Wasser
Für gerechte und ökologische Zukunft
Referenten, Organisatoren und Unterstützer des Abends in Schluderns (v.l.): Michael de Rachewiltz (Eurac Research), Ghali Egger (BASIS), Professor Harald Pechlaner, Jenny Ufer (Eurac Research), Hannah Kosow (Referentin), Werner Platzer (Direktor Raika Prad-Taufers), Mirjam Gruber (Referentin), Gianni Bodini (Fotograf und Publizist) und Bürgermeister Heiko Hauser.
Die traditionelle Bewässerung im Obervinschgau wurde am 5. Dezember 2023 auf Antrag des Heimatpflegeverbandes Südtirol als immaterielles UNESCO-Kulturerbe der Menschheit eingestuft.
Beim Abend in Graun (v.l.): Michael de Rachewiltz (Eurac Research), Markus Moriggl (Direktor Raika Obervinschgau), Luca Daprá (BASIS), Bürgermeister Franz Prieth, Jenny Ufer (Eurac Research), Marc Zebisch (Referent), Reinhard Scheiber („Unser Wasser“ Ötztal), Ex-Bürgermeister und Ex-Kammerabgeordneter Albrecht Plangger, Michael Wunderer (E-Werk Prad und SEV), Martha Innerhofer Frank (Waalerin) und Ghali Egger (BASIS).
Das Interesse an den Vortragsabenden in Schluderns (links) und Graun (rechts) war jeweils groß.
Das Interesse an den Vortragsabenden in Schluderns und Graun war jeweils groß.
Das Interesse an den Vortragsabenden in Schluderns und Graun war jeweils groß.

Wassernutzung neu denken

In Schluderns und Graun wurde über Wasserkonflikte und mögliche Lösungen nachgedacht.

Publiziert in 3 / 2025 - Erschienen am 11. Februar 2025

Schluderns/Graun - Wie wirkt sich der Klimawandel auf den Wasserhaushalt aus? Wie kann es gelingen, Konflikte um die Wassernutzung zu lösen? Wie kann die überlebenswichtige Ressource möglichst gerecht verteilt und ökologisch verträglich genutzt werden? Diese und viele weitere Fragen rund um das Wasser standen im Mittelpunkt zweier Vortrags- und Diskussionsabende, die am 5. und 6. Februar in Schluderns und Graun stattgefunden haben. „Wassernutzung neu denken“ lautete das Motto der zweitägigen Veranstaltung, zu der Eurac Research in Zusammenarbeit mit BASIS Vinschgau Venosta und der Bürgergenossenschaft Obervinschgau (BGO) sowie mit Unterstützung der Raiffeisenkassen Prad-Taufers und Obervinschgau eingeladen hatte. Die Tagung war eine Folgeveranstaltung der Churburger Wirtschaftsgespräche, zu denen Johannes Graf Trapp über 30 Jahre lang regelmäßig eingeladen hatte. Für den am 18. Jänner 2024 verstorbenen Grafen wurde zu Beginn des Abends im Vintschger Museum in Schluderns auf Bitte von Bürgermeister Heiko Hauser eine Gedenkminute eingelegt.

Seit jeher „heißes“ Thema

Neben Heiko Hauser wiesen auch Professor Harald Pechlaner (Center for Advanced Studies, Eurac Research), Ghali Egger (BASIS), BGO-Geschäftsführer Michael Hofer und der Direktor der Raika Prad-Taufers, Werner Platzer, in ihren Grußworten darauf hin, dass dem Thema Wasser im Trockental Vinschgau seit jeher eine besondere Bedeutung zukommt. Zusätzlich zur Nutzung als Trinkwasser wird das begehrte Nass auch für die Landwirtschaft, die Stromproduktion, die Beschneiung und weitere Zwecke genutzt. Angesichts der Tatsache, dass das Wasser zunehmend knapper wird, nicht zuletzt infolge des Klimawandels, häufen sich Konflikte und „Kämpfe“ um die Wasserverteilung.

