Prad im Richtungswechsel
Bürgermeister Rafael Alber im Interview
Rafael Alber: Geometer und Bürgermeister

„Wir sehen die Dinge anders“

Für die neuen Verwalter in Prad am Stilfserjoch sind und waren Pandemie und Schneefälle erste Bewährungsproben.

Publiziert in 5-6 / 2021 - Erschienen am 18. Februar 2021

Prad am Stilfserjoch - Rafael Alber, Bürgermeister in Prad am Stilfserjoch, war dabei, einen Bericht über den jüngsten Stadelbrand in seiner Gemeinde zu lesen. Der 34-Jährige war selbst im Ortsteil Schmelz im Einsatz. „Mit 17 war ich schon Aktiver der Freiwilligen Feuerwehr von Prad“ erzählte er in seinem „Bürgermeister-Office“. Auf die Frage, wann er denn zum ersten Mal ernsthaft an eine Kandidatur als Bürgermeister gedacht habe, musste er nachdenken und meinte: „Eigentlich vor genau einem Jahr, also anfangs Februar.“ Er erzählte eine Episode aus der Grundschulzeit. „Ich weiß nicht mehr genau, in welcher Klasse wir den Aufsatz schreiben mussten ‚Was ich werden möchte‘. Geschrieben habe ich dann: Tischler oder Baggerist (mein Vater war es) oder Bürgermeister.“ (Schmunzeln) Seine Wahl zum Bürgermeister war nur scheinbar eine Überraschung. Rafael Alber war kein Neuling in Sachen Gemeindepolitik. 2010 hatte er mit 189 Stimmen den Sprung in den Gemeinderat geschafft, 2015 mit 252 Stimmen und 2020 hievten ihn 931 Bürger*innen in den Bürgermeistersessel.

der Vinschger: Herr Bürgermeister, wie ist denn die derzeitige Stimmung unter Ihren Untertanen? Ein paar ältere Prader meinten, sie sei gedämpft. Von der neuen Verwaltung merke man derzeit nicht viel. Ist sie nur mit Schneeräumung beschäftigt?

Rafael Alber: Man merkt nicht viel – ist in diesen Zeiten leicht gesagt. Wegen Corona kann man nirgends hingehen; man kann keine Versammlungen einberufen. Die Nähe zum Bürger bleibt aktuell leider oft auf der Strecke. Wir haben ja deshalb versucht, die Gemeinderatssitzungen online zu halten, damit möglichst viele dabei sein können. Und das ist auch gut angekommen. Es waren immer zwischen 100 und 140 Besucher dabei. Natürlich ist von unserer Seite derzeit viel aufzuarbeiten. Aber das ist normal. Die Vorgänger haben uns einiges hinterlassen und wir arbeiten aktuell unermüdlich, um die ersten, größeren Projekte verwirklichen bzw. abschließen zu können. 

Vielen erschien der Ausgang der Gemeinderatswahl 2020 in Prad wie ein Handstreich. Können Sie den Überraschungserfolg der Südtiroler Volkspartei und den persönlichen Zuspruch von 931 Pradern, Agumsern und Lichtenbergern erklären? 

Tatsächlich haben mich am Anfang viele aufmerksam gemacht, dass ich keine Chance hätte gegen einen amtierenden Bürgermeister. Ich habe dann geantwortet: Wenn wir was machen, machen wir es gründlich und richtig. Wir wollten ja einen fairen Wahlkampf führen. Wichtig für mich war, viele Personen zu motivieren, von denen ich wusste, dass man sich auf sie verlassen kann. Die waren dann auch alle voll im Wahlkampf dabei. Aber die Skepsis hielt an. Es werde knapp werden, hieß es, wenn überhaupt… Ich war dann schon überzeugt, dass wir es schaffen. Dass dann die Wahl so gut ausgegangen ist – mit so einem Vorsprung, hätte ich auch nicht erwartet. Woher der Aufschwung in der Partei? Er hängt sicher mit den vielen jungen Kandidaten zusammen und – wie gesagt – mit dem fairen Wahlkampf. Was die Gegenpartei nicht unbedingt bestätigt. Wir wollten nur unsere Stärken betonen und niemand schlecht machen.

