Wasser frei für „Untere Malser Haide“
Publiziert in 7 / 2006 - Erschienen am 5. April 2006
Nach der Abstimmung am 1. April steht jetzt dem Bau der Beregnungsanlage „Untere Malser Haide“ nichts mehr im Weg. 79,6 Prozent der betroffenen Grundeigentümer in den Katastralgemeinden Mals, Schleis, Laatsch und Glurns haben sich für den Bau der Anlage ausgesprochen. 19,4 Prozent waren dagegen, drei Stimmzettel waren weiß. Die erforderliche Mehrheit (zwei Drittel der Abstimmenden) wurde somit klar überboten. Höher als erwartet war auch die Wahlbeteiligung. Knapp 70 Prozent der Grundeigentümer gingen zur Wahl. Auf die Stimmrechte bezogen lag die Beteiligung sogar bei 75 Prozent.
Von Sepp Laner
Das Ausführungsprojekt war eine Woche vor der Abstimmung in Mals vorgestellt worden. Zu dieser Informationsversammlung waren nur rund 70 der insgesamt rund 480 Grundbesitzer erschienen. Markus Joos, der frühere Geschäftsführer des Bonifizierungskonsortiums Vinschgau und nunmehrige Leiter des Bezirksamtes für Landwirtschaft in Schlanders, blickte auf die Projektierung zurück und stellte die Finanzierung vor. Markus Joos hat das Projekt von Anfang an maßgeblich mit vorangetrieben.
Das Beregnungsprojekt umfasst 490 Hektar
Über die technischen Details der Anlage informierte Ingenieur Walter Gostner von der Ingenieurgemeinschaft Patscheider & Partner in Mals. Das Beregnungsprojekt umfasst rund 490 Hektar, wobei sich rund 232 ha in Mals befinden, rund 138 in Laatsch, rund 68 in Glurns und rund 51 in Schleis. Die Wasserfassung erfolgt am Haidersee. Das Projekt ist in die Zone Nord und in die Zone Süd unterteilt, sodass es sich laut Walter Gostner eigentlich um zwei, jeweils rund 245 ha umfassende Anlagen handelt, die unabhängig voneinander betrieben werden können. Für den Betrieb sind zwei Beregnungswarte vorgesehen. Die Länge der Hauptleitungen beträgt knapp 24 Kilometer, jene der Sekundärleitungen an die 25 Kilometer. Für die Hauptleitungen werden Gussrohre verwendet, für die kleineren Leitungen Rohre aus Polyethylen. 230 Beregnungsnetze sind geplant. Zwischen 16 und 18 Beregner werden pro Hektar aufgestellt. Der Druck, der infolge des Gefälles zwischen dem Haidersee (1451 Meter) und Glurns (910 Meter) entsteht, wird mit drei Druckunterbrecher-Schächten abgeschwächt.
Auch über die möglichen Beregnungs-Turnusse gab Walter Gostner Auskunft. Markus Joos beschrieb die Anlage mit einem Vergleich aus der Autobranche. Es handle sich um eine „Mercedes“-Anlage. Sämtliche Flächen könnten in relativ kurzer Zeit bewässert werden. Auf diese Weise lasse sich auch dem Problem Wind auf der Malser Haide beikommen.
Die Grundbesitzer zahlen höchstens zehn Prozent
Die Gesamtkosten der Beregnungsanlage „Untere Malser Haide“ werden mit 17,2 Millionen Euro angegeben. 10,952 Millionen Euro davon kommen vom Staat. Der Staat hat erst kürzlich im Einvernehmen mit den Regionen und Provinzen ein auf ganz Italien ausgedehntes Maßnahmenprogramm im Beregnungssektor verabschiedet. Für Südtirol ist die Finanzierung der Beregnungsanlage „Untere Malser Haide“ vorgesehen. Die Landesregierung hat das Projekt am 27. März genehmigt. „Die Hälfte der Geldmittel des Staates wird sofort ausgeschüttet, die andere Hälfe ab 2008,“ sagte Markus Joos bei der Versammlung in Mals. Seitens der Seledison liegt laut Joos eine Zusage von 5 Millionen Euro vor (jeweils 2,5 Mio. Euro für die Jahre 2006 und 2007) sowie auch die Zusage von 1,5 Mio. Euro als Führungsbeitrag für einen Zeitraum von 25 Jahren. „Die Investitionsbeiträge umfassen insgesamt rund 15,950 Mio. Euro und das sind zwischen 92 und 93 Prozent der Gesamtkosten,“ rechnete Joos vor. Die Restkosten dürften sich somit auf rund 1,25 Mio. Euro belaufen. Gemessen an den 490 Hektar dürften sie daher zwischen 2.500 und 3.000 Euro pro Hektar liegen. Markus Joos erinnerte auch daran, dass 27 Prozent der Grundeigentümer weniger als 0,3 Hektar besitzen, 48 Prozent weniger als 0,5 ha und 75 Prozent weniger als einen ha.
