Kompatscher redet Tacheles
… über „Baustellen“ im Vinschgau und über Impfmuffel
Den bisherigen Gemeindeverwaltern und Gemeindeverwalterinnen wurde für den jahrelangen Einsatz gedankt. Im Bild die Riege der ausgeschiedenen Bürgermeister (v.l.): Peter Trafoier (er arbeitet als Vizebürgermeister weiter), Heinirch Noggler, Luis Frank, LH Arno Kompatscher, Helmut Fischer und Andreas Tappeiner; Ulrich Veith und Hartwig Tschenett konnten nicht dabei sein, weil sie im Urlaub waren.
Die jüngste SVP-Bezirksausschuss-Sitzung konnte nach einer langen Dursttrecke endlich wieder in Präsenz stattfinden.

„Wir riskieren, im Herbst die Deppen Europas zu sein“

Landeshauptmann nimmt kein Blatt vor den Mund. Von schleppenden Corona-Impfungen bis hin zu „brennenden“ Vinschger Anliegen.

Publiziert in 22-23 / 2021 - Erschienen am 8. Juli 2021

Latsch - Nach der schier endlosen Corona-Phase mit zahllosen Video-Zuschaltungen waren alle froh, einander wieder in die Augen schauen zu können. Und auch das direkte Gespräch kam bei der Sitzung des SVP-Bezirksausschusses, zu der Bezirksobmann Albrecht Plangger und sein Stellvertreter Helmut Fischer am 30. Juni in das CulturForum nach Latsch eingeladen hatten, nicht zur kurz. Die Themen, zu denen sich die Vinschger SVP-Funktionäre und Verwalter klare Worte von Arno Komptascher erwarteten, hatte der „Abi“ dem Landeshauptmann sozusagen auf einem Teller serviert, ohne es einleitend zu unterlassen, der Landesregierung und speziell dem Landeshauptmann vorab dafür zu danken, „uns gut durch die Krise gebracht zu haben.“ Die Landesregierung habe getan, „was sie konnte und zum Teil sogar mehr.“

Etliche „heiße Eisen“

Was die Anliegen und Probleme betrifft, die den Vinschgern unter den Nägeln brennen, halte der Landeshauptmann die „Vinschger Fahne“ in der Landesregierung zwar hoch, doch es gebe eine ganze Reihe von Anliegen, „bei denen wir dich, lieber Arno, weiterhin brauchen.“ Der Bezirksobmann nannte zum Beispiel die Post, die Schaffung eines Alpenbahnkreuzes im Dreiländereck, den Nationalparkplan, die schon lang geplante Aufwertung des Gebietes am Stilfserjoch, die Trockenzonen und etliche weitere „heiße Eisen.“ Auf Planggers Anspielung, wonach sich im Pustertal zum Teil mehr bewege als im Vinschgau, konterte Kompatscher mit dem Hinweis, dass mittlerweile eher die Pusterer neidisch auf die Vinschger seien, „weil im Vinschgau viel Großes geschehen ist, und zwar schon unter der Regierung Durnwalder.“ Große Dinge seien immer dann gelungen, „wenn die Vinschger Gemeinden, die Abgeordneten und auch die ‚Römer’ zusammengehalten haben.“ Kompatscher: „Der Bezirk Vinschgau hat eine starke Stimme, wenn sie geeint ist.“ 

„Stark, weil geeint“

Als positives Beispiel nannte er das Krankenhaus: „Es gab unterschiedliche Ansichten, aber wir haben immer miteinander geredet.“ Die Corona-Pandemie habe weltweit dazu beigetragen, den Stellenwert der peripheren Gesundheitsversorgung zu stärken: „Die Pandemie hat gezeigt, wie verletzlich große zentralistische Systeme sind.“ Die Umfahrung von Kastelbell und Galsaun, an der planmäßig gearbeitet wird, sei ein weiteres Beispiel guter Zusammenarbeit im Bezirk. Zu den prioritären Vorhaben im Vinschgau gehören derzeit unter anderem Steinschlagschutznahmen in der Latschander. Was das Schülerheim in Mals betrifft, so gebe es eine Perspektive.