Globale und lokale Konflikte

Dass globale und auch lokale Wasserkonflikte mehr sind als nur Streitereien um die Ressource Wasser, zeigte Hannah Kosow vom Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart in ihrem Eröffnungsreferat im Vuseum auf. Weltweit haben nur rund drei Viertel der Bevölkerung einen sicheren Zugang zu Trinkwasser. Hunderte Millionen, in erster Linie arme Menschen, müssen ohne verlässlichen Zugang zu sauberem Trinkwasser und ohne angemessene sanitäre Anlagen auskommen. Erschwerend hinzu komme, dass der Süßwasserbedarf global steige, und zwar um rund 1 Prozent pro Jahr. Der weltweit größte Verbraucher von Wasser ist die Landwirtschaft. Aber auch die Industrie und die Haushalte sind für den steigenden Bedarf verantwortlich. Rund die Hälfe der Weltbevölkerung leidet unter saisonalem Wassermangel.

Ungleiche Verteilung

Generell hielt Kosow fest, dass Wasser ein bedrohtes Gut ist und dass Verschmutzung und Klimawandel die Lage verschärfen. Konkret gehe es bei Wasserkonflikten darum, welches Wasser für welchen Zweck genutzt wird, wer Zugang zu Wasser bekommt, wer wieviel dafür zahlt, ob und wie Wasser geschützt wird und wie man sich vor Wassergefahren schützt. „Wasserkonflikte sind vielschichtig und immer auch ein Spiegel sozialer und politischer Machtverhältnisse“, sagte Kosow. Neben der Verteilung, der Nutzung und dem Schutz von Wasser „geht es um die Verteilung von Wohlstand, Macht und um die Entscheidungsprozesse selbst.“ Andererseits können Wasserkonflikte auch als Katalysator für die Entwicklung neuer Umfangsformen mit Wasser wirken. Es könnten Gesetze und Regeln erlassen, Wasserverträge und Wasserabkommen vereinbart oder Institutionen bzw. Organisationen für ein sozial gerechtes und ökologisches Wassermanagement mit der Beteiligung möglichst aller Akteure geschaffen werden.

Klimawandel und Berichterstattung

Wie Medien in Südtirol das Thema „Wasser und Klimawandel“ zu den Ohren und Augen der Menschen bringen, schilderte die Politologin Mirjam Gruber (Eurac Research). Sie hatte sich zusammen mit einem Forschungsteam mit der Frage befasst, „wie über Wasser gesprochen wird, wenn es fehlt.“ Beleuchtet wurde die Berichterstattung über die Winterdürre 2023. In manchen Beiträgen sei die Dürre so dargestellt worden, als sei sie ein einmaliges Wetterphänomen und hänge nicht mit dem Klimawandel zusammen. Dieser gerate in der Berichterstattung oft in den Hintergrund. Oft werde auch vermittelt, dass der Klimawandel etwas sei, das weitab von uns stattfinde und dass man nichts dagegen machen könne bzw. dass es nicht in der Verantwortung von uns allen liegt, konkret etwas dagegen zu tun. Laut Gruber wäre es wünschenswert, dass die Rolle lokaler Medien bei der Berichterstattung über Extremwetterereignisse vertiefender analysiert wird. Zum Ausklang des gut besuchten Abendes in Schluderns zeigte der Fotograf und Publizist Gianni Bodini beeindruckende Bilder von Wasserwaalen im Vinschgau, in Europa und darüber hinaus. Beim anschließenden Buffet spielte Robin Diana (Robin’s Huat) auf.

Eine Gemeinschaftsaufgabe?

