Wald ist ein System, keine Ansammlung von Bäumen
Publiziert in 34 / 2015 - Erschienen am 30. September 2015
Die Eigenverwaltungen der Gemeinde Mals wollten wissen, welche Zukunft der Wald bei steigender Durchschnittstemperatur und
Umverteilung der Niederschläge hat.
Mals - Man hört es schon im Kindergarten: ohne Bäume und Pflanzen kein Sauerstoff, ohne Wald keine Flüsse und kein sauberes Trinkwasser, ohne Wald kein Schutz für Siedlungen, Äcker und Straßen, ohne Wald kein Baustoff Holz und keine nachwachsende Energie. „Solange der Wald grün ist, ist alles in Ordnung. Aber ist er auch gesund?“, fragten sich Amtsdirektor Mario Broll und sein Stellvertreter Georg Pircher vom Forstinspektorat Schlanders, die Fraktionsvorsteher oder deren Vertreter aus Mals, Schleis, Burgeis, Tartsch, Schlinig, Planeil, Ulten-Alsack und der Vertreter der Jägerschaft. Auch die 3. Veranstaltung in der Reihe der Waldbegehungen war eine Initiative des Malser Vorstehers Armin Plagg und seines Mitstreiters Friedl Noggler. Gastgeber war diesmal die Eigenverwaltung Schleis mit Vorsteher Luis Pobitzer, dem Schleiser „Waldreferenten“ Alois Waldner und den Experten der Forststation Mals unter der Leitung von Stefan Peer. Sie hatten sich mit „Verschiedene Formen der Holznutzung in Bezug auf die Klimaveränderung mit Auswirkungen auf das Aufkommen der Schädlinge“ ein anspruchsvolles Schwerpunktthema gestellt.
Mischwald
macht stabil
Dass die Teilnehmer schon auf „Hoachbrugg“, an der Straße nach Schlinig, voll im Thema waren, dafür sorgte Andreas Platter. Der für den Kloster-Wald zuständige Forstbeamte erklärte die Vorgangsweise bei unterschiedlichen Formen von Holzschlag und Holzbringung. Zum ersten Mal wurde der Begriff „Hitzestress“ verwendet, nicht auf eilige Touristen bezogen, sondern auf Bäume an den Rändern eines Schlages. Forstamtsdirektor Broll ging auf Bringungs-Schäden durch unqualifizierte Waldarbeiter ein und gab Verhaltenshinweise bei Auftreten des Rindenborkenkäfers. „Wir bräuchten einen fliegenden Holzschlägertrupp, um überall schnell reagieren zu können“, meinte der Malser Vorsteher Armin Plagg. Broll empfahl, gute Betriebe über längere Zeit zu verpflichten, nicht jeden Schlag einzeln auszuschreiben und Verwaltungen zusammen zu schließen. Es fiel der Satz „Mischwald ist eine Möglichkeit, die Stabilität des Waldes zu festigen“. Die Öffentlichkeit müsse informiert werden, dass abgestorbene Bäume auch deshalb stehen bleiben, um den Borkenkäfer zu binden, fügte Armin Plagg hinzu. Über die Befindlichkeit des Schleiser Waldes hatte der zuständige Mitarbeiter Giordano Gentilini viel Positives zu berichten. Er bezeichnete den Holzschlagerlös im Verhältnis zur Fläche als sehr gut und erklärte Himmelsrichtung und Beschattung als ausschlaggebend für das Nachwachsen. Mario Broll kam auf die für jede Höhe günstigste Beimischung an Baumarten zu sprechen und verkniff sich in Anwesenheit von Revierleiter Otto Jochberger nicht, das Problem Wildverbiss kurz zu streifen. Daran hänge das zunehmende Schwinden des Fichtenbestandes. Im Gegensatz zur unattraktiven Lärche seien die Gipfel junger Fichten und Tannen auch im Winter noch grün. „Würden alle Komponenten passen, verjüngt sich der Wald selbst“, gab sich Broll überzeugt. Die Frage sei nur, ob man sich die natürliche Verjüngung noch leisten könne. Mit „waldbaulichen Tricks“, wie Strukturierung und Gliederung der Bestände, könne man den Wald unterstützen.
Den Wald
zu Bewusstsein bringen
Man hatte inzwischen den „Unteren Medri-Boden“ erreicht. Die früher gemähte und beweidete Fläche war 1997 eingezäunt und aufgeforstet worden. Forststationsleiter Stefan Peer nannte es ein Beispiel, wie „sich dadurch ein Mischbestand prächtig entwickeln“ konnte. Die viel beschworene Stabilität gegen Umwelteinflüsse wie Windwurf, Schneedruck und Schädlingsbefall sei dadurch erreicht worden, merkte er an. Broll nützte die Gelegenheit, um neuerlich auf die Vorteile der „Mischung“ hinzuweisen und recht drastisch die Bedeutung des Waldes aufzuzeigen. Wenn der Wiesenboden von zehn Litern Wasser nur einen Liter speichere und der Waldboden nur einen Liter abgäbe, aber neun speichere, sei die Sachlage ja klar, meinte er. Auf dem Weg vorbei am Oberen Medri-Boden Richtung Flur Kaket nahmen die Forstbeamten Gentilini, Platter und Albert Pritzi Stellung zu verschiedenen Schlägen. Stefan Peer erinnerte an die unterschiedlichen Gründe, wie sich der „Buchdrucker“ (Borkenkäfer) breitmachen konnte: „Sicher war die Bringung nicht optimal, aber folgenschwer war, dass zuerst ein paar Fichten umgestürzt und nicht schnell genug verräumt worden sind. Dazu kamen die Schwächung der stehen gebliebenen Bäume und der milde Winter. Schon war der Käfer-Befall da.“ Es setzte eine Diskussion ein über die Zusammenhänge Wald und landwirtschaftlich ausgerichteter Bevölkerung. „Die nicht bäuerliche Bevölkerung ist aus verschiedenen Gründen nicht mehr so sensibel gegenüber dem Wald“, stellte Peer fest. Daher sei es wichtig, mit den Menschen in den Wald zu gehen, ihnen die Bedeutung der Forstwege und des Waldes im Allgemeinen zu erklären und auf die Folgen der Klimaänderung hinzuweisen. „Nur dann lernt man unseren Freund, den Buchdrucker, kennen“, ergänzte Fraktionsvorsteher Plagg.
Bester Schutz
ist der gesunde Wald
Nach dem frugalen Mittagessen mit Grillmeister Gilbert Steck und Service-Mann Horst Oberhofer versuchte Andreas Platter Licht ins umfangreiche Thema Borkenkäfer zu bringen. Von gut 5.000 Arten weltweit gäbe es 90 verschiedene Borkenkäferarten in Südtirol. Jede Baumsorte ziehe eine andere Käferart an. Die Sorgenkinder im Einzugsgebiet der Forststation Mals seien der „Buchdrucker“ und seit neuestem der „Lärchenborkenkäfer“. Platter klärte über das „Liebesleben“ der Käfer auf und erklärte die Verdoppelung der Fruchtbarkeit als Folge der höheren Temperaturen. „Nur kranke, und schwache Bäume sind unter normalen Umständen betroffen“, so Platter. „Ist die Population der Käfer aber sehr hoch, werden auch gesunde Bäume befallen. Natürliche Gegenspieler gibt es. Wo Buchdrucker drauf sind, findet man auch den bunten Ameisenkäfer. Dazu gibt es Brack- und Erdwespen, die ihre Eier in die Larven der Borkenkäfer legen und sie von innen auffressen“.
Günther Schöpf

Günther Schöpf