Wachstum wird bestraft
Christian Walzl (links) und Adi Linter machen aus ihrem Erfolg kein Geheimnis. Foto: nade

Wachstum wird bestraft

Publiziert in 7 / 2007 - Erschienen am 28. Februar 2007
Wie viele Autofahrer mögen sich an der Vinschger Staatsstrasse bei Vetzan schon gefragt haben, was wohl hinter der Firma „Kunstdünger“ steckt? Vielleicht hat der eine oder andere Hobbygärtner auch daran gedacht, den Blumendünger demnächst dort zu kaufen. Christian Walzl und Adalbert Linter, die Inhaber der Firma Kunstdünger, gärtnern nicht, sondern designen. Schon das Logo - dem „Schrei“ von Eduard Munch nachempfunden - ist Inbegriff von Kunst und Kreation, welcher auch einmal laut und deutlich sein darf. Mit Kunst düngen bedeutet: einen hohen Anspruch verfolgen, Produkte auf die Kunden abstimmen und damit Erfolg haben. Dieses Konzept verfolgen Christian Walzl und Adalbert Linter, seitdem sie ihre Firma im Jahre 1995 gegründet haben. Was in einem kleinen Büro unter den Meraner Lauben begann, ist heute ein innovativer Betrieb mit 26 fixen Mitarbeitern, einem jährlichen Wachstum von 20 bis 30 Prozent und Kunden in über 50 Ländern der Welt. Von Ingeborg Rechenmacher Adalbert Linter hat Kunst und Design studiert und in dieser Zeit den Blick für gute Entwürfe geschärft. Er ist der Kreative; zuständig für Design und Produktion. Christian Walzl ist der Mann mit dem kaufmännischen Wissen. Als Sohn eines kleinen Familienunternehmens war ihm dieses Hemd schnell zu klein. Er strebte nach mehr, wollte in den Export gehen, wollte international arbeiten. All das haben die beiden Männer mit Vinschger Wurzeln erreicht, allerdings zu einem hohen Preis. „Die Bürokratie in Italien und auch in Südtirol ist zum reinen Selbstzweck und zu einem unlösbaren Problem geworden“, sagt Christian Walzl resigniert. „In Südtirol herrscht der einzig weltweit real existierende Sozialismus“ „20 Prozent der Beschäftigten arbeiten im öffentlichen Dienst, das ist einzigartig. In Italien regieren Lobbys und Gewerkschaften, in Südtirol Beamte und Bauern. Unternehmensstrukturen wie unsere werden von Steuern erdrückt. Lärmschutzbestimmungen, Arbeitsicherheitsvorschriften, das Privacygesetz, Kunden- und Lieferantenlisten sowie die Lohnnebenkosten sind zusätzliche Auflagen, die einem das Unternehmersein vergraulen. Ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, alles zu verkaufen.“ Verbitterung klingt aus den Worten des Mannes, dessen Unternehmen von der Handelskammer zur „Beispielfirma“ im Jahr des Exports 2006 ernannt worden ist. Außerdem hat „Kunstdünger“ im November 2006 den 3. Platz beim Exportpreis der „Langzeitexporteure“ erreicht. Die Kriterien für diese hohe Auszeichnung sind in Wachstum, Personal, Exportquoten und Jahresumsatz zu suchen. „Mit der herrschenden Bürokratie wird Wachstum bestraft anstatt belohnt“, sagt Christian Walzl nicht ohne Frust. „Baugrundstücke fehlen oder sie sind zu teuer. Zudem sind sie seit der „Finanziaria“ genauso wenig abschreibbar wie Betriebsfahrzeuge. Eine Ungerechtigkeit sondergleichen ist die Einhebung der IRAP, einer Steuer, die nicht mehr auf den Gewinn, sondern auf die Unternehmensgröße und den Personalstand berechnet wird. Vom Steuerzahler wird verlangt, dass er vorauszahlt; der Staat hingegen zahlt lange danach; der Steuerzahler muss bei Unterlassung Strafen und Verzugszinsen zahlen, der Staat weder noch. Ein Beispiel ist die Mehrwertsteuer, die wachsende Exporteure wie wir vom Staat erst im Folgejahr zinslos zurückbekommen“ macht Christian Walzl seinem Ärger Luft. Eine – wie er sie selbst bezeichnet - unrealistische Vision für seine Heimat Südtirol geistert im Kopf des Vinschger Jungunternehmers herum: „Weniger Staat und Bürokratie, dafür mehr Freiheit für Unternehmer und Arbeiter! Warum denkt niemand darüber nach, den Vinschgau für weniger Bürokratie, mehr Selbstbestimmung und auch mehr Geld für Angestellte und Unternehmer als Kanton in die Schweiz zu integrieren? Wer will denn heute noch zurück nach Österreich unter die Wiener Fuchtel ohne das liebe Geld aus Rom?“ Trotz seiner Unzufriedenheit mit der derzeitigen Situation in Italien folgt Christian Walzl seiner Vision, „Kunst“ - neue Ideen zu entwickeln und mit „dünger“ – messbaren Markterfolgen – zum Leben erwecken. Fast 1.000 Verkaufsartikel und 15.000 Bauteile bietet die Designfabrik „Kunstdünger“ an. „Wir entwickeln Zubehör für visuelle Kommunikation und all das, was in der Werbung dreidimensional ist. Wir sind in diesen kreativen Bereich eher hineingeschlittert, weil wir Spezialprodukte im Bereich Verkaufspunkt für Markenkunden entwickelt und produziert haben,“ gesteht Walzl. Aus Marktlücken sind ansprechende Designprodukte für modernes Ambiente, im öffentlichen und privaten Bereich, entstanden. Praxisnah und bodenständig im wahrsten Sinne des Wortes ist das Ideenatelier in Vetzan geblieben: Kunstdünger stellt Präsentationssysteme wie tragbare Prospektständer für Messen und Verkaufspunkte (point of sale) her oder auch Kundenstopper und Personenleitsysteme, wie man sie vom Flughafen-Check-In kennt. Die Absperrpfosten für die Olympiade in Turin 2006 beispielsweise hat Kunstdünger hergestellt. Beliebt sind auch die speziellen Befestigungs- und Seilspannsysteme für Decke und Wand sowie die verschiedensten Abstandhalter. Das erste Standardprodukt „Fisso“ ist der Markenname, der Kunstdünger-Kunden am geläufigsten sein dürfte. Mit dem Distanzhalter „Fisso“ ist das Unternehmen groß geworden. „Fisso“ umfasst alles, was Werbetechniker brauchen, um Schilder, Fahnen und Displays zu befestigen; jedoch nicht irgendwie, sondern mit Designerhüllen und dekorativen Zierknöpfen. Dieses Standardprogramm bleibt der Schwerpunkt und soll nach Christian Walzl noch ausgebaut werden. Christian Walzl und sein Team sind ständig auf der Suche nach Problemen am Markt, um sie produktiv lösen zu können. Auch Südtiroler Unternehmen haben sich von der Vision von „Kunstdünger“ anstecken lassen. Die Südtiroler Handelskammer, die Bierbrauerei Forst, Thun und Selva, Athesia, Dr. Schär und die Handelskammer zählen zum alten Kundenstock von „Kunstdünger“. Die internationale Ausrichtung der Firma spiegelt sich auch den in den Absatzmärkten wieder: nach Südtirol bzw. Italien gilt Deutschland als der zweitgrößte Markt für „Kunstdünger“. Erfolgreich beliefert werden mehr als 50 Länder weltweit, wobei Skandinavien und seit kurzem Osteuropa nicht uninteressant sind. „Die Billiganbieter in unserem Bereich sitzen in China, sind jedoch keine ernsthafte Konkurrenz. Unsere Kunden stellen hohe Qualitätsansprüche und sind bereit, für Qualität, Produktvielfalt und Innovation zu zahlen,“ so Christian Walzl. Die Vision für „Kunstdünger“ ist daher klar: „Mit einem guten Team und besonderen Produkten weiter düngen und wachsen; wenn sich die Dinge nicht grundlegend ändern, dann möglicherweise im Ausland“, so der Unternehmer.
Ingeborg Rainalter Rechenmacher
Ingeborg Rainalter Rechenmacher

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