Wendezeit in Kastelbell-Tschars

Wen kürt der Wähler in der Doppelgemeinde?

Publiziert in 17 / 2010 - Erschienen am 5. Mai 2010
Kastelbell-Tschars - Johannes Kofler, 38, ist einer der zwei Bürgermeisterkandidaten der Südtiroler Volkspartei in der Gemeinde Kastelbell-Tschars. Der Oberschullehrer in Meran wurde 2005 in den Gemeinderat gewählt und gehört dem Sozialausschuss an. Seit 2004 trägt er als Chefredakteur die Verantwortung für die pädagogische Zeitschrift Südtirols „forum schule heute“. Gustav Tappeiner, 1963 geboren, ist Geschäftsführer im Familienbetrieb und wurde 1990 zum ersten Mal in den Gemeinderat gewählt. Von 1992 bis 2005 bekleidete er das Amt des Vizebürgermeisters und war für Tourismus, Handel, Handwerk, Industrie, Umwelt- und Abfallbewirtschaftung zuständig. Seit 2005 gehören auch Infrastrukturen und Personal des Gemeindebauhofes zu seiner Zuständigkeit. von Günther Schöpf Aus der Erfahrung Impulse geben „Der Vinschger“: Ist der Gustav Tappeiner nun ein Kandidat der Wirtschaft oder – wie man gehört hat – der Bauern? Gustav Tappeiner: Grundsätzlich bin ich Bürgermeisterkandidat der Südtiroler Volkspartei und die Kandidatur wird unterstützt von der Landwirtschaft und der Wirtschaft. Aber ich hoffe, dass mir die Arbeitnehmerschaft auch weiterhin das Vertrauen schenkt. Welche Gedankengänge oder Beweggründe stecken hinter dieser Kandidatur? Gustav Tappeiner: In erster Linie glaube ich, langjährige Erfahrung und auch die Kompetenz einbringen zu können, um die zukünftige Gestaltung der Gemeinde Kastelbell-Tschars positiv mitbestimmen und gestalten zu können. Ich bin weiterhin bereit, Verantwortung für die Bevölkerung der Gemeinde zu übernehmen. Es ist ja auch so, dass man einige Projekte begonnen bzw. Ideen entwickelt hat und dass man diese Projekte abschließen möchte.­ Welche Projekte meinen Sie? Gustav Tappeiner: Die Umfahrung ­Kastelbell-Galsaun steht ganz vorne, obwohl man ja nicht die direkte Entscheidungsgewalt hat. Was sehr wichtig ist, im Bereich Tschars geht es auch um die Verkehrsberuhigung und die Verkehrssicherheit an der Staatsstraße. Damit sich die Gemeinde als solche entwickeln kann, sehe ich große Bedeutung im Wohnbau und in der Sicherung von Arbeitsplätzen. Notwendig ist auch die Erneuerung der Ortskerne. Die Problematik in Tschars ist gemeinsam mit den gewählten Institutionen anzugehen und einer Lösung zuzuführen. Was ist die Problematik in Tschars? Gustav Tappeiner: Es geht um die Parkplatzsituation, um eine Verkehrsberuhigung und letztlich um die Attraktivität des Dorfes durch Erhaltung der Nahversorgung. Einerseits wollen Sie als Bürgermeister neu starten, andrerseits wird man Sie als Teil des Establishment einschätzen, das in den letzten Jahren einen bestimmten politischen Stil gepflegt hat. Was will der Herr ­Tappeiner anders machen, was will er besser machen? Oder will er so weitermachen? Gustav Tappeiner: Grundsätzlich hat man mit der Kandidatur 2005 ja schon Zeichen gesetzt, dass bestimmte Bereiche anders anzugehen oder zu gestalten sind. Ich bin aber überzeugt, dass es keinen Paukenschlag geben wird. Es sollen einfach mit der Erfahrung, die man hat, und mit dem Charakter, wie man die politische Arbeit angeht, der Gemeinde neue Impulse gegeben werden. Neue Impulse ist etwas allgemein… Gustav Tappeiner: Ich hab es vorhin schon gesagt. Man muss auf den Wohnbau ­schauen und in der Sicherung der Arbeitsplätze tätig werden. Der Wirtschaftsstandort Kastelbell-Tschars ist - gerade in Hinblick auf die Umfahrung - zu stärken. Und da sind einige Projekte, die wir gemeinsam mit allen Sozialpartnern erarbeitet haben und die wir als Südtiroler Volkspartei und mit meiner Person umsetzen möchten. Da ergibt sich die Frage, wo der Bürgermeisterkandidat Gustav Tappeiner Perspektiven sieht für seine Gemeinde? Wo hat ­Kastelbell-Tschars Stärken? Gustav Tappeiner: Die Gemeinde ­Kastelbell-Tschars hat absolut Stärken. Grundsätzlich liegt eine in der Landwirtschaft als wichtige Grundlage unserer Gemeinde. Ich glaube aber auch, dass es wirtschaftlich gesehen eine Notwendigkeit ist, gerade im Bereich