Wem kann man noch in die Augen schauen?

Publiziert in 37 / 2012 - Erschienen am 17. Oktober 2012
In punkto Marteller Konzession könnte es am 14. November zum Hauptverfahren vor dem Wassermagistrat in Rom kommen. Eine außergerichtliche Einigung steht noch immer aus. Martell/Laas/Latsch - Es war im Februar 2006, als sich die Ufergemeinden Martell, Laas und Latsch zusammen mit dem VEK (Vinschgauer Energiekonsor­tium) um die Marteller Konzession (Kraftwerk Laas-Martell) bewarben. Den Zuschlag gab das Land am 30. Dezember 2009 aber nicht den Vinschgern, sondern der Hydros GmbH. An dieser ist die SEL mit 60 % beteiligt, die Edison mit 40 %. Die Edison wird mittlerweile vom französischen Energieriesen EDF kontrolliert. Gegen den Beschluss der Landesregierung zur Konzessionsvergabe an die Hydros hat das VEK im Auftrag der drei Anrainergemeinden Rekurs beim Wassermagistrat in Rom eingelegt. Es folgten jahrelange Bemühungen, um zu einer außergerichtlichen Einigung zu kommen. Man stand mehrmals kurz vor einer Einigung, doch eine endgültige Zusage seitens der Edison gab es nie. Im November 2011, wenige Tage nach dem ersten großen „Ausbruch“ des SEL-Skandals, hatte Landeshauptmann Luis Durnwalder bei einer Bürgerversammlung in Martell noch von einer baldigen Einigung in der Causa Marteller Konzession gesprochen. Die wichtigsten Forderungen der Vinschger sind ein direktes Strombezugsrecht aus der „Marteller Konzession“ im Ausmaß von rund 30 Millionen kWh sowie die Umsetzung von Umweltplänen. Am vergangenen 9. Oktober hätte die außergerichtliche Einigung endgültig unterschrieben werden sollen. An diesem Tag hat eine Sitzung des Verwaltungsrates der Hydros stattgefunden. Wie Georg Altstätter, Bürgermeister von Martell und Mitglied des Hydros-Verwaltungsrates, enttäuscht bestätigte, ist es nicht zur Einigung gekommen. Die SEL habe sich zwar grundsätzlich mit dem Kompromiss einverstanden gezeigt, aber die Edison habe erneut auf noch ungeklärte Details verwiesen. Altstätter bedauert, dass es noch immer keinen Schlussstrich gibt. „Speziell in der jetzigen Situation wäre es angebracht gewesen, dieses Kapitel im Einvernehmen zwischen dem Land, den Vinschgern und der Hydros abzuhaken.“ Im Anschluss an die Sitzung der Hydros traten das VEK und die Bürgermeister von Martell, Laas und Latsch zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. „Wir haben den VEK-Obmann Albrecht Plangger beauftragt, jetzt die letzten Vorbereitungen für das Gerichtshauptverfahren in Rom zu treffen,“ so der Laaser Bürgermeister Andreas Tappeiner. Der Geduldsfaden sei gerissen, man wolle sich nicht länger hinhalten lassen. Welche Strategie verfolgt die Edison? Laut Albrecht Plangger seien alle Vorarbeiten für die Unterschrift am 9. Oktober bis ins letzte Detail getroffen worden. Am 5. Oktober habe es seitens der Edison noch geheißen, dass alles in Ordnung sei. Erst am 8. Oktober, am Tag vor der geplanten Unterschrift, sei dann wieder von irgendwelchen Pro­blemen gesprochen worden. „Von Problemen, die wir nicht verstehen,“ so Plangger. Er könne das Verhalten der Edison nicht einschätzen: „Wir wissen nicht, welche Strategie die Edison verfolgt.“ Mittlerweile seien die Zeiten um, „und wir werden ja sehen, welche Entscheidung die Richter am 14. November in Rom fällen werden.