Patient Wald
Buchdrucker greift großflächig um sich
„Auch Fichten, die noch kerngesund wirken, können befallen sein“, sagt Forstinspektor Georg Pircher
Grüne Nadeln am Boden sind ein Zeichen dafür, das der Buchdrucker „zu Gast“ ist.
Eine Lärche oberhalb von Göflan, die dem Lärchenborkenkäfer zum Opfer gefallen ist.
Die Waldarbeiter Thomas Heinisch aus Matsch (links) und Arnold Lechner aus Prad, die beim Forstbetrieb des Andreas Schöpf aus Stilfs arbeiten.
In den Wäldern des Vinschgaus sieht es derzeit nicht gut aus.
In den Wäldern des Vinschgaus sieht es derzeit nicht gut aus.
In vielen Gebieten im Vinschgau (in den Bildern einige Aufnahmen aus der Gegend rund um Gomagoi) greift der Fichtenborkenkäfer immer stärker um sich. Die Hitze und die Trockenheit begünstigen die Massenvermehrungen zusätzlich.
In vielen Gebieten im Vinschgau (in den Bildern einige Aufnahmen aus der Gegend rund um Gomagoi) greift der Fichtenborkenkäfer immer stärker um sich. Die Hitze und die Trockenheit begünstigen die Massenvermehrungen zusätzlich.

Waldeigentümer sind gefordert

Georg Pircher: „Hitze und Trockenheit schwächen die Bestände zusätzlich.“

Publiziert in 14 / 2022 - Erschienen am 3. August 2022

Vinschgau - Nicht nur am Sonnenberg sind schon seit einiger Zeit abgestorbene Baumgruppen und „braune“ Waldflächen zu beobachten, sondern auch auf der Nörderseite des Vinschgaus, wo vor allem Fichten wachsen. Der größte „Feind“ der Fichten, der sich in vielen Waldgebieten des Tals rasant ausbreitet, ist der Buchdrucker, der „Große Achtzähnige Fichtenborkenkäfer“. Aber nicht nur dieser Forstschädling setzt den Baumbeständen in besorgniserregendem Ausmaß zu, sondern auch der Lärchenborkenkäfer, der sich in einigen Lärchenwäldern im Vinschgau erstmals großflächig ausbreitet und ganze Bestände befällt. Worunter der „Patient Wald“ neben der außergewöhnlich starken Vermehrung von Forstschädlingen zusätzlich leidet, sind die extremen Hitze- und Trockenperioden, die heuer besonders stark ausgeprägt sind. 

Buchdrucker ist das größte Sorgenkind

In der rasanten Ausbreitung des Fichtenborkenkäfers sieht Georg Pircher, der Amtsdirektor des Forstinspektorates Schlanders, das derzeit größte Problem für die Waldbestände im Vinschgau. Mit 44 Prozent ist die Fichte die am weitesten verbreitete Baumart im Einzugsgebiet des Forstinspektorates, das mit Ausnahme von Schnals und Naturns das ganz Tal umfasst. Die Lärche folgt mit 39 Prozent. Die Hauptursachen für die Massenvermehrung des Fichtenborkenkäfers sind einerseits der Jahrhundertsturm „Vaia“ von 2018 und die Schneedruckschäden der Jahre 2019 und 2020 und anderseits die zunehmende Hitze und Trockenheit. Um die Mengen des Schad- und Fallholzes im Vinschgau zu veranschaulichen, wartet Georg Pircher mit Zahlen auf: „In ‚normalen’ Zeiten werden im Einzugsgebiet unseres Inspektorates im Zuge der nachhaltigen Waldbewirtschaftung rund 50.000 Festmeter Holz pro Jahr geschlägert. Der Sturm ‚Vaia“ hat allein bei uns im Vinschgau in jener famosen Nacht vom 29. auf den 30. Oktober 2018 geschätzte 56.000 Festmeter Holz umgerissen.“ Auf rund 130.000 Festmeter wird die Schadholzmenge geschätzt, zu der es 2019 und 2020 infolge von Schneedruck gekommen ist. In den vergangenen Jahren war man auch im Vinschgau vornehmlich damit beschäftigt, Schad- und Fallholz aus den Wäldern zu bringen. „Im Vergleich zum normalen Jahreshiebsatz von ca. 50.000 Festmeter sind das gewaltige Mengen“, gibt der Forstinspektor zu bedenken.

„Guter Nährboden“ für Schädlinge

Gepaart mit Hitze- und Trockenperioden finden Schädlinge, allen voran der Buchdrucker, beste Voraussetzungen für Massenvermehrungen. Wie arg die Lage derzeit in vielen Waldgebieten im Vinschgau ist, zeigte Georg Pircher dem
der Vinschger bei einer Begehung eines Fichtenwaldes am Nördersberg in Schlanders, der der Fraktion Schlanders gehört und wo derzeit befallene Fichten vorsorglich gefällt und aus dem Wald gebracht werden. 