Tourismus neue Akzente zu setzen. Als zuständiger Referent für Tourismus habe ich gemeinsam mit dem Präsidenten des Tourismusvereines eine mögliche Fusion mit dem Tourismusverein Naturns ins Auge gefasst und eingeleitet. Damit sollen neue Impulse gegeben und neuer Antrieb für den Tourismus geschaffen werden. Da wollen wir absolut noch einiges vertiefen und darin hat die Gemeinde Kastelbell-Tschars noch gute Chancen. Im Zusammenhang damit bieten sich Arbeitsplätze an. Spielt Schloss Kastelbell da eine besondere Rolle? Gustav Tappeiner: Nicht nur Schloss ­Kastelbell, sondern vor allem die Synergie-Effekte, die man zusammen mit Juval erreichen könnte, dürften eine bedeutende Rolle spielen. Ich bin überzeugt, dass das, was Reinhold Messner auf dem Burghügel von Juval geschaffen hat, beispielhaft für das Zusammenwirken von Tourismus und Landwirtschaft ist. Es sind Synergie-Effekte möglich. Persönlich habe ich in den letzten zehn Jahren versucht, Schloss Kastelbell dahin zu bringen, wo es jetzt ist. Es sollen aber keine Einzellösungen angestrebt werden, sondern eine Gesamtentwicklung des Vinschger Sonnenberges. Sonnenberg ist ein gutes Stichwort. Wird in der Gemeinde Kastelbell Tschars das Thema Energie ausgeklammert? Gustav Tappeiner: In Bezug auf alterna­tive Energie ist es ja so, dass wir als Gemeinde eine Studie über ein Fernheizwerk in Auftrag gegeben haben. Dabei hat sich herausgestellt, dass es auf Grund geographischer und wirtschaftlicher Über­legungen unrentabel wäre. Man hat sich dann zwischenzeitlich entschlossen, die Versorgung mit Erdgas in Zusammenarbeit mit der SEL Gas auszubauen. Ich als Referent habe aber immer gesagt, dass es nur eine Übergangslösung ist. In Bezug auf Photovoltaik ist sicher das eine oder andere möglich. Man ist sicherlich offen in dieser Richtung und muss Möglichkeiten sondieren. In unserer ­Gemeinde sind Flächen auf öffentlichen Gebäuden begrenzt. Man muss aber auch sagen, dass in der Gemeinde­ Privat­personen und Genossenschaften schon Akzente gesetzt haben. Nehmen wir an, die Wahl geht positiv, aber knapp aus. Nimmt man den Gegenkandidaten in den Ausschuss? Gustav Tappeiner: Die Frage ist zu früh gestellt. Zuvor haben die Wähler das Wort. Und dann hängt es nicht ganz von mir allein ab. Ich bin der Meinung, dass man gemeinsam mit den Sozialpartnern - Arbeitnehmer, Landwirtschaft, Wirtschaft - und SVP Ortsausschüssen einen kompetenten Ausschuss zusammenstellen soll, der in Zukunft die Geschicke der Gemeinde leitet. Auch weil ich überzeugt bin, dass Ressourcen gegeben sind und genützt werden können. Die Menschen ernst nehmen „Der Vinschger“: Als Außenstehender hat man den Eindruck, in der Gemeinde ­Kastelbell-Tschars herrscht starkes Ständedenken. Ist der Johannes Kofler ein waschechter Kandidat der Arbeitnehmer? Johannes Kofler: Ich bin definitiv Arbeitnehmer. Zu dem will ich stehen und darauf bin ich stolz. Ander­erseits stammt meine­ Familie,­ auch die meiner Frau aus bäuer­licher Umgebung. Den bäuerlichen Hintergrund spüre ich; das ist auch unser kultureller Hintergrund. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir alle – auch die Arbeitnehmer – vom Erfolg des Bauernstandes profitieren. Daher glaube ich, dass das Stände­denken fehl am Platz ist; es schadet uns nur. Wenn es der Landwirtschaft gut geht, geht es uns allen gut. Wie ist es überhaupt zur Kandidatur gekommen? Welche Überlegungen stecken dahinter? Johannes Kofler: Ich musste mich nicht aufdrängen. Verschiedene Leute aus allen Schichten haben mich gefragt. Eigentlich war ich immer für Vorwahlen. Aus verschiedenen Gründen ließen sich diese nicht durchsetzen. Dann ist es zu einer Entscheidung des Sozialausschusses gekommen. Der war offensichtlich der Meinung, dass es in unserer Gemeinde ein neues Gesicht braucht. Als Sozialausschussvorsitzender hat sich auch Reinhard Verdross für mich ausgesprochen im Sinne, dass es einen ­frischen Wind braucht. In den letzten fünf Jahren habe ich es durchaus gemerkt, wenn man Energie und Zeit aufwendet, kann man in der Gemeinde sehr viel bewegen. Ich bin überzeugt, gemeinsam