„Die Seledison gibt den Bauern 0,0“
Zur Finanzierungs-Zusage seitens der Seledison stellte der Malser Bürgermeister Josef Noggler klar, dass es nicht die Seledison sei, die das Geld bereit stelle, sondern die Gemeinde Mals und die weiteren sieben Ufergemeinden. Laut Noggler schöpft die Seledison den Beregnungsbeitrag aus dem so genannten Umweltplan (Umweltverbesserungsmaßnahmen an den Wasserkraftanlagen von Glurns und Kastelbell zugunsten des Territoriums der Anrainergemeinden). Dieser Umweltplan sieht die Ausschüttung von 30 Mio. Euro innerhalb von 25 Jahren vor. Die insgesamt 6,5 Millionen Euro kommen daher laut Noggler von den acht Ufergemeinden und in erster Linie von der Gemeinde Mals. „Die Seledison gibt euch Bauern 0,0,“ sagte der Malser Bürgermeister. Sie sei lediglich bereit, 3,3 Millionen Euro, die der Gemeinde Mals aufgrund des Umweltplanes in einem 30-Jahreszeitraum zustehen, vorzufinanzieren. Der Rest werde von den weiteren sieben Ufergemeinden (Graun, Glurns, Schluderns, Laas, Schlanders, Latsch und Kastelbell-Tschars) in Form von Mehrwertsteuer-Verrechnungen eingebracht. Es sei nämlich vereinbart worden, dass die Seledison bestimmte Maßnahmen in den Ufergemeinden in Eigenregie durchführt, dafür die Mehrwertsteuer (20 Prozent) rückfordert und an die Gemeinden weiterleitet, sodass dieses Geld wiederum dem Beregnungsprojekt zugute kommen kann. Wie Noggler weiter erklärte, sei es Landeshauptmann Luis Durnwalder gewesen, der gesagt habe, dass die Gemeinden die „Kröte“ Beregnung schlucken müssten. Im Gegenzug aber könnten sie mit den weiteren Geldmitteln aus dem „Umweltplan“ sozusagen nach Belieben verfahren.
Zumal mit dem Bau der Beregnung viel Wasser eingespart werden kann, hofft die Seledison, künftig noch mehr Strom produzieren zu können. Die Seledison hat laut Noggler bereits um die zusätzliche Konzession angesucht. „Wenn es zur Konzessionsvergabe kommt, werden die Ufergemeinden und speziell die Gemeinde Mals sicher den Hut aufhalten und einen Beteiligung einfordern,“ sagte Noggler. Noch deutlicher wurde er hierzu bei der Malser Gemeinderatssitzung am 28. März (siehe Bericht auf Seite 6).
Wie Markus Joos bei der Info-Versammlung in Mals feststellte, sei es das erste Mal überhaupt, dass für die Einsparung von Wasser aufgrund des Baus einer Beregnung etwas gezahlt wird.
Führungsgremium vor Ort
Die Beregnungs-Hauptleitung als Struktur wird Eigentum des Landes werden. Von der grundbücherlichen Eintragung eines Servituts (Grundlast) ist daher auszugehen. Der Bau und die Erhaltung der Hauptleitung werden im Konzessionsweg an das Bonifizierungskonsortium Vinschgau übertragen. Zur Führung der gesamten Anlage ist die Einsetzung eines Gremiums vor Ort vorgesehen.
„Eine einmalige Chance“
Die Katastervertreter von Laatsch (Josef Wallnöfer), von Mals (Andreas Lechthaler), von Schleis (Josef Patscheider) und von Glurns (Armin Bertagnolli) sowie auch der Präsident des Bonifizierungskonsortiums Lothar Burger stimmten darin überein, dass die Chance zum Bau der Beregnung aufgrund der finanziellen Zusagen einmalig sei. Werde sie nicht genutzt, seien die knapp elf Millionen, die der Staat zuschießt, für immer „pfutsch“. „Wenn wir uns unter diesen Voraussetzungen nicht zum Bau entschließen können, stimmt etwas in unseren Köpfen nicht mehr,“ sagte Josef Patscheider. Auch auf Argumente wie Arbeitszeiteinsparung und Arbeitserleichterung wurde verwiesen.
