bezüglich der landschaftlichen Besonderheiten und des Nationalparks an: „Nur mit Besucherzentren und Schautafeln ist wenig getan, wir müssen versuchen, aus dem Park auch etwas Positives herauszuholen.“ Auch in vielen Köpfen müsse es hier noch ein Umdenken geben. Die geringe Bettenanzahl von rund 17.000 und die schwache Auslastung sollen die Gemeinden laut Durnwalder dazu animieren, neue Tourismus­zonen auszuweisen. Das sei jetzt ebenso möglich wie die Anpassung der Betriebe. Erneut bestätigt hat Durnwalder, dass er kein Freund von Ampeln und Rondells ist: „Wenn man im Sommer für 40 Kilometer eineinhalb Stunden braucht, so ist das des Guten zuviel.“ Weiter zu verbessern sei die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Tourismus, „denn sie brauchen einander.“ Auch eine Zusammenarbeit innerhalb der Südtiroler Tourismusverbände regte er an. Von der Idee, im Raum Sulden, Trafoi „und vielleicht auch Martell“ ein großes Skizentrum entstehen zu lassen, ist Durnwalder nach wie vor angetan. Mehr noch: „Wenn ein Investor schon bereit ist, Geld zu investieren, sollte man ihm nicht Prügel zwischen die Füße werfen,“ denn sonst werde der Investor früher oder später aussteigen, „und wenn er einmal weg ist, sind alle Tränen umsonst.“ „Dem Investor keine Prügel zwischen die Füße werfen“ Mit „Investor“ meinte Durnwalder Walter Klaus, den Eigentümer der Aufstiegs­anlagen in Sulden und Trafoi. Zu reden sein werde im Besonderen über Trafoi: „Ich habe kein Problem, der Gemeinde Stilfs das ehemalige Polizei-Gelände bei den Heiligen Drei Brunnen kostenlos zu überlassen“, so Durnwalder. Wie im letzten „Vinschger“ berichtet, möchte Walter Klaus dieses Gelände für die Errichtung von Parkplätzen und weiteren Infrastrukturen für einen Ausbau des Skigebietes in Trafoi nutzen. Eine Diskussion zur Tourismusstrategie war von den Veranstaltern leider nicht ein­geplant worden. Rudi Gartner aus Laas warf dennoch einen Vorschlag bzw, ein Vorhaben in den Raum, nämlich die Errichtung eines Marmor-Schau­stollens in Laas. Der Verband solle sich dieses Vorschlages an­nehmen. Was war gut und was braucht es in Zukunft? „Der Vinschger“: Herr Paulmichl, Sie haben 12 Jahre lang die Geschicke der Tourismusregion Vinschgau geleitet. Worauf sind sie besonders stolz? Hubert Paulmichl: Stolz bin ich auf alles Geleistete, zufrieden jedoch noch nicht. Wir konnten zwar die Auslastung von 80 auf 100 Tage im Jahr erhöhen; im Landesdurchschnitt ist das allerdings sehr wenig. Froh bin ich, dass es nicht mehr die Unterteilung in „Obervinschgau“ und „Untervinschgau“ gibt. Heute spricht man nur noch von der Region Vinschgau. Weiters finde ich positiv, dass seit einiger Zeit die Angebote für alle vier Jahreszeiten erstellt werden. „Der Vinschger“: Geben Sie dem Wintertourismus im Vinschgau in Zukunft noch eine Chance? Hubert Paulmichl: Nur mehr auf einer schneesicheren Höhenlage. Unter 1.400 Metern Meereshöhe muss man in Zukunft eine andere Schiene fahren; ich denke an Wellness, Walken, Biken usw., an sanften Tourismus eben. „Der Vinschger“: Einen Wellnessurlaub könnte man auch im November machen. Da allerdings sind die Hotels geschlossen. Hubert Paulmichl: Die Hotelkategorien sollten ihre Angebote aufs ganze Jahr ausdehnen; ein Urlaub in einem Wellnesshotel wäre auch für Einheimische interessant. „Der Vinschger“: Herr Klökner, wie steht es mit der Tourismussituation in Langtaufers? Hansi Klöckner: Ich bin mit meiner Betriebsauslastung zufrieden; besonders im Winter habe ich volle Betten. „Der Vinschger“: Wo liegt ihr Geheimrezept? Hansi Klöckner: Das reicht in die 60er und 70er Jahre zurück. Damals haben wir im Vinschger Oberland mit 8 Reisebüros zusammengearbeitet, die uns wöchentlich 400 Leute geschickt haben. Davon profitiere ich heute noch. Wir haben in Langtaufers ein „Mini-Marketing“ mit 15 Mitgliedern, aber mehr als einen gemeinsamen Prospekt können wir uns nicht leisten. Leider hat auch die Ferienregion am Reschenpass zu wenig Geld, um Werbung in Fachzeitschriften oder Reisemagazinen zu machen. Allerdings wird das Hauptpotential, der „Grauner Turm“. viel zu wenig genutzt. Dort bleiben täglich Tausende von Touristen stehen und finden nicht einmal einen Prospektständer mit Werbematerial für die Sommer- bzw. Wintersaison vor. Da geht uns eine billige Werbemöglichkeit verloren. Interviewes: Ingeborg Rechenmacher Rudi Gartner (Fohlenhof in Laas) bemängelt unter anderem fehlende Einkehrmöglichkeiten entlang des Radweges. Zu Wünschen übrig lasse oft auch die fehlende Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Tourismus. Zum einem gehöre die Sensibilisierung des Gastes für die Landwirtschaft dazu, denn man muss den Gast von der Notwendigkeit des Pflanzenschutzes oder auch der Hagelnetze überzeugen, „dann sieht der Gast das mit anderen Augen.“ Zum anderen sollte der Gast verstärkt regionale Produkte bei seinem Gastgeber genießen können. Der Gast muss auch informiert werden, wo es sie zu kaufen gibt. Der Tourismus im Vinschgau werde erst dann eine richtige Chance haben, wenn er sich ein Leitbild zulegt „und wenn wir herausfinden, wer beworben werden soll und welche Zielgruppen wir ansprechen möchten“.
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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