Im Mittelpunkt des zweiten, ebenfalls gut besuchten Veranstaltungsabends im Vereinshaus in Graun stand in erster Linie die Suche nach möglichen Lösungen von Wasserkonflikten. Bürgermeister Franz Prieth stellte in seinen Grußworten die „Wassergemeinde“ Graun mit dem größten Stausee Südtirols, dem naturbelassenen Haidersee und dem Ursprungsort der Etsch vor. In Sachen Trinkwasserversorgung sei die Gemeinde mit 8 Speicherbecken gut aufgestellt. Was die Beschneiung von Skipisten betrifft, setze man auf eine effiziente Wassernutzung mit Kühltürmen. Es sei hierbei gelungen, eine Unterkonzession mit dem Stauseebetreiber zu vereinbaren. Auf sämtlichen Langlaufloipen liege Naturschnee. Nicht unerwähnt ließ der Bürgermeister die Bedeutung des Haidersees für die Bewässerung der Malser Haide.

Jenseits von Markt und Staat

Im Anschluss an Grußworte des Raika-Direktors Markus Moriggl referierte Johannes Euler aus Deutschland, Mitbegründer des Commons-Instituts und Experte für sozial-ökologischen Wandel, zum Thema „Wasser als Gemeinsames“. Er ging im Besonderen auf sogenannte Commons ein. Das sind im Wesentlichen gemeinschaftlich organisierte Selbstorganisationen zur Nutzung von Ressourcen wie etwa von Wasser. Es geht hierbei nicht um Gewinne, sondern um das Allgemeinwohl und die gegenseitige Hilfe. Auch mit Beispielen aus Spanien, Kolumbien und Bolivien wartete Euler auf, wo zum Beispiel Beregnungsanlagen und Wasserkanäle gemeinschaftlich betrieben werden, und zwar jenseits von Markt und Staat. Unter Commons sind gemeinsam hergestellte, gepflegte und genutzte Produkte und Ressourcen unterschiedlicher Art zu verstehen. Mit Commons vergleichbar sind Genossenschaften oder Waalinteressentschaften, wie es sie im Vinschgau bzw. ganz Südtirol seit Jahrhunderten gibt.

„Schnee im Winter geht uns verloren“

Mit aktuellen Daten zum Thema „Wasser in Zeiten des Klimawandels“ wartete Marc Zebisch auf, der Leiter des Center for Climate Change and Transformation von Eurac Research. Einleitend stellte er fest, dass der Klimawandel eindeutig im Gang ist: „Er ist auch in Südtirol überall messbar, er wird weitergehen und ist leider nicht wegzudiskutieren.“ Die jährlichen Niederschlagsmengen in Südtirol gehen zwar nicht zurück, „aber dennoch wird es in Zukunft infolge der Erwärmung und der damit einhergehenden stärkeren Verdunstung mehr Trockenheit geben.“ Alle Gletscher in Südtirol gehen zurück und der Winterschnee wird weniger. Zebisch: „Rund 40 Prozent des Wasserabflusses kommt vom Schnee, der im Winter fällt. Die Schneedecke ist ein gewaltiger Speicher, der das Dreifache des Volumens aller Stauseen in Südtirol ausmacht.“ 

Verantwortung für Unterlieger

Der Klimawandel führt laut Zebisch aber nicht nur zu mehr Trockenheit und Dürre, sondern auch zu Starkregen: „Ein Hochwasser, wie es Slowenien im August 2023 erlebte, als über ein Drittel der Landesfläche betroffen war und Schäden im Ausmaß von rund 5 Milliarden Euro Schäden entstanden, könnte sich auch bei uns ereignen.“ Generell hielt Zebisch fest, „dass wir der Landschaft und dem Wasser in der Vergangenheit zu viel Land abgerungen haben.“ Die Wasserrückhaltekapazität sei daher zu erweitern, Projekte zur Aufweitung und Renaturierung von Flüssen wie der Etsch und des Eisacks seien empfehlenswert. Hingewiesen hat der Klimaforscher auch auf potentielle Wasserkonflikte im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Zumal die Unterlieger, sprich die Provinz Trient und die Region Venetien, für die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen auf das Wasser aus dem Einzugsgebiet der Etsch angewiesen sind, könne es bei Trockenperioden zu Konflikten kommen: „In solchen Fällen kann die Stromproduktion mit Wasserkraft direkt mit dem Bewässerungsbedarf in Konflikt geraten.“ Zur Bewältigung derartiger Konflikte schlägt Zebisch eine Zusammenarbeit bzw. ein Miteinander aller Beteiligten vor.