„Rechtzeitigt entfernen“

Das Gebot der Stunde im Kampf gegen die weitere Ausbreitung des Fichtenborkenkäfers ist die rechtzeitige und möglichst rasche Entfernung befallener Bäume. Georg Pircher: „Auch wenn sich die Fichten nach außen oft noch völlig gesund präsentieren, kommt es oft vor, dass sie bereits befallen sind.“ Die Fichten können den Schädling zwar bis zu einem bestimmte Grad mit Harzausscheidungen abwehren, aber der Buchdrucker ist „schlau“, denn die Fichtenborkenkäfer wandeln Harzinhaltsstoffe in Duftstoffe um, was die Anziehungskraft zusätzlich steigert. Neben der weiteren Besiedlung des Brutherdes (Rammelkammer und Muttergänge) erfolgt der Übergriff auf die Nachbarbäume. Die Käfer können bis zu drei Kilometer weit aktiv fliegen, durch den Wind aber noch viel weiter verweht werden. Dass die Käfer bzw. gefräßigen Larven, die sich über die Wachstumsschicht unmittelbar unter der Baumrinde hermachen, „am Werk“ sind, sieht man an austretenden Harztröpfchen, am Bohrmehl und abgefallenen grünen Nadeln am Boden. Bei Massenvermehrungen haben natürliche Gegenspieler, wie etwa Spechte, keine Chance mehr. 

Schutzfunktion teilweise beeinträchtigt

Abgesehen von wirtschaftlicher Schäden durch die Wertminderung des Holzes kann ein starker Buchdruckerbefall infolge des großflächigen Absterbens von Bäumen auch die Schutzfunktion der Wälder zum Teil arg beeinträchtigen. Darin sieht Georg Pircher einen Grund mehr für möglichst rasches Handeln: „Alle öffentlichen und privaten Waldeigentümer sind aufgerufen, befallene Bestände schnell zu entfernen, um ein weiteres Übergreifen des Schädlings zu verhindern oder zumindest einzuschränken.“ Der Forstinspektor hofft, dass die dafür notwendigen Unterstützungsmaßnahmen bzw. Förderungen seitens des Landes aufrecht bleiben. Zunehmend Sorgen bereite u.a. auch der vermehrt auftretende Lärchenborkenkäfer: „Wurden bisher immer nur einzelne Lärchen beobachtet, die befallen waren und in der Folge abstarben, so gibt es mittlerweile ganze Lärchengruppen, die betroffen sind.“ Auch ein vermehrtes Auftreten des Kiefernprozessionsspinners, der mittlerweile bis nach Mals vorgedrungen ist, war heuer zu beobachten, sowie auch weitere Schädlinge, die den Föhren zusetzen. Auch in diesen Fällen sind es die Hitze und die Trockenheit, die den Befall fördern. Im Raum Schlanders belief sich der Niederschlag von Jänner bis Mitte Juli 2022 auf nur rund 148 Millimeter. Das langjährige Mittel dieses Zeitraums beläuft sich auf immerhin ca. 260 Millimeter. Ebenso markant ist der Unterschied der Lufttemperatur.

Es wird Jahre dauern

„Die Probleme mit dem Buchdrucker, dem Lärchenborkenkäfer und mit weiteren Schädlingen werden uns sicher noch einige Jahre beschäftigten“, prognostiziert Georg Pircher. Zusammenfassend hält er fest, dass der eigentliche und tiefer liegende Grund für die Probleme in den Wäldern in der Erderwärmung und deren Folgen liegt. Er ruft alle betroffenen Institutionen und auch jede Bürgerin und jeden Bürger dazu auf, CO2-Emissionen möglichst zu verhindern bzw. einzuschränken sowie mit der Energie und anderen Ressourcen möglichst sparsam umzugehen. Was die Probleme in den Wäldern betrifft, so bemüht sich das Forstinspektorat, die Waldeigentümer zu beraten und zu unterstützen. Georg Pircher verweist auch auf Schadholzbeiträge seitens des Forstdienstes und auf weitere Möglichkeiten, wie etwa Schutzwaldsanierungsprojekte oder der Aufbau von Mischwäldern. Mit dem Thema Wald hat sich kürzlich übrigens auch der Rat der Bezirksgemeinschaft Vinschgau befasst. Es galt, 450.000 Euro für Waldverbesserungsmaßnahmen im Gebiet der Nationalparkgemeinden zweckzubinden. Diese Geldmittel werden vom Umweltministerium über den Nationalpark ausgeschüttet. 

Einzelne dürre Bäume sind kein Problem

Worüber sich viele immer wieder wundern, ist die Tatsache, das einzelne abgestorbene Bäume in den Wäldern nicht gefällt und beseitigt werden. „Dürre Einzelbäume lassen wir bewusst stehen,“ sagt der Forstinspektor. Sie haben zum einen keine Nahrung mehr für Schädlinge zu bieten und sind daher unter diesem Aspekt nicht mehr „gefährlich“. Zum anderen aber können sie Lebensraum für Nützlinge sein und sehr wohl noch über Jahre hinweg eine Schutzfunktion erfüllen.

Josef Laner
Josef Laner

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.