“ Auf die Frage, warum die SEL, die mit dem Kompromissvorschlag angeblich einverstanden ist, nicht ausreichend Druck auf den Partner Edison ausübt, meinte Plangger: „Die Edison hat ein Vetorecht. Ohne sie kann die Hydros keinen Bleistift kaufen.“ „Wenn diese Anschuldigen stimmen, leidet ganz Südtirol darunter, also wir alle“ Zu den neuesten Auswüchsen des SEL-Skandals, wonach der Ex-Landesrat und Ex-Landtagsabgeordnete Michl Laimer sowie Maximilian Rainer „getrickst“ haben sollen, um die SEL bei der Vergabe von Konzessionen zu bevorteilen, meinte der VEK-Obmann: „Ich beobachte mit großem Interesse, was sich da alles abspielt. Nun haben die Richter das Wort.“ Es liege ihm daher fern, Behauptungen aufzustellen oder über Leute zu urteilen. Was aber, wenn sich herausstellt, dass es bei der Abwicklung der Wettbewerbe tatsächlich Unregelmäßigkeiten gegeben hat? Albrecht Plangger: „Dann wäre das mehr als schlimm. Ganz Südtirol würde darunter leiden, also wir alle.“ Aus diesem Grund komme jetzt bei ihm keine Schadenfreude auf. Auf die Frage, ob auch in punkto Marteller Konzession „getrickst“ worden sein könnte, meinte Plangger: „Ich weiß es nicht und hoffe es nicht.“ Wenn ja, würde das bedeuten, dass nicht versucht wurde, irgendwelche privaten Bewerber ‚auszubremsen’, sondern Gemeinden, und das wäre äußerst schwerwiegend. Der Landtagsabgeordnete Sepp Noggler meinte zu den Ermittlungen rund um die Vergabe von Konzessionen: „Ein bestimmter Verdacht unsererseits war immer da.“ Er habe bereits 2010 zusammen mit Arnold Schuler eine Landtagsanfrage bezüglich der Abgabe von Wettbewerbsunterlagen für Konzessionsvergaben eingebracht. „Damals zeigte man uns die gelbe Karte und jetzt bekommen andere die rote,“ so Noggler. Bezüglich Marteller Konzes­sion sagte Landeshauptmann Luis Durnwalder am Samstag dem : „Ich war der Überzeugung, dass die außergerichtliche Einigung binnen weniger Tage unterschrieben wird. Wir werden die Angelegenheit am Montag (15. Oktober, Anm. der Redaktion) erörtern und mit Vinschger Vertretern abklären.“ Auf die Frage, ob auch bei der Marteller Konzession „geschummelt“ worden sein könnte, meinte Durnwalder: „Nein, das glaube ich. Mir jedenfalls wurde gesagt, dass nur ENEL-Konzessionen betroffen sind.“ Gemeint ist ein rundes Dutzend von Wasserkraftwerken der SE Hydropower (gemeinsame Gesellschaft von SEL und Edison). Ob die SEL-Affäre mit einem allumfassenden gerichtlichen Vergleich sozusagen vom Tisch gefegt wird, wie dies Teile der Opposition im Landtag befürchten, bleibt abzuwarten. Der SVP jedenfalls und auch der Landesverwaltung hat die Affäre stark zugesetzt. SVP-Obmann Richard Theiner bestätigte dem , am Kurs schonungsloser Aufklärung und Transparenz festhalten zu wollen. Die Landesregierung hat die Vorwürfe im Zusammenhang mit Manipulationen bei der Vergabe von Stromkonzessionen am Montag als „völlig haltlos“ zurückgewiesen: Weder der Landeshauptmann noch die übrigen Mitglieder der Landesregierung hätten von den Manipulationen gewusst. Von nicht wenigen Bürgern und auch Gemeindeverwaltern im Vinschgau bekam man bei Gesprächen über die SEL-Affäre jüngsthin vor allem eine Frage zu hören: Wem kann man noch in Augen schauen? Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner

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