Kampf gegen Großkraftwerk

Wie es dem Ötztaler Verein „Unser Wasser“ gelungen ist, bisher erfolgreich für den Verbleib des Wassers im Ötztal zu kämpfen und Wasserableitungen ins Kaunertal für den Bau eines großen Kraftwerks zu verhindern, schilderte im Rahmen einer Podiumsdiskussion der Vereinsobmann Reinhard Scheiber. Ziel des politisch unabhängigen Vereins sei es, „das Wasser als Lebensgrundlage für Tourismus, Freizeit und Landwirtschaft zu erhalten.“  Vom Kraftwerksbau wären 20 Gemeinden und 3 Talschaften betroffen (Kaunertal, Ötztal und Platzertal). Nun werde seitens des Landes bzw. der TIWAG, die zu 100 % im Eigentum des Landes Tirol steht, ein großes Hochwasserschutzprojekt angepeilt. „Wenn ein Energieversorger ein derartiges Projekt plant, ist Skepsis angebracht“, sagte Scheiber.

„Gutes Miteinander in Schluderns“

Von einem grundsätzlich guten Miteinander in Schluderns sprach Martha Innerhofer Frank. Sie ist Bäuerin, Gemeinderätin und seit rund 2 Jahren Beregnungswartin, sprich Waalerin, in Schluderns. Sie erinnerte an den Bau der Beregnungsanlage „Ebnet“ mit Querfinanzierung durch die Gemeinde, an die Errichtung des Kraftwerks Konfall (konstante Einnahmequelle für die Gemeinde) und weitere Win-win-Effekte, wie etwa mehr Restwasser im Saldurbach, höherer Wasserspiegel im Biotop und Einsparung von Wasser. Der frühere Bürgermeister und ehemalige Kammerabgeordnete Albrecht „Abi“ Plangger erinnerte an den jahrzehntelangen Kampf für eine Beteiligung der Gemeinde an der Reschenstausee-Konzession: „1990 war die Gemeinde bettelarm und der damalige Stauseebetreiber verdiente jährlich 30 Milliarden Lire mit den Händen in den Hosentaschen.“ Diese Situation habe sich verbessert.

Neidischer Blick in die Schweiz

Laut Plangger sei es gut und angebracht, über die künftige Wassernutzung nachzudenken. Der Stausee habe Auswirkungen auf das ganze Land. Mit einem Schuss Neid verwies Plangger auf die Schweiz: „Dort gehört das Wasser den Gemeinden und dem Kanton.“ Laut Michael Wunderer, dem Geschäftsführer des E-Werks Prad und Verantwortlichen für Trading und Sonderprojekte im Südtiroler Energieverband SEV, ist es bei Kraftwerksprojekten wichtig, die Bevölkerung mitzunehmen. Es seien oft viele Interessen im Spiel. Fehl am Platz seien eine schlechte Kommunikation, eine falsche oder gar keine. Das „Prader Modell“ fuße auf Mitbeteiligung und auf eine bedarfsgerechte, lokal organisierte sowie sozial und ökologisch verträgliche Energiewirtschaft: „Wir sind am Puls der Zeit. Ohne Klimaschutz gibt es keinen Umweltschutz.“ Auf erneuerbare Energiequellen gelte es in Zukunft noch stärker zu setzen, etwa auf die Kraft der Sonne. Wie schon in Schluderns gab es auch in Graun ein Buffet vom „Bistro Vinterra“, zubereitet mit biologischen und lokalen Produkten. Für Musik in Graun sorgte Fabienne Runggaldier aus Kaltern.

Josef Laner
Josef Laner

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