„Vernünftig zwischen Nutzen und Gefahr abwägen“
Gesundheitslandesrätin Martha Stocker

„Wird da nicht mehr Schaden angerichtet, als…“

Publiziert in 8 / 2014 - Erschienen am 5. März 2014
Erstmals nimmt die neue Gesundheitslandesrätin zum Thema Pestizide öffentlich Stellung. der Vinschger: Frau Martha ­Stocker, Sie sind seit kurzem Landesrätin für Gesundheit. Das Thema Pestizide lässt im Obervinschgau, speziell in der Gemeinde Mals, die Wogen seit Jahren hochgehen. Haben Sie sich als Landesrätin bereits in diese Thematik eingearbeitet? Martha Stocker: Selbstverständlich habe ich mir berichten lassen und zudem verfolge ich die Vinschger Debatte aufmerksam. Unter der Regie Ihres Vorgängers Richard Theiner wurde eine Studie in Auftrag gegeben. Wollen Sie abwarten, bis diese auf den Tisch kommt? Die Initiatoren der Pestizid-Kampagne haben mit einer in Auftrag gegebenen Analyse einer Grasprobe aus der spritz­intensiven Zeit im April/Mai 2013 Alarm geschlagen. Es sind nach meinem Kenntnisstand zwar geringe Rückstände aus Abdrift gefunden worden, doch liegen diese deutlich unter den EU-Grenzwerten, ausgenommen Kupfer und ein Schorfmittel, die leicht über dem Grenzwert liegen. Äpfel oder Kräutertee, die diese Mengen enthalten, dürften anstandslos verkauft werden, sagen die Experten. Die Fachstudie der Umweltmedizin des Landes hingegen ist längerfristig angelegt. In Mals wird meiner Einschätzung nach eine politische Grundsatz­diskussion geführt, die nicht aufgrund von Bodenproben entstanden ist, und wo es um die zukünftige wirtschaftliche, soziale und kulturelle Ausrichtung der Gemeinde geht. Viele Bürgerinnen und Bürger sagen, dass der Gesundheit des Menschen absolute Priorität einzuräumen ist. Was sagen Sie den Leuten, die infolge des Einsatzes von Pestiziden um ihre Gesundheit bangen? Pflanzenschutzmittel werden allgemein mit größter Sorgfalt getestet. Sie sind nur dann zugelassen, wenn bei Einhaltung der vorgesehenen Dosierung und bei den vorgeschriebenen Vorsichtsmaßnahmen eine Gesundheitsgefährdung für den Menschen praktisch auszuschließen ist. Sicher, es handelt sich um chemische Wirkstoffe - da ist es nicht unmöglich, dass es Langzeitwirkungen oder Querwirkungen geben könnte, die noch unbekannt sind. Auch auf diesem Gebiet wird viel geforscht und die Gesundheitsbehörden auf EU- und Staatsebene sind da sehr wachsam. Insgesamt würde ich zu einer vernünftigen Abwägung von Nutzen und Gefahr einladen. Denn es ist ja so, dass wir uns selber und oft freiwillig schweren Gesundheitsrisiken aussetzen. Wir erzeugen hochgiftigen Auspuff beim Autofahren, wir rauchen, trinken Alkohol, wir kaufen Lebensmittel, von denen wir wissen, dass sie äußerst ungesund sind oder schädliche Zusatzstoffe enthalten, wir verwenden starke Chemikalien im Haushalt oder spülen Medikamente weg, die das Wasser und andere Lebewesen belasten. Ich glaube, es ist möglich, verantwortungsvoll mit notwendigen Dingen wie Pflanzenschutz, Mobilität und Chemikalien umzugehen. Da gibt es immer größere Fortschritte. Wir können selber sehr viel dazu beitragen, unsere eigene Gesundheit und die Gesundheit der anderen zu schützen. Halten Sie eine Volksabstimmung bezüglich des Einsatzes von Pestiziden, wie sie in Mals stattfinden soll, für sinnvoll? Ich frage mich, ob da nicht mehr Schaden angerichtet wird als überhaupt Gesundheit gerettet werden kann. Denn ginge es nur um das Verbot zur Ausbringung bestimmter Pflanzenschutzmittel im Gemeindegebiet von Mals, dann könnte eine andere Gruppe mit gleichem Recht ein Verbot auf den Verkauf von ungesunden Waren fordern, die man an jeder Tankstelle, in jeder Apotheke und in jedem Supermarkt bekommt. Wer das Volk um seinen Willen fragt, sollte immer ehrlich sein und sagen, worum es wirklich geht und auch klar sagen, was die Alternative ist. Auch die EU steht dem Einsatz von Pestiziden zunehmend kritischer gegenüber. Wäre es nicht an der Zeit, diese Diskussion landesweit anzugehen oder anders gefragt: Könnten Sie sich eine landesweite Volksbefragung zu diesem Thema vorstellen? Ich befürworte das Gebot höchster Vorsicht bei allen Stoffen, die der Mensch zu seinem Nutzen einsetzt, die aber seiner Gesundheit schaden, wenn sie unsachgemäß oder in falscher Dosierung verwendet werden. Dafür gibt es strenge gesetzliche Vorschriften, die ständig an die neuesten wissenschaftlichen Forschungen angepasst werden. Eine landesweite Volksbefragung zum Einsatz bestimmter Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft halte ich aufgrund der höchst wissenschaftlichen Komplexität für problematisch. Interview: Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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