Landtagswahl '03
Oswald Angerer, Laas Die Freiheitlichen

Viele Köpfe - wenig Programm

Publiziert in 20 / 2003 - Erschienen am 23. Oktober 2003
[F] In der heißen Phase des Wahlkampfes präsentierten sich Vinschger Landtagskandidaten dem Publikum. Nicht das Abbild auf Hochglanzbroschüren, sondern das Original sollte für ein scharfes Profil sorgen. Diese Erwartung blieb über weite Strecken unerfüllt. Im Bericht wird versucht die Gegensätze zu den Themen Verkehr, Strom, Wahlwerbungswahnsinn und Prader Sand herauszuheben. von Stefan Schwienbacher [/F] Volle Briefkästen, eine gesteigerte Frequenz von Landtagskandidaten auf öffentlichen Plätzen, Einweihungen von gerade noch rechtzeitig, halb- oder schon längst fertigen Gebäuden, Wahlmobile und allseits nützliche Präsente: Die heiße Phase des Wahlkampfs steuert ihrem sicheren Ende entgegen. In Zusammenarbeit mit der Tageszeitung „Südtirol 24“ organisierte „Der Vinschger“ ein Wahlmeeting im Kulturhaus von Schlanders. Zehn Kandidaten der acht im Vinschgau angetretenen Parteien konnten am vergangenen Freitag in einer von Josef Rohrer geleiteten Diskussion ihre Argumente vorbringen. Im Sinne der Verhältnismäßigkeit war die SVP mit drei Kandidaten vertreten. Südtirolweit die einzige Wahlveranstaltung dieser Art, sollte sie allen Parteien ein Forum bieten, ihr Programm den über zweihundert Zuhörern zu präsentieren. Dass dabei das Publikum selbst nicht zum Zuge gekommen ist, hatte vorwiegend technisch-organisatorische Gründe: Angesichts der zehn Kandidaten auf dem Podium hätten Zuschauerfragen den Zeitrahmen gesprengt. Die Rolle des kritischen Publikums war den Kandidaten selbst zugedacht, die diese jedoch nicht immer wahrgenommen haben. Nach einer kurzen Vorstellung der Kandidaten startet Moderator Rohrer mit der Frage nach der Einstellung der Kandidaten zur Wahlwerbung. Es würde ihn nicht wundern, wenn im Saal Zeppeline durch die Luft kreisen und Wahlwerbung auf die Zuschauer hinunterregnen würde, deshalb die Frage: [F] Macht man mit einem derart geführten Wahlkampf der Demokratie einen Gefallen? [/F] Als erster in der Runde stellt Theiner unumwunden fest, dass dieser Wahlkampf noch amerikanischer als der letzte geworden sei. Er persönlich empfinde das Tiroler Wahlsystem als besser und hoffe eine Änderung herbeizuführen, die verhindere, dass in Zukunft nur mehr derjenige eine realistische Chance besitze, der genügend Geld habe. Kofler bezweifelt, dass gerade die SVP diesem Wahlwerbungswahnsinn ein Ende setze. Viel zu viel „Glump“ sei im Umlauf, pflichtet auch Pinzger bei, er selbst habe außer „einem kleinen Büchlein, Visitenkarten und ein paar Pinzger Keks“ nicht viel in Umlauf gebracht. Mit einem Angriff auf die SVP kontert Angerer. Gerade die stärkste Gruppierung, die Arbeiterschaft, könne da finanziell nicht mithalten. „Die Arbeiterschaft, die die Zeche zahlt, bleibt wie immer auf der Strecke.“ Auch Taraboi entlockt die Bescheidenheit der SVP-Kandidaten einen Seitenhieb, es wundere sie, dass ausgerechnet sie solche Töne anschlügen, hier werde der Bock zum Gärtner gemacht, kommt dann aber auf das eigentliche Wahlkampfdilemma zu sprechen: „Wenn man mit den Leuten redet, regen sich alle auf über die Flut an Wahlwerbung, die über sie hereinbricht, trotzdem ist der Mensch scheinbar immer noch damit zu beeindrucken.“ Gegen den Strom schwimmt Augscheller mit seinem Statement, Politik sei Inhalt und kein Gesicht. Seine Partei wolle wieder mehr Themen in den Vordergrund rücken und nicht Personen. „Auch ich bin dagegen, dass so viel Wahlwerbung gemacht wird“, meint auch Koch Waldner, „möchte aber sagen, dass die Werbung der Vinschger SVP Kandidaten einen Inhalt hat und der Inhalt Vinschgau heißt.