Jetzt sitzen Sie einer kritischen Opposition gegenüber mit der geballten Erfahrung eines ehemaligen Bürgermeisters, eines ehemaligen Referenten und zweier erprobter Räte. Eine einmalige Konstellation im Vinschgau. Fühlen Sie sich permanent auf die Finger geschaut?

Seit meinem 24. Lebensjahr sitze ich schon im Gemeinderat. Damals, 2010, hatte ich auch Gelegenheit, dieselben Personen bei ihrer Oppositionsarbeit zu beobachten. Mit Opposition habe ich gerechnet. Sie haben ja manchmal gute Ideen. Doch die Wähler haben so entschieden. Wir haben auch schon bewiesen, dass wir nicht überall kategorisch nein sagen. Im Gegenteil. Wir haben das programmatische Dokument ein weiteres Mal in die Hand genommen und viele ihre Wünsche und Anregungen einfließen lassen. Opposition gehört zum Geschäft. Wenn sie nicht übertreibt und nicht dauernd nörgelt, kann man auch zusammenarbeiten. 

Woher nimmt ein junger Bürgermeister den nötigen Rückhalt? Auf welche Berater greift er zurück?

Die übrig gebliebenen Räte der letzten Amtsperiode haben sich mit mir solidarisch erklärt und sind seither voll hinter mir gestanden. Es war von vornherein klar, dass alle an einem Strang zu ziehen hatten. Durch unseren geschlossenen Auftritt waren wir dann auch erfolgreich. Ich habe im Vorfeld viele Gespräche geführt und hatte immer das Gefühl, dass sämtliche Ortsgruppen hinter mir stehen. Jetzt heißt es, den Rückhalt auch abzugelten.

Das erfahrenste Mitglied des Rates ist wahrscheinlich Wirtschaftsreferent Alois Lechner. Sie betreuen mit ihm den Bereich Urbanistik. Ist er die graue Eminenz im Hintergrund und Ihr wichtiger Rückhalt? 

(Schmunzeln) Nicht nur im Hintergrund. Er bringt sich auch im Vordergrund ein. Er hat natürlich Erfahrungen in der Urbanistik. Die hab‘ ich als Geometer zwar auch, aber eine 2. Meinung ist immer besser. Sicher, er steht mir immer beratend zur Seite. Aber alles läuft offen und in Anwesenheit der Ausschussmitglieder über die Bühne. Nur gemeinsam ist man stark; Alleingänge soll es unter meiner Führung keine geben.

Team Player hat man das Führungsduo Bernhart-Egger, Bürgerliste und SVP, genannt. Kann man das über Sie und Ihre Stellvertreterin Michaela Platzer auch sagen?

Ja wir ergänzen uns sehr gut. Sicher kann man es so sagen, dass wir ein gutes Team sind. Wir können beide recht beharrlich sein, manche sagen stur dazu, sie mehr im sozialen und ich im technischen Bereich. 

Irgendwo in Ihrer Wahlwerbung liest man, dass ein Richtungswechsel angestrebt werden soll. In welche Richtung und wie soll das gehen, wenn man auf die letzten 10 Jahre aufbauen will, wie Sie im programmatischen Dokument geschrieben haben?

Personell hat es im Rat einen Richtungswechsel durch die Wahl ja schon gegeben. Man könnte es fast einen Totalumbruch nennen. Unser Richtungswechsel besteht aber auch darin, die Dinge anders anzugehen. Wir möchten sowohl nach innen, als auch nach außen die Kommunikation anders gestalten.

Aber kommuniziert hat die frühere Verwaltung doch auch.

