Tüchtiger Mediziner mit sozialer Ader
Für Bernhard Spechtenhauser (Bildmitte) ist Solidarität viel mehr als nur ein Wort.

Zehn Jahre Bolivienhilfsprojekt „brillos“

Publiziert in 2 / 2011 - Erschienen am 19. Januar 2011
Allitz/Kufstein/Bolivien - Ein tüchtiger Mediziner mit einer starken sozialen Ader: So kann man Bernhard Spechtenhauser­ vom Unterburghof in Allitz, Jahrgang 1962, bezeichnen. von Hermann Schönthaler Seine Schulausbildung macht er am klassischen Gymnasium am bischöflichen Seminar in Dorf Tirol. Nachher nimmt er das Medizinstudium in Innsbruck auf. Nach Abschluss desselben im Jahre 1988 folgt eine intensive Tätigkeit als Arzt an verschiedenen Krankenhäusern in Nord- und Südtirol und der Abschluss der Fachausbildung für Allgemeinchirurgie 1994. Als besonders reizvoll und intensiv bezeichnet Spechtenhauser seine Tätigkeit an der Abteilung für Transplantationschirurgie unter Prof. Margreiter. In dieser Zeit führt er hunderte Transplantationen, vor allem von Leber, Nieren und Pankreas, durch. Seit März 2004 leitet er die chirurgische Abteilung des Bezirkskrankenhauses Kufstein. Bernhard Spechtenhauser ist Chirurg mit Leib und Seele. Das ist seine erfolgreiche berufliche Seite. Die andere Seite betrifft seine starke soziale Ader, die sich in seinem Bolivienhilfsprojekt „brillos“ niederschlägt. Seit zehn Jahren verbringt er einen Teil seines Urlaubes in Bolivien, unterstützt Straßenkinder, führt Operationen durch, baut Unterkünfte für Obdachlose. Seine zehnjährige Tätigkeit lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Wie so oft beruht auch der Anfang dieses Projektes auf einem Zufall. Im Jahre 2000 wird er eingeladen, mit einer kleinen ­Reisegruppe nach Bolivien zu fahren. Er beabsichtigt nicht, das Land als Tourist zu besuchen, sondern sich in einem Krankenhaus über die dortige medizinische Versorgung zu informieren, ja er darf dort selbst Hand anlegen und sogar größere Operationen durchführen. Allerdings: die Voraussetzungen, die er im Operationssaal und im ganzen Krankenhaus vorfindet, beeindrucken ihn nachhaltig. Für unsere Verhältnisse unvorstellbar! Warum „brillos“? Bei seinem ersten Aufenthalt begegnet er auf der „plaza“ von Cochabamba einem der unzähligen Schuhputzer, von dem er sich die Schuhe putzen lasst. Er sieht, dass dieser junge Mann an Armen und Beinen einen juckenden Hautausschlag hat. Er gibt ihm Geld, damit er sich die entsprechenden Medikamente kaufen könne, obwohl anzunehmen war, dass er das Geld für anderes ausgeben würde. Weit gefehlt. Er trifft ihn nach einigen Tagen wieder mit seiner Gruppe auf dem Hauptplatz. Zu seiner Überraschung will er ihm das Restgeld zurückgeben. Bernhard Stechtenhauser ist beeindruckt. „Brillos“ steht für Glänzer und bedeutet Schuhputzer. Darauf bezieht sich der Name des Projektes, das nun gemeinsam mit bolivianischen Ansprechpartnern entsteht. Brennende Not Bereits bei seinem ersten Aufenthalt stellt er fest, dass die Politik in Bolivien extrem korrupt ist. Die Folgen: brennende Not und ein Leben in sehr dürftigen Verhältnissen bei der Mehrheit der Bevölkerung, während eine kleine Minderheit fast alles besitzt. Die kinderreichen Familien wohnen in der Regel in aus Lehm und Stroh gebauten ein oder zwei Räumen. Das Lebensnotwendige ist nicht immer gegeben, das Wasser reicht oft nicht, die hygienischen Verhältnisse sind katastrophal, die erforderlichen ärztlichen Behandlungen können sich die Menschen nicht leisten. Die arme Bevölkerung kennt keine Krankenversicherung. Entsprechend gering ist die Lebenserwartung. Das Projekt nimmt Form an Tief beeindruckt von der Situation der Bevölkerung dort, ermutigt von mehreren Seiten, überzeugt, auch nur in bescheidenem Ausmaß, aber doch wirkungsvoll helfen zu können und aus der Zuversicht, im Bekannten- und Verwandtenkreis, bei Patienten usw. auf