“ Außerdem müsse ein frischer Kandidat die Möglichkeit haben, sich zu präsentieren. Für Tassiello stellt sich diese Frage nicht, ihre Partei habe keine Lire, weder Autohäuser noch Restaurants, um sich einen kostspieligen Wahlkampf leisten zu können. [F] Zentrales Problem im Vinschgau: Verkehr [/F] Den gewagtesten Vorstoß zum Thema Verkehr macht AN-Kandidat Cretti, der eine Mebo durch den Vinschgau fordert. Ein Vorschlag, dem sich keiner der übrigen Kandidaten anschließen will. Mit einer Rundum-Kritik am Verkehrskonzept der SVP nimmt Taraboi Stellung, sie glaube nicht, dass der Zug funktionieren werde. Bis dato gebe es keine Anzeichen dafür, außer einer Diesellok. Nichts geschehen sei bei den Bahnhöfen, bei den Zubringerdiensten, und dass die SAD als Betreibergesellschaft feststehe, verheiße auch nichts Gutes. Zum Verkehr auf der Straße erkennt sie an, dass Umfahrungen gemacht wurden, hie und da verbreitert und begradigt wurde, aber Vinschgau werde im Verkehr ersticken, wenn nichts geschehe. „Keiner will ihn, alle brauchen ihn,“ kontert Pinzger, der Straßenverkehr sei in erster Linie hausgemacht und kein Problem des Durchzugsverkehrs“ und plädiert für ein Gesamtkonzept, ohne neue Trassierungen, aber mit schonenden Umfahrungen. Augscheller sieht die Hauptursache für die Verkehrsproblematik im Tourismus. Es gehe nicht darum Massen anzuziehen, sondern es müssen Wege beschritten werden, um dem sanften, ökologischen Tourismus neue Wege zu ebnen. Cretti kostet der Zug dem Steuerzahler schlicht zu viel und spricht sich deshalb klar dagegen aus. „Richtige Lösungen hat niemand zu bieten“, so Kofler. Der Zug müsse schneller, attraktiver werden, die Sackgasse Mals müsse weg und die natürlichen Bremsen für den Autoverkehr wie die Töll sollen bleiben. „Der Zug muss eine Gaudi werden.“ Angerer hingegen ist überzeugt, dass die Eisenbahn das Verkehrsproblem nicht löst. „Wir müssen über das eigene „Suppenschüssele“ hinausschauen.“ Vinschgau biete sich dem Durchzugsverkehr geradezu an. Pinzger bekräftigt noch einmal, der Tourismus sei nicht schuld, die Opposition habe nicht aufgepasst und spielt Theiner den Ball zu, der dafür konkrete Zahlen nennen könne, was dieser auch prompt macht. Eine vollautomatische Verkehrszählung bestätige, dass der Verkehr zum größten Teil hausgemacht sei. Durchschnittlich passierten im Jahr 2002 den Reschen 5021, Spondinig 10.343, Latsch 11.818, Rabland 15.154 und die MeBo in Vilpian 26.150 Fahrzeuge. Theiner verteidigt noch einmal vehement die Vinschger Bahn gegenüber den Vorwürfen der Opposition und greift vor allem die AN an, der es lieber sei, wenn das Geld in den Städten bliebe. Als Theiner noch mit konkreten Summen, wie viel Geld für den Straßenbau in den vergangenen Jahren in den Vinschgau geflossen sind, auftrumpft, geht Taraboi sprichwörtlich der Hut vom Kopf: „Das sind nicht Gelder, die vom Luis kommen oder vom Herrn Theiner, sondern von den Bürgern.“ Theiner: „Man muss imstande sein, an das Geld heranzukommen.“ Pinzger legt noch ein Schäufelchen nach: „Solche Leute braucht es auch, die das Geld holen.“ [F] Auf welches Konto geht der Erfolg in der Stromfrage? [/F] Auf die Frage Rohrers, ob sich in der Energiefrage im Augenblick alles auf die Windräder reduziere, spricht sich keiner direkt für die Windräder aus. Taraboi, Koch Waldner ebenso wie Angerer kündigen Widerstand gegen die geplante Stromleitung über den Reschen an. Die Kernfrage dreht sich aber dann darum, wer den Erfolg der Vinschger Strom Politik für sich reklamieren darf. Taraboi kreidet an, dass es bis heute nicht gelungen sei. den Strompreis auf die Hälfte zu reduzieren. „In der Stromfrage brauchen wir nicht über die Grenzen zu schauen, das was uns schadet, bringt uns das Land selbst.“ Theiner hebt den Zusammenhalt der Vinschger hervor und präsentiert die Erfolgsbilanz: Der Uferzins von 1,3 auf über 4 Millionen Euro gestiegen, 8 Prozent Beteiligung der Gemeinden an den Kraftwerken von Glurns und Kastelbell, ein Umweltmaßnahmenpaket für 30 Millionen. Taraboi sieht diese Erfolgsbilanz anders, „der Druck der Partei war ein Druck, der vor allem auf die eigenen Leute ausgeübt wurde“ und erkennt in diesem Zusammenhang vor allem die Verdienste des Grauner Bürgermeisters Planger an. Die SVP könne diese Erfolg nicht für sich verbuchen . Darauf Theiner: „Wir Vinschger müssen lernen, nicht alles in den Dreck zu ziehen.