„Wir bräuchten mindestens 5.000 kg pro Tag“
Publiziert in 32 / 2014 - Erschienen am 17. September 2014
Bergmilch Südtirol will die Produktion von Biomilch im Obervinschgau
neu ankurbeln. Alce Nero als neuer Partner.
Graun/Mals - Bereits vor einigen Jahren hat Bergmilch Südtirol begonnen, im Obervinschgau die Produktion von Biomilch anzukurbeln. Derzeit werden täglich ca. 1.000 kg Biomilch produziert und als Frischmilch vermarktet. Wenn es gelingt, mindestens 5.000 kg zusätzlich zu produzieren, will Bergmilch Südtirol Bio-Joghurt herstellen und dieses Produkt in Zusammenarbeit mit dem neuen Partner Alce Nero in Italien und darüber hinaus vermarkten. „Bio-Produkte haben Zukunft. Die Nachfrage steigt, die Wertschöpfung für die Produzenten ebenso“, gaben sich der Bergmilch-Obmann Joachim Reinalter, der Vizeobmann Alfred Pobitzer aus Schleis und der Geschäftsführer Robert Zampieri am 10. September bei Informationsversammlungen in Graun und in Mals überzeugt. „Wir haben im Obervinschgau mit Biomilch angefangen und sind überzeugt, dass in der Produktion in diesem weitgehend naturbelassenen Gebiet, das auch flächenmäßig gut ausgestattet ist, noch viel mehr Potential steckt“, versuchte Reinalter die rund zwei Dutzend versammelten Bauern in Graun sowie die fast 70 Anwesenden in Mals zu begeistern. Ein großes Probelm seien derzeit die Kosten für das Einsammeln der Biomilch. Zurzeit werden diese Ausgaben von der Genossenschaft getragen.
Problem Einsammlung
Falls es gelinge, weitere Bauern für die Biomilch-Schiene zu gewinnen und zu einem relativ homogenen Sammelgebiet zu kommen, werde Bergmilch ab einer Mindestmenge von ca. 5.000 kg pro Tag Bio-Joghurt produzieren und dieses mit dem neuen Partner Alce Nero vermarkten. Zampieri kündigte an, dass der bisherige Preiszuschlag von 20% pro kg gesteigert werden könnte: plus 5% seitens der Bergmilch und plus 5% - für die ersten 3 Jahre -, seitens der Gesellschaft Alce Nero. Diese ist übrigens die größte Bio-Dachmarke Italiens. Unter dieser Marke sind über 1.000 Landwirte und Bienenzüchter vereint, die sich seit 1978 in Italien und weltweit dafür einsetzen, gesunde und schmackhafte Lebensmittel mit Rücksicht auf Natur und Umwelt herzustellen. „Unsere Produkte sind auch Botschafter für das Gebiet, in dem sie hergestellt werden, sowie für die Produzenten“, sagte der Gründer und Präsident von Alce Nero, Lucio Cavazzoni. Wie er gab sich auch Marketingleiter Gianluca Puttini begeistert von der naturnahen Berglandwirtschaft im Obervinschgau.Die Nachfrage nach Bio-Produkten steige seit Jahren. Der Umsatz der Gesellschaft Alce Nero, die in fast allen Großhandelsketten in Italien ihre Produkte vertreibt und auch stark exportiert, stieg von 2000 bis 2013 von 9 auf ca. 50 Mio. Euro. Besonderen Wert legt Alce Nero darauf, den Konsumenten den Herkunftsort, die Hersteller und Qualität der Produkte zu vermitteln, auch mit Fotos. Dass sich die Produktion von Biomilch auch wirtschaftlich rechnen kann und dass die bürokratischen Hürden bzw. auch die Einhaltung der Vorgaben sowie die Kontrollen in Wirklichkeit „halb so schlimm“ sind als allgemein angenommen, versuchte der Bioland-Bauer Günther Wallnöfer aus Laatsch zu verdeutlichen. Er ist seit 2006 überzeugter Biobauer. Die Umstellung auf Bio sei vielfach gar nicht so schwierig und auch nicht teuer. Wallnöfer sieht in der biologischen Viehwirtschaft eine große Chance für den Obervinschgau.
„Chance für viele Betriebe“
Weil ab einer bestimmten Höhenlage nur Futterbau und Viehwirtschaft möglich seien und das Setzen auf Menge keine Zukunft habe, ist auch Markus Joos, Amtsdirektor des Bezirksamtes für Landwirtschaft Schlanders, überzeugt, „dass die Produktion von Biomilch für viele Betriebe im Obervinschgau eine gute Chance und Alternative sein kann.“ Allerdings: „Wer biologisch anbaut, muss das aus Überzeugung tun. Natürlich muss das Ganze auch in der Geldtasche stimmen, aber die richtige Einstellung im Kopf und im Herzen sind ebenso wichtig.“ Joos informierte über mögliche Förderungen bei Investitionen, etwa im Bereich der Stallungen, sowie über Bioprämien. Man habe versucht, die Bioprämien in der Südtiroler Berglandwirtschaft bis zum Höchstmöglichen auszureizen.
Bedenken und Sorgen
Mehrere Bauern äußerten sowohl in Graun als auch in Mals Bedenken und Zweifel bezüglich der Einhaltung der Bio-Vorgaben, der Vorschriften bezüglich artgerechter Tierhaltung und der Kosten für die Umstellung. Für Betriebe, die in Haufendörfern angesiedelt sind, ist es zum Beispiel nicht möglich, die Tiere regelmäßig ins Freie zu lassen, speziell im Winter. Auch Ängste vor zusätzlicher Bürokratie wurden geäußert. Jutta Staffler (Geschäftsführerin Bioland) sicherte zu, dass ihr Verband für Beratung zur Verfügung steht. Alce Nero verlangt übrigens nicht, dass die Biobauern zwangsläufig Bioland-Mitglieder werden. Auf Silagefutter müssen Biobauern nicht verzichten. Die Bergmilch-Vertreter und Bauernbund-Bezirksobmann Raimund Prugger sicherten zu, dass auf Wunsch weitere kleinere Versammlungen organisiert werden, um über das Thema Bio-Umstellung zu informieren. Aufs Tapet gebracht wurden in Mals auch Sorgen in Bezug auf die neue EU-Bioverordnung. Im Bezirk Landeck würden Biobauern erwägen, wieder zur konventionellen Anbauweise zurückzukehren, weil sie Angst vor zusätzlichen Auflagen hätten. Laut Landesrat Arnold Schuler sei abzuwarten, was jetzt der neue EU-Agrarkommissar Phil Hogan in dieser Sache unternehmen wird. Die Initiative von Bergmilch Südtirol und Alce Nero begrüßte Schuler. Auch er sieht darin Chancen für die Obervinschger Berglandwirtschaft. Dass die Berglandwirte insgesamt nach wie vor einen sehr schweren Stand haben, bekam Schuler deutlich zu hören. Er versicherte, dass die Landesregierung ihr Versprechen, die Berglandwirtschaft stärker zu unterstützen, einhalten werde. Zu den argen Problemen, die es heuer bei der Heuernte gab bzw. noch immer gibt - große Mengeneinbußen und teils miserable Qualität -, stellte er Unterstützung in Aussicht, „wobei eine absolut gerechte Lösung aber nicht möglich sein wird.“ sepp

Josef Laner