offene Ohren zu stoßen, geht er das Projekt gemeinsam mit Ansprechpartnern vor Ort an. Als gewissenhafte Verwalterin in Bolivien kann er auf Sr. Gundelinde bauen, später wird Sr. Josefine das Projekt vor Ort betreuen. Seither verbringt er jedes Jahr einen Teil seines Urlaubes in Bolivien. Er koordiniert die Tätigkeiten, verhandelt z. B. wenn es um den Kauf eines Grundstückes geht und arbeitet als Chirurg. Große und kleine Spender Bernhard Spechtenhauser wird immer wieder von verschiedenen Organisationen eingeladen, das Projekt vorzustellen, die äußerst dürftigen Verhältnisse in Wort und Bild darzustellen und er stellt immer wieder mit Genugtuung fest, dass die Solidarität bei der Bevölkerung groß ist. Es gibt inzwischen viele kleine und auch große Spender. Mit der Spende eines öster­reichischen Patienten in der Höhe von 10.000 Euro konnte beispielsweise für das Krankenhaus in Santa Cruz ein Ultraschallgerät angeschafft werden. Aber auch mit den vielen kleineren Spenden kann dort viel getan werden.Allen kleinen und großen Spendern dankt er von Herzen und kann allen vergewissern, dass jeder gespendete Euro der armen Bevölkerung zugute kommt. Erreichtes/Verwirklichtes Das Krankenhaus Vila Primero de Mayo Santa Cruz hat einen Sauerstoffgenerator bekommen, in Comarapa ist die Guardena (Kindertagesstätte) für ca. 100 Kinder von zwei bis vier Jahren in Betrieb, ebenso in Comarapa ist der Operationssaal eingerichtet worden, ein Kindergarten in Santa Cruz wurde mitfinanziert, mit einer Spende aus Meran konnte der „comedor“ (Mensa) in Betrieb gehen, Beinprothesen, Rollstühle, Hörgeräte, Tische und Stühle, Schränke, Betten und Matratzen für völlig Mittellose wurden angeschafft, für elternlose Geschwister wurde ein Haus in Santa Cruz gebaut, ein Hausdach erneuert, einer verwitweten Frau mit sechs Kindern konnte ein Grundstück angekauft werden u.a.m. Beim jährlichen Aufenthalt in Bolivien bietet er Visiten an, tätigt verschiedene Eingriffe und versucht zu erkunden, wo die Mittel am dringendsten eingesetzt werden sollen. Geplante Projekte In den dringendsten Krankheitsfällen bringen Mütter ihre Kinder aus den entlegensten Orten in das Krankenhaus nach Santa Cruz. Sie verbringen die Nächte meist im Freien, bis sie ihre Kinder wieder mitnehmen können. Um diesen Müttern eine Unterkunft zu bieten, ist geplant, ein Haus für Mütter im „Hospital de los Ninos“ zu errichten. In La Paz ist ein Erweiterungsbau eines Krankenhauses vorgesehen. Weitere dringende Notfälle, die Finanzierung von Beinprothesen, Rollstühlen usw. fallen immer wieder an. Bernhard Spechtenhauser nimmt die Strapazen und auch die Gefahren, die mit den Bolivienreisen und -aufenthalten verbunden sind, aus Solidarität mit der dortigen Bevölkerung auf sich. Der Versuch, wenigstens einige dieser jungen Menschen aufzufangen, sie mit Essen, Kleidung und Arbeitsmaterial zu versorgen und ihnen möglichst den Schulbesuch und den Einstieg in das Berufsleben zu erleichtern, ist gelebte Solidarität. Ihnen eine minimale medizinische und psychische Betreuung zukommen zu lassen, gehört dazu. Dies alles ist zwar mühevoll und mit viel Arbeit und Belastung, aber immer wieder mit großer Genugtuung und mit be­glückenden Erlebnissen verbunden, sagt er. „Die strahlenden Augen der Straßenkinder, die ich immer wieder zum Leuchten bringen kann – auch dank der vielen Spenderinnen und Spender! - bestärken mich in meinem weiteren Einsatz“. Spenden können unter Sparkasse Kufstein unter „brillos“ überwiesen werden. IBAN: AT 882050607700001717, BIC SPKUAT21. 2010 wurde Bernhart Spechtenhauser anlässlich der Kindersommerspiele in Herzogenburg (NÖ), dem größten Kulturevent in Österreich, für sein Projekt „brillos“ die „Weiße Feder“ verliehen.
Hermann Schönthaler
Vinschger Sonderausgabe

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