“ [F] Prader Sand – Golf Platz Ja oder Nein? [/F] Keiner der Kandidaten reißt sich darum die Frage als erster zu beantworten, schließlich ergreift Angerer das Wort: „Die Kernzone soll auf jeden Fall erhalten bleiben und Gegner und Befürworter sollten sich gemeinsam an einen Tisch setzen“. Er ist überzeugt, dass beides möglich sei. Kofler fordert eine klare Haltung und eine Abstimmung der Bevölkerung. „Lasst keine Bagger hinein.“ Koch-Waldner will vor allem nicht, dass von außen drein geredet wird, von Leuten, die nichts verstünden und nur oberflächlich daherredeten. Nach ihm müsse kein Golfplatz kommen, wenn es die Prader nicht selbst wollten. Er hält die Bevölkerung für mündig genug, um darüber zu diskutieren und selbst zu entscheiden. Im Publikum gärt es. Zwischenruf: „Gebt ihr von der Partei endlich dazu die Möglichkeit?“ Taraboi bleibt bei der Aussage Koch-Waldners die Bürger zu befragen „das Wort im Hals stecken“. Der Prader Golfplatz sei ein Symbol für ganz Südtirol. So werde überall gebaut. Ein paar schnapsten etwas aus und das werde dann mit Brachialgewalt durchgesetzt und die Bürger würden erst befragt, wenn es sich nicht mehr verhindern ließe. Koch-Waldner platzt der Kragen: „Bitte lasst uns alle in Ruhe und lasst uns Prader das alleine entscheiden.“ Augscheller, der immer wieder versucht globalere Zusammenhänge in die Diskussion einzubringen, stellt fest, dass Ökologie keine Privatsache oder die Angelegenheit einer Gemeinde oder gar einiger weniger sei und dass die direkte Demokratie voraussetze, dass die Bevölkerung über alle Informationen verfüge. Tassiello ergreift das Wort, obwohl sie von Schlanders sei, und spricht sich gegen den Golfplatz aus, der nur für 5 Sterne Touristen da sei, die ihr Geld nur dort ausgeben würden und schließt mit dem Satz, dass es in Prad keine Demokratie gebe. Einer Ansicht, der sich Pinzger als „interessierter Beobachter von außen“ nicht anschließen kann, er lese immer wieder über Bürgerversammlungen und Diskussionsabende zum Thema Golfplatz. Er hoffe, das der Golfplatz mit Einverständnis der Bürger gebaut werde. Taraboi stimmt zu, dass es Versammlungen gegeben habe, jedoch keine echten Bürgerversammlungen. Unter einer solchen stelle sie sich vor, dass Gegner und Befürworter auf dem Podium sitzen und die Bürger ihre Fragen stellen können. Eine solche habe es nie gegeben. [F] Schlussrunde: Was soll der nächste Landtag als erstes anpacken? [/F] Angerer: Die Finanzhoheit Südtirols. Augscheller: Probleme wie steigende Inflation bei gleichzeitig sinkenden Realeinkommen, die Abschaffung des Tickets und die Förderung des Gesundheitswesens durch eine progressives Steuersystem bei dem der Arbeiter aus Schluderns nicht gleich viel einbezahlt wie der Bankdirektor aus Schlanders. Cretti: Der neue Landtag soll auf die einzelnen Personen schauen und nicht nur auf die Partei, der sie angehören. Koch: Südtirol als attraktiven Wirtschaftsstandort erhalten, neues Familienpaket, attraktives Bildungssystem für die Jugend. Kofler: Weniger in Beton und Bagger investieren und mehr in die Menschen. Pileggi: für ein besseres Zusammenleben. Pinzger: garantiert eine saubere und ehrliche Politik. Taraboi: Eine Politik, die der Wirtschaft ihren Tribut zollt, aber auch die Herzen erreicht, es gäbe nicht nur starke Menschen im Land. Tassiello: Eine konkrete und vor allem transparente Politik, die ihre Versprechen hält. Theiner: Verantwortungsvolle Leute sollen die Geschicke dieses Landes steuern; erste Maßnahme ein umfassendes Familienpaket.
Stefan Schwienbacher

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