Scheinbar ist es nicht überall angekommen. Sie selbst haben bemängelt, dass die Leute es nicht wahrgenommen haben, was sie geleistet haben. Wir haben jetzt eine Facebook-Seite eingerichtet. Das ist heutzutage fast notwendig. Wir versuchen die Sitzungen attraktiver zu gestalten. Irgendwie ist uns da Corona mit seinen fast schon normal erscheinenden Online-Sitzungen entgegengekommen. Ein positiver Effekt, einer der wenigen. 

Zurück zur täglichen Verwaltungsarbeit. Was sehen Sie und Ihr Ausschuss derzeit als wichtigste Maßnahmen für Prad am Stilfserjoch? Was ist vordergründig?

Corona ist das Thema, das uns aktuell am meisten beschäftigt. Fast täglich gibt es Anpassungen und gilt es, Verordnungen umzusetzen. Es erfordert unheimlich viel Zeit, Nerven und Aufwand, alles einigermaßen in den Griff zu bekommen. Bei jeder Sitzung taucht das Thema auf. Im Kindergarten, in den Schulen und im Bauhof sind das Virus und seine Auswirkungen immer Thema. Dann hatten wir mit der Schneeräumung in diesem Winter eine weitere Mammut-Aufgabe. Seit Jahrzehnten gab es nicht mehr so viel Schnee… 

In der Pfasch (eine Übungswiese für Skifahrer in Dorfnähe) wird man sich gefreut haben. 

Auch dort hatten wir lange keine Möglichkeit, etwas zu organisieren. Schließlich haben wir den Skikurs durchführen lassen, damit wenigstens die Kinder etwas davon hatten. Wo wir unbedingt weiterkommen möchten, ist die Seniorenbetreuung. 

Sie meinen „das Prader Modell“?

Genau. In diesem Fall können wir den Weg der Vorgängerverwaltung sicher weitergehen. Im Rat haben wir es behandelt und auch für gut befunden. Dort möchten wir unbedingt weiterkommen und Nägel mit Köpfen machen. Um an eine Lösung zu kommen, werden aber alle Seiten Kompromisse eingehen müssen.

Sie meinen Kompromisse auf Prader und Schludernser Seite oder auch auf der Seite des Landes?

Ja, eigentlich auf drei Seiten in dem Fall. Wir haben schon zwei Gespräche geführt und sind auf einem guten Weg. Das ist zurzeit das wichtigste Unterfangen.

Gibt es so etwas wie ein Lieblingsprojekt des Bürgermeisters?

Lieblingsprojekte möchte ich nicht sagen. Es gibt mehrere wichtige Angelegenheiten. Wichtig ist mir, dass wir die Themen Altersheim und Trinkwasser in den Griff bekommen. Dazu kommt die Erweiterung der Grundschule und… Es steht vieles ins Haus!

Unter anderem der City Bus. Gibt es Möglichkeiten, dort eine eigene Handschrift zu setzen? 

Wir hatten beim City Bus damals nicht alle Informationen. Es sind in der Vorwahlzeit Termine verstrichen. Wir sind dahinter, eine Lösung zu finden, vielleicht eine bessere. Wenn sie spruchreif wird, werden wir sie auch kommunizieren. Beim Thema Shuttle oder City Bus waren wir nie dagegen, wie es die Opposition versucht darzustellen. Oft ist Richtungswechsel eben auch eine andere Ansicht und vielleicht auch eine andere Idee. Der City Bus ist eine wichtige Einrichtung und wir sind an der Sache dran. Auch beim Trinkwasserproblem sind schon Vorarbeiten geleistet worden. Hier ist eine langfristige Lösung anzustreben.

Drei Bereiche wurden in den Medien immer wieder angeschnitten: die Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung, die Aufwertung der Stilfserjochstraße und die Prader „Zukunftswerkstatt 2030“. Wie geht es damit weiter?

Dahinter steckt das Konzept der Ortsentwicklung…

Ihr nennt das auch „Zukunftsprofil 2030“.

