Weihnachten bei uns
Publiziert in 45 / 2015 - Erschienen am 16. Dezember 2015
Ein familiäres Ambiente für beeinträchtigte Menschen schaffen, Freude schenken, Wertschätzung zeigen. Das versucht die Lebenshilfe in Schlanders. Insbesondere zu Weihnachten.
SCHLANDERS - Ein Nachmittag in der Adventszeit. Die Menschen im Haus Slaranusa sitzen in der Küche, in der Wohngemeinschaft, rund um den Adventskranz. Die Weihnachtszeit ist da. Die Freude in den Augen der beeinträchtigten Menschen ist ersichtlich. Das Weihnachtsfest kann kommen, Geschenke auspacken, Lieder singen, zusammen im familiären Ambiente sein. Das ist es, was für viele Hausbewohner und die Mitarbeiter der Struktur zählt. Da ist Tresl, eine Hausbewohnerin die zwar kaum spricht, aber beim Singen der Weihnachtslieder voll in ihrem Element ist. Oder Manni aus Kastelbell, ein schüchterner junger Mann, der sich „auf das Christkindl“ freut und eifrig Kekse verschlingt. Leckere Kekse, die Hermine und Daniela mit viel Freude und Liebe gebacken haben. Für sie alle ist die Weihnachtszeit etwas ganz besonderes.
Doch überhaupt fühlen sich die Menschen im Haus Slaranusa in der Schlanderser Karl-Tinzl-Straße, gleich neben dem Bezirkskrankenhaus, wohl. „Die Struktur gibt es seit den späten 1980er Jahren, in dieser Zeit ist so einiges geschehen“, erinnert sich die Leiterin der Wohngemeinschaft, Emma Pinzger. Die Vetzanerin ist seit 20 Jahren im Haus tätig, genauso wie ihr Stellvertreter, Wilfried Kaserer aus Morter. Gemeinsam mit ihrem Team, insgesamt 16 Personen, kümmern sie sich rund um die Uhr um die Hausbewohner. 2007 wurde das Haus umgebaut. „Erst war es ein großes Heim, jetzt ist es eine Wohngemeinschaft mit Vierer- und Dreiergruppen“, erklärt Pinzger. Die Wohngemeinschaft sei auf zwei Standorte verteilt, im Haus Slaranusa selbst befinden sich vier Gruppen, insgesamt 15 Betreute. Eine vierköpfige Wohngemeinschaft lebt direkt im Dorfzentrum, in der 2003 gegründeten „Dorf-WG“.
Hier ist Familie
Die Bewohner sind zwischen 20 und 60 Jahre alt und haben die unterschiedlichsten Beeinträchtigungen. Eines haben sie jedoch alle gemeinsam: Sie fühlen sich wohl in den Strukturen der Lebenshilfe. Hier ist ihre Familie. „Es kann zwar nichts eine Familie ersetzen, aber wir versuchen es so gut wie möglich“, betont Kaserer. Die Menschen die im Haus leben, sind hier, weil es oft keine andere Möglichkeit gebe. „Es sind Menschen, für die daheim aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr gesorgt werden kann“, erklärt der Morterer. Der ein oder andere besucht über Weihnachten oder an jedem vierten Wochenende die Familie daheim. Für wiederum andere ist die Wohngemeinschaft die einzige Familie.
Auch deshalb ist die Weihnachtszeit für viele ältere Bewohner eine schwere, sentimentale Zeit. Sie schwelgen in Erinnerungen, denken an früher, an die Kindheit, an Eltern und Verwandte - an liebe Personen die nicht mehr für sie da sein können. „Insbesondere in der Weihnachtszeit brauchen die Bewohner viel Nähe. Das Miteinander tut ihnen gut“, sagt eine nachdenkliche Emma Pinzger. Auch für sie und Kaserer sei die Weihnachtszeit eine emotionale Zeit. Wenn sich das Jahr dem Ende neigt, man das Vergangene Revue passieren lasse und man dann Bestätigung der Hausbewohner für die geleistete Arbeit bekomme, „das tut schon gut“. Es tue auch einfach gut, zu sehen, dass es den Heimbewohnern gut geht. „Schon durch kleine alltägliche Dinge, kann man die Menschen glücklich machen. Die Freude in den Augen der Bewohner, ihre Dankbarkeit, das ist Bestätigung und Motivation für unsere Arbeit“, sind sich die Betreuer einig.
Der ganz normale Alltag
Zur Weihnachtszeit gehöre Kekse backen, ein Festessen und natürlich Geschenke verteilen. Eben ganz normale Sachen. Überhaupt hat sich das Haus zum Ziel gesetzt, den Menschen einen normalen Alltag zu bieten. Es wird gearbeitet, eingekauft, gekocht: „einfach ein normales Leben gelebt“, so Kaserer. Der Tag für die Hausbewohner beginnt mit dem Frühstück, ab 8.30 Uhr geht es in die Werkstätte. Dort haben Heimbewohner und weitere Tagesgäste, insgesamt 44 beeinträchtigte Personen, ihren Arbeitsplatz. 44 plus der im Altenheim lebende Heiner, dem man helfe, das Leben zu meistern, Lebenshilfe eben. Rund sechs Stunden verbringen die Menschen dort. Hergestellt wird allerlei Nützliches und Schönes, Dinge, die dann im Dorfladen oder beim Weihnachtsmarkt verkauft werden. Zudem werden Serienarbeiten für Hoppe-Zubehör erledigt. Hierfür besitzen die Menschen einen Arbeitsvertrag und verdienen Geld. „Doch es geht weniger ums Geld, als vielmehr um die Wertschöpfung. Die Menschen haben Freude daran, gebraucht zu werden, etwas zu leisten“, weiß Kaserer.
Weihnachtsfeier im Haus
Und wie im gewöhnlichen Alltag gibt es auch im Haus immer wieder besondere Höhepunkte. Dinge, auf die sich die Bewohner freuen. Seien es die Feiertage oder traditionelle Veranstaltungen wie der Weihnachtsmarkt. „Sogar der Nikolaus ist gekommen“, erzählt Fabian aus Schlanders freudig. Der Nikolaus, das war Wilfried Kaserer, der seit Jahren als Mann mit Bart fleißig Geschenke verteilt und Freude bereitet. Und der nächste Höhepunkt steht ebenfalls bald vor der Tür. Am Tag vor Heilig Abend findet im Haus Slaranusa eine große Weihnachtsfeier mit allem drum und dran statt. Eine Weihnachtsmesse und ein gemütliches Zusammensein von Hausbewohnern, Angehörigen, Vertretern der Bezirksgemeinschaft und Vorstandsmitgliedern. „Wir werden singen und musizieren“, freut sich Hermine jetzt schon. Ein ganz normales Weihnachtsfest in einem besonderen Haus.
MICHAEL ANDRES
Michael Andres