„Die beste Möglichkeit gab es meiner Ansicht nach vor über fünf Jahren; damals hätten im Zuge des Beregnungsbaus auch drei E-Werke errichtet werden können,“ sagte der Malser Bürgermeister. Das damalige, auf rund 1000 Hektar ausgelegte Projekt habe in der Abstimmung leider nicht die nötige Mehrheit gefunden. „Jetzt haben wir die zweitbeste Möglichkeit, denn die Grundbesitzer bzw. die Bauern bekommen die Beregnung fast zum Nulltarif,“ meinte Josef Noggler.
Was geschieht mit den Waalen?
Bei der Diskussion wurde auch die Frage aufgeworfen, was künftig mit den Waalen geschieht. Markus Joos sagte, dass es diesbezüglich „gewaltige“ Auflagen gebe, die der UVP-Beirat festgeschrieben hat. So sei etwa verbindlich vorgeschrieben, dass die vier Hauptwaale (Mühlwaal, Weitewiesenwaal, Faasawaal und Latinawaal) viel Restwasser führen müssen. „Es handelt sich um eine Restwassermenge, die in etwa die Hälfte der Wassermenge ausmacht, die es für die Bewässerung der gesamten Flächen braucht,“ sagte Joos. In der Diskussion wurde dennoch zu befürchten gegeben, dass kleinere Waale, die in Wirklichkeit so klein gar nicht sind, mit der Zeit verschwinden könnten.
Die Beregnungsanlage ist von der Dimensionierung und Technik her so konzipiert, dass sie auch Spielraum für die Bewässerung von Alternativkulturen bietet, was vor allem in der Zone Süd, sprich von Glurns aufwärts, gefragt sein dürfte.
Bedenken, wonach die Anlage dem Verpächter eines Grundstücks nicht viel bringe („jetzt bekomme ich einen Kilo Butter im Jahr, werden es künftig zwei?) wurden von Joos und mehreren Katastervertretern mit dem Argument zerstreut, dass der Mehrwert im Falle des Verkaufs des Grundstücks auf jeden Fall seinen Niederschlag finde.
Baubeginn und Zeitleiste
Mit dem Baubeginn wird frühestens im Frühjahr 2007 gerechnet. Der Bau der Hauptleitung (13,2 Millionen Euro) wird europaweit ausgeschrieben. Die Errichtung der Nebenleitungen und weitere Arbeiten wird das Bonifizierungskonsortium im Wege von Privatverhandlungen vergeben. Die Bauzeit dürfe sich laut Gottfried Niedermair, dem Geschäftsführer des Bonifizierungskonsortiums, auf drei oder mehr Jahre belaufen.
Josef Wallnöfer dankte am Ende der Informationsversammlung im Namen aller Katastervertreter dem früheren Geschäftsführer Markus Joos und besonders auch den Gemeinden, speziell der Gemeinde Mals, für die Mitfinanzierung über den „Umweltplan“.
„Das Abstimmungsergebnis ist für uns ein klarer Auftrag,“ sagte Gottfried Niedermair am 2. April dem „Vinschger“. Es gelte nun, vor Ort eine Arbeitsgruppe einzusetzen. Auch weitere Aufklärung und Information werde es geben.
[F]Auch klare Gegenstimmen[/F]
Im Vorfeld der Abstimmung über den Bau der Beregnungsanlage hat es auch deutliche Gegenstimmen gegeben. Die Grünen hatten die Grundbesitzer aufgerufen, sich gut zu überlegen, „ob sich der technische Eingriff für das Beregnungssystem und der finanzielle Aufwand langfristig mit einer nachhaltigen Entwicklung des oberen Vinschgaus vereinbaren lässt.“ Die „Finanzierung über den Umweltplan“ weist die Grüne Fraktion entschieden zurück und hat dazu auch eine Landtagsanfrage eingebracht. Die Grünen sprechen von einem „Missbrauch von Geldmitteln, die für gemeinnützige, ökologisch sinnvolle Projekte vorgesehen sind.“ Kritik kam auch seitens der Heimatschützer.
„So langsam aber sicher kommt der Vinschgau unter die Räder! Landschaftlich und wirtschaftlich,“ ist die Bezirksobfrau der Union für Südtirol, Christine Taraboi-Blaas, überzeugt. Die Beregnungsanlage sei „ein weiterer Meilenstein in Richtung Landschaftszerstörung“. Das jahrhundertealte Waalsystem werde zerstört, das typische Landschaftsbild werde sich unwiderbringlich verändern. Weiters befürchtet Taraboi-Blaas Spekulationen seitens finanzkräftiger Obstbauern des Mittel- und Untervinschgaus.
Josef Laner