Wo und wie wird verbunden?

Ganz bewusst nicht zu weit hinausgelehnt hat sich Kompatscher zum Thema Alpenbahnkreuz im Dreiländereck: „Es geht jetzt darum, zu ermitteln und festzulegen, wo und wie verbunden wird, wobei Österreich, die Schweiz, Südtirol und auch die Lombardei einzubinden sind.“ Kompatscher sprach von einem Jahrhundertprojekt nicht nur für den Vinschgau, sondern für ganz Südtirol. Man sei auf einem „Superweg“ und er sei überzeugt, „dass mit dem ersten Baulos im Vinschgau begonnen wird.“ Wie der Landeshauptmann in einem Nachgespräch dem der Vinschger bestätigte, sei bereits nach der politischen Sommerpause mit einer Entscheidung seitens der Arbeitsgruppe zu rechnen, die nach der „Erklärung von Graun“ im Herbst 2020 eingesetzt worden war. „Es geht um die Ermittlung der objektiv besten Trassenführung, um die technische Machbarkeit, um die Kosten und um die Funktionalität.“ Trassenvarianten gibt es bekanntlich viele. Regionalratspräsident Sepp Noggler sagte, dass es Bestrebungen gebe, einen Beschlussantrag zur Variante Reschenbahn auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Dreier-Landtages zu setzen. Mit einem solchen Antrag könnte der laufende Entscheidungsprozess gestört werden. Der Dreierlandtag findet im Oktober 2021 in Alpach statt. 

Zwischen zäh und sehr langsam

Mit keinen wirklichen Erfolgsergebnissen konnte die SVP-Sitze in Bezug auf die Themen Nationalpark und Aufwertung des Stilfserjochs aufwarten. Zum Stilfserjoch meinte Kompatscher, „dass es lange gedauert hat. Jetzt aber sind die Lombarden soweit und die gemeinsame Gesellschaft kann gegründet werden.“ Es stünden erhebliche Geldmittel bereit, „die ‚nur’ abzuholen sind.“ Die eigenständige Verwaltung des Südtiroler Anteils des Nationalparks sei seinerzeit zwar als riesiger autonomiepolitischer Erfolg gefeiert worden, „aber viele sagen, dass sich nichts geändert hat oder dass es sogar noch schlechter geworden ist.“ Ähnliches sei seinerzeit auch zu hören gewesen, als die Staatsstraßen von der ANAS auf das Land übergingen. Für den jetzt vorliegenden Parkplanvorschlag kündigte Kompatscher ein Landesgesetz an, „das wir in absehbarer Zeit verabschieden wollen.“

Klartext zu Wolf und Bär

Hand in Hand mit der Vorlage des Nationalparkgesetzes will der Landeshauptmann beim Umweltminister auch in Sachen Wolf und Bär Klartext reden: „Wir werden der Regierung in Rom die Rute ins Fester stellen und klarmachen, dass Rom die Verantwortung trägt, wenn unsere Bevölkerung aufsteht und es zu zivilem Ungehorsam kommt.“ Die Bemühungen eines gemeinsamen Vorgehens zusammen mit anderen Regionen werden fortgesetzt.