Ja, auch. Daraus haben sich Arbeitsgruppen gebildet, die sogenannten Stammtische. Die sind noch immer voll aktiv. Mit Corona ist das Zusammensitzen beim Stammtisch unmöglich geworden. Aber es geschieht viel online. Wir haben erst letzte Woche (die letzte Jänner-Woche) eine Besprechung gehabt, in der berichtet wurde. Da werden viele, auch kleine Probleme und unscheinbare Dinge, aber nicht weniger wichtige von Bürgern und Bürgerinnen aufgegriffen, die nicht unbedingt einer Partei angehören. Sie bringen einfach ihre Ideen ein, die an den Gemeinderat weitergeleitet werden. Teilweise sind Anregungen umgesetzt worden. Manche werden wir noch umsetzen. Man darf halt nie das große Ganze aus den Augen verlieren. Hier ist besonders Vizebürgermeisterin Michaela Platzer engagiert.

Also ist Corona die große Bremse?

Corona ist tatsächlich jeden Tag Thema. Vor allem jetzt mit der Faschingszeit in Prad, wo normalerweise fast die ganze Gemeinde involviert ist. Wir hatten kürzlich eine Sitzung mit den Organisatoren. Auch die konnten wir nur online machen. Wir haben versucht eine Lösung auch zum Fasching zu finden. Umzüge usw. sind natürlich verboten. Trotzdem haben wir uns aber gemeinsam ein paar Kleinigkeiten überlegt, damit Fasching in Prad nicht ganz vergessen wird. Aber es kommen sicher wieder andere Zeiten und dann wird der traditionelle Prader Fasching wieder richtig gefeiert.

Zurück in den Alltag. Wie steht’s mit der Zusammenarbeit über Gemeindegrenzen hinweg? Prad bildet ja mit den Gemeinden Laas und Stilfs eine Verwaltungseinheit.

Demnächst (Montag, 8. Februar) haben wir eine Gemeinderatssitzung und da wird der Beschluss gefasst, dass wir Steueramt und Buchhaltung mit der Gemeinde Stilfs bewältigen. Eine andere Kooperation – zwischen allen drei Gemeinden - wird über die Baukommissionen entstehen. Laut dem neuen Raumordnungsgesetz gibt es ja eine kleine und eine große Kommission. In der großen arbeiten wir gemeinsam und in den kleinen kann man sich abwechseln, aber wir möchten es in allen drei Gemeinden gleich handhaben.

Wie sieht es mit der Zusammenarbeit auf der Ebene der Tourismusvereine aus? Inzwischen sitzt der Geschäftsführer des Tourismusvereins Prad am Stilfserjoch, Peter Pfeifer, für Ihre Partei im Gemeinderat. Kann man sich neue Impulse erwarten? 

Auf alle Fälle. Peter Pfeifer hat da schon seine Ideen und wird von Vizebürgermeisterin Platzer unterstützt. Da unser Referent Alin Gamper aus Lichtenberg in Sulden die Geschäftsleitung der Ferienregion Ortler übernommen hat, bin ich mir sicher, dass die Zusammenarbeit passen wird. 

Als sportlicher und sportverbundener Bürgermeister werden Sie wohl das große Sportprojekt mit Verlegung der Tribünen energisch in die Hand nehmen?

Auch hier möchten wir weiterkommen gemeinsam mit Sportreferent Roman Stecher. Aber das Gesamtprojekt, welches in den letzten Jahren im Raum stand, ist finanziell derzeit nicht zu stemmen. Jetzt müssen wir versuchen, es abzuändern. Kernpunkt ist die Verlegung der Tribünen, die man mehrseitig verwenden könnte und die sich dann in der Nähe der Bar befinden würden. Wo sie sich derzeit befinden, hatte es immer Probleme gegeben, u.a. mit den WC‘s. Wir haben gottseidank viel Platz. Die Aufwertung unserer Sportzone wäre dringend notwendig.

Günther Schöpf
Günther Schöpf

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