mit anderen viele konkrete Dinge umsetzen zu können. Es ist gar nicht so schwierig, wie viele meinen; man kann gestalten. Von wo erwarten Sie die Wähler? In welchen Schichten wären diese angesiedelt oder hat die SVP-Tschars so viel Gewicht in der Gemeinde, dass man auf den Lokal­patriotismus vertrauen kann? Johannes Kofler: Ich glaube, dass ich bei allem Ständedenken viele Menschen ansprechen kann und ansprechen will. Ich glaube, dass mich Menschen von überall her wählen können. Ich merke im Gespräch, dass mir wenig Skepsis entgegen gebracht wird. Ich habe keinen Anlass anzunehmen, nur die Arbeitnehmer vertreten zu müssen. Sicher spüre ich einen starken Rückhalt von jungen Menschen. Wenn man kandidiert, ist man zumindest überzeugt, das zu leisten, was bisher geleistet worden ist, ja man will einiges besser machen. Was will der Johannes Kofler ganz schnell besser machen, wenn er gewählt wird? Johannes Kofler: Ganz sicher den Arbeitsstil, die Kommunikationsformen. Sagen wir - die Gesprächskultur. Sie wird und muss sich ändern. Eine zweite Sache: ich werde mit den Menschen reden. Aber das mach ich schon seit Wochen. Ich geh auf die Menschen zu und lade sie ein, Ideen, Wünsche und Probleme mitzuteilen. Da kann man aber übertreiben, wenn man zu viel „auflost“, sagen die Vinschger. Johannes Kofler: Ja natürlich. Es ist eine Gratwanderung. Man darf nicht den Eindruck erwecken, die Leute können mit einer Wunschliste kommen und die wird umgesetzt. Immer wieder hab‘ ich bei der Kandidatensuche Sätze gehört wie: ihr macht doch, was ihr wollt, oder: meine Stimme zählt eh nicht, oder: ich hab so oft einen Vorschlag gemacht und es nie ist etwas geschehen. Die Leute haben bei uns das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden oder dass nur bestimmte Personen angehört werden. Ich gehe auf die Leute zu. Sie sollen nicht nur das Gefühl haben, ernst genommen zu werden; ich will sie auch wirklich ernst nehmen. Gibt es auch konkrete Projekte, die anders angegangen werden sollen? Johannes Kofler: Oh ja. Die ganz große Geschichte der Umfahrung von Kastelbell und Galsaun zum Beispiel. Ich habe den Eindruck, dass bisher Druck und Einsatz gefehlt haben. Ich möchte meine ganze Energie darauf verwenden, dass es hier vorwärts geht, und wenn ein Pilgergang notwendig wäre … (lacht). Aber es geht nicht nur um Millionen-Projekte. Ich habe in­zwischen so viele Vorschläge gehört von kleinen Dingen, die aber das Leben lebenswert machen könnten, die wenig kosten. Und ich möchte gegen Ende des Jahres die Liste dieser bescheidenen Vorhaben abgearbeitet haben. In unserer Gemeinde hat sich so viel angestaut, dass sie einen Vollzeitbürgermeister verdient hätte. Welche Perspektiven sieht der Herr Kofler für die Gemeinde? Wo liegen Potenziale? Johannes Kofler: Das größte Potenzial hat unsere Gemeinde in den Bereichen Wirtschaft und Tourismus. Unser Stärken sind die Waalwege, die Schlösser und die dazu gehörende Gastronomie. Mein Ziel ist es, diese Fäden zu vernetzen und sie zu einem Gesamtkonzept zusammen zu bringen. Es gibt schon private Initiativen, Beispiel Spargelwochen oder Weinsommer. Es geht nur, wenn sich die Landwirtschaft und die Gastronomie vernetzen. Für Entwicklung braucht es junge Leute; wir müssen also Wohnmöglichkeiten für junge Familien schaffen. Stichwort: erneuerbare Energie. In ­dieser Richtung hab ich noch nie etwas aus ­Kastelbell-Tschars gehört, obwohl der ­größte Teil der Wohngebiete am Sonnenberg liegt. Johannes Kofler: Leider hat es im Klima und Energiebereich noch kaum Initiativen gegeben. Wir haben einmal vorgeschlagen, die Energieeffizienz von öffentlichen Gebäuden zu überprüfen, aber ich bin auf taube Ohren gestoßen. Hier ist zu viel abgeblockt worden. Natürlich müssen Initiativen ergriffen werden, überhaupt, so lange die Förderkriterien so großzügig sind. Wenn es für Sie knapp negativ ausgeht, geht der Herr Kofler in den Rat? Johannes Kofler: Auf jeden Fall. Es wird sich an meinem Engagement nichts ändern.
Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

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