Chaos in Rom

Über die derzeit recht chaotischen politischen Zustände in der „Ewigen Stadt“ informierte die Senatorin Julia Unterberger. Der Ministerpräsident Mario Draghi leiste zwar gute Arbeit, laufe aber Gefahr, sich von Matteo Salvini und Giorgia Meloni nach rechts ziehen zu lassen. Auch den Machtkampf zwischen Beppe Grillo und Giuseppe Conte innerhalb des „Movimento 5 Stelle“ ließ Unterberger nicht unerwähnt. Fraglich sei, ob die Regierung imstande sein wird, die EU-Geldmittel aus dem Recovery Fund tatsächlich sinnvoll zu nutzen. Laut Kompatscher gelte es darauf zu achten, dass die Südtiroler Autonomie bei den in Rom anstehenden Reformgesetzen im Zusammenhang mit dem Recovery Fund nicht beschnitten wird. Man habe bereits eine Sonderschutzklausel für Südtirol formuliert. Sicher sei, dass es Geld für Südtirol und somit auch für den Vinschgau geben werde: „Aber nicht Geld für alles und jeden und auch nicht Geld zum Verteilen, sondern zum Geld zum Investieren.“ Zu investieren sei u.a. in die soziale Sicherheit, in die Nachhaltigkeit, in den Zivilschutz und in andere Bereiche, „damit es unsere Kinder hoffentlich gleich gut haben werden wie wir.“

„Wir krebsen bei 50% herum“

Das Thema Corona und Impfungen brachte bei der Diskussion Werner Kiem aus Latsch aufs Tapet. Kompatscher appellierte eindringlich und beherzt an alle Versammelten, sich dafür stark zu machen, die Impfquote zu steigern: „Es sind jetzt zwar genug Impfstoffe vorhanden, aber wir krebsen bei 50% herum. Wenn wir nicht auf mindestens 60 oder 70% kommen, erreichen wir die Herdenimmunität nicht und riskieren, im Herbst die Deppen Europas zu sein.“ Dass sich einige wenige Menschen aus ideologischen Gründen nicht impfen lassen, sei leider so, „aber sehr viele zögern und warten einfach ab. Es sind genau diese Menschen, die wir jetzt überzeugen müssen. Im Herbst ist es zu spät.“ Es dürfe einfach nicht sein, „dass wir sehenden Auges erneut auf eine Katastrophe zusteuern.“ Sollte es tatsächlich so weit kommen, „wird es keine Hilfsgelder mehr geben.“ Auch der frühere Landesrat Richard Theiner schloss sich dem Appell an: „Wir laufen Gefahr, an der eigenen Überheblichkeit zu scheitern.“ Alle seien gefordert, Überzeugungsarbeit zu leisten, „auch bei Einzelgesprächen auf der Straße oder am Stammtisch.“ Neuerungen kündigte Kompatscher auch im Bereich der Kommunikation an. Angesichts der vielen Falschmeldungen, Hassbotschaften und Drohungen in den sozialen Medien wird das persönliche Gespräch immer wichtiger. Dass er mit einzelnen Medien Schwierigkeiten habe, „oder sie mit mir“, sei mittlerweile bekannt.

Für Gemeinden und Partei „gesprungen“ 

Kurz ausgeblendet wurden Corona und politische Themen, als Albrecht Plangger die bisherigen Bürgermeister sowie die bisherigen Referentinnen und Referenten nach vorne bat, um ihnen gemeinsam mit dem Landeshauptmann dafür zu danken, „dass sie für ihre Gemeinden und für die Partei viele Jahre lang ‚gesprungen’ sind.“ Auch kleine Geschenke wurden überreicht. Von den ausgeschiedenen Bürgermeistern waren Helmut Fischer, Heinrich Noggler, Andreas Tappeiner und Luis Frank gekommen. Ulrich Veith und Hartwig Tschenett konnten nicht dabei sein, weil sie im Urlaub waren. Der frühere Schludernser Bürgermeister Peter Trafoier wurde nicht auf die Liste gesetzt, denn er arbeitet als Vizebürgermeister weiter. Die neuen Bürgermeister und die neue Bürgermeisterin wurden namentlich begrüßt. Vakant ist derzeit noch der Bürgermeistersessel in der Stadtgemeinde Glurns. Ob es gelingt, ihn am 10. Oktober mit einem Edelweiß-Kandidaten oder einer Edelweiß-Kandidatin zu besetzen, bleibt abzuwarten. „Eine rührige Kerngruppe hat sich bereits gebildet“, freute sich „Abi“.

Josef